Die Suche nach Menschen im Wrack der “Costa Concordia“ wird unterbrochen. Das Schiff sinkt ab, die Gefahr wäre zu groß. Neues vom Kapitän.
Giglio/Berlin. Die gefährliche Suche nach Eingeschlossenen in dem havarierten Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ ist ins Stocken geraten. Aus Sicherheitsgründen wurde der Einsatz am Mittwoch unterbrochen, weil das Wrack vor der toskanischen Insel Giglio weiter abgesunken war. Höherer Wellengang droht von Donnerstag an die weiteren Such- und Bergungsarbeiten zusätzlich zu behindern. Die gekenterte „Costa Concordia“ könnte weiter in die Tiefe abrutschen und auch sinken. Versicherer rechnen mit Millionenschäden. Unter den noch 28 Vermissten aus sieben Ländern sind auch noch mehr als ein Dutzend Deutsche. Bisher wurden elf Leichen geborgen.
Nach Angaben des Auswärtigen Amt in Berlin liegen dem Krisenstab zwölf polizeiliche Vermisstenmeldungen vor. Davon stammten fünf aus Hessen, zwei aus Berlin, zwei aus Baden-Württemberg, zwei aus Nordrhein-Westfallen und eine aus Bayern, sagte Ministeriumssprecher Andreas Peschke. Darüber hinaus gebe es Hinweise, dass das Schicksal weiterer Deutscher ungeklärt sei. Dabei handele es sich aber um eine kleine Zahl. Meldungen aus Italien, wonach ein Deutscher unter den elf bisher geborgenen Toten sei, konnte Peschke nicht bestätigen.
Nach einer ersten Vernehmung des Unglückskapitäns äußerte eine Untersuchungsrichterin eine vernichtende Kritik. Francesco Schettino (52) habe ein unbesonnenes Manöver durchgeführt, als er der Insel Giglio viel zu nah gekommen sei, teilte das Gericht in Grosseto mit. Der Kapitän habe den Schaden am Schiff nach der Kollision mit einem Felsen unterschätzt. Als Schettino den Luxuskreuzer verlassen hatte, habe er keinen ernsthaften Versuch unternommen, wieder in die Nähe der „Costa Concordia“ zu kommen. Weil keine Fluchtgefahr bestehe, wurde der Kapitän unter Hausarrest gestellt. Die Staatsanwaltschaft will dagegen Einspruch einlegen.
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Kapitän Schettino selbst hatte vor Gericht Fehler eingeräumt, als er die Insel in einem außerplanmäßigen Schwenk ansteuerte. „Es ist etwas schief gelaufen, denn ich habe zu spät gelenkt“, zitierte ihn der „Corriere della Sera“. „Ich bin auf Sicht gefahren, denn ich kannte den Meeresboden.“ Er sei die Route „schon drei- oder viermal abfahren, aber dieser Felsen hat mich überrascht“, sagte Schettino.
Laut italienischen Medienberichten machte Schettino ein technisches Problem dafür verantwortlich, dass er die Evakuierung an Bord nicht koordiniert hat. „Ich wollte nicht abhauen, sondern habe Passagieren geholfen, ein Rettungsboot ins Wasser zu lassen“, sagte er demnach vor der Richterin. Als der Absenkmechanismus blockierte und plötzlich wieder ansprang, „bin ich gestrauchelt und lag plötzlich zusammen mit den Passagieren im Boot“. Daraufhin habe er nicht mehr auf das Schiff zurückkehren können, weil dieses schon zu schräg gelegen habe. Nach Angaben der Richterin blieb der Kapitän einige Stunden auf einem Felsen nahe des Luxuskreuzers.
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Der Verteidiger des Kapitäns stellte sich hinter seinen Mandanten: Schettino habe auf ihn nicht den Eindruck gemacht, ein Feigling oder ein Krimineller zu sein, sagte Bruno Leporatti.
Dem Kapitän wird mehrfache fahrlässige Tötung, Havarie und Verlassen des Schiffes während der Evakuierung vorgeworfen. Ein Gesprächsprotokoll belegt völlig chaotische Rettungsmaßnahmen. Dem 52-Jährigen drohen bei einer Verurteilung bis zu 15 Jahre Haft.
Das 290 Meter lange Schiff mit mehr als 4200 Menschen an Bord hatte am Freitagabend nach der Kursänderung des Kapitäns einen Felsen vor der Insel Giglio gerammt und war leckgeschlagen. Das Schiff liegt derzeit in starker Schräglage vor der Insel. Naturschützer fürchten, dass Treibstoff das fragile Ökosystem weit über die toskanische Insel hinaus verschmutzt.
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Auf Versicherer kommen Schäden in Millionenhöhe zu - die genaue Ermittlung der finanziellen Folgen des Unglücks wird sich aber noch hinziehen. Der weltgrößte Rückversicherer Munich Re erwartet Belastungen im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Die genaue Schadenssumme lasse sich noch nicht beziffern. Auch die Hannover Rück kann die Schadenshöhe noch nicht benennen. Neben den Kosten für das zerstörte Schiff kommen Belastungen aus Haftpflichtansprüchen der Passagiere und der Crew sowie aus der Bergung des Wracks hinzu.
Darüber hinaus können Kosten aus möglichen Umwelthaftpflichtansprüchen entstehen - etwa für den Fall, dass Öl oder Schiffsdiesel austritt. In Versicherungskreisen wird laut „Financial Times Deutschland“ davon ausgegangen, dass der Schaden insgesamt eine halbe Milliarde Euro leicht überschreiten könne. Die „Costa Concordia“ war 2006 für 450 Millionen Euro gebaut worden.
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Das Abpumpen von Öl aus den Tanks des Schiffs wird voraussichtlich mehrere Wochen dauern. Nach Angaben der Reederei sollen mindestens 1900 Tonnen Treibstoff an Bord sein, darunter Schweröl, sagte eine Sprecherin des Havariekommandos in Cuxhaven. „Schweröl ist wie dicker, zähflüssiger Honig. Um es abzupumpen, muss es erst auf 45 bis 50 Grad erwärmt werden.“ Nach italienischen Quellen sind noch 2380 Tonnen Dieselölgemisch an Bord, über die Menge von Schweröl ist offiziell nichts bekannt.
Die Unglücksstelle liegt mitten im Pelagos-Meeresschutzgebiet. Das ist das wichtigste Walschutzgebiet im Mittelmeer. Umweltschützer befürchten eine Katastrophe, wenn das Öl ins Meer fließen sollte.
Nach Ansicht der Gewerkschaft Verdi müssen die Besatzungen von Kreuzfahrtschiffen noch besser auf Krisen und Notfälle vorbereitet werden. Entsprechendes Training müsse bereits in der Ausbildung verankert sein und dann regelmäßig wiederholt werden, forderte die für Seeleute zuständige Gewerkschaft am Mittwoch in Berlin. (dpa)