Nach der Rückkehr der ausgerissenen 14-jährigen Seglerin nach Holland hat das Jugendamt viele Fragen zu klären.
Amsterdam. Frust und Ärger über eine verständnislose Erwachsenenwelt haben Hollands weltbekanntes „Segelmädchen“ zur Flucht in die Karibik getrieben. Nun muss die 14-jährige Laura Dekker schlimme Konsequenzen fürchten: Nach ihrer am Montag angeordneten Rückkehr in die Niederlande könnte sie in ein Heim gesteckt werden. Das Jugendamt bestätigte Überlegungen, Laura nicht mehr bei ihrem geschiedenen Vater wohnen zu lassen. Obendrein stehen ihre Pläne, als jüngster Mensch allein die Welt zu umsegeln, mehr denn je in den Sternen.
Laura war am Donnerstag aus der Wohnung ihres Vaters unweit von Utrecht abgehauen. Am Sonntag wurde sie tausende Kilometer entfernt von Polizisten auf Sint Maarten anhand von Fahndungsfotos erkannt und in Gewahrsam genommen. Die sonnige Karibikinsel unweit der Dominikanischen Republik gehört zu den Niederländischen Antillen und ist damit Bestandteil des Königreichs der Niederlande. Das „Zeilmeisje“ (Segelmädchen), wie Laura in ihrer Heimat genannt wird, müsse so schnell wie möglich nach Holland zurückkehren, erklärte Justizminister Ernst Hirsch-Ballin.
Dann erst werden wohl etliche Rätsel gelöst werden, die sich mit Lauras Verschwinden verbinden. So erklärte die Grenzpolizei am Montag, das Mädchen sei auf keinen Fall über einen Flughafen der Niederlande in die Karibik gereist. „Niemand hätte eine Minderjährige ohne Bescheinigung, dass sie allein reisen darf, durch die Passkontrolle gehen lassen“, sagte ein Sprecher. Solche Bestimmungen gebe es in der ganzen Europäischen Union.
Das Jugendamt verlangt derweil eine lückenlose Klärung, wie es der 14-Jährigen gelingen konnte, an ein Ticket zu kommen und in die Karibik zu fliegen, obwohl sie bereits seit Monaten unter behördlicher Aufsicht steht. Laura hatte von ihrem Konto 3500 Euro zur Finanzierung der Reise abgehoben. Vertreter des Jugendamtes und der Rechtsanwalt der Familie Dekker beraten derweil, wie es nach der Rückkehr des Mädchens weitergehen soll. Ihre Mutter stammt aus Deutschland, wohin sie nach der Scheidung vor einigen Jahren zurückgekehrt war. Als Grund für Lauras Flucht nannten niederländische Medien ihren Frust darüber, dass die Behörden ihr vor sieben Wochen den Start zur Solo-Umseglung der Erde verboten und erklärt hatten, frühestens am 1. Juli 2010 erneut darüber entscheiden zu wollen.
“Offensichtlich fand sie den Druck so groß, dass sie dachte: Ich muss hier einfach raus“, sagte Familiensprecherin Mariska Woertman. „Und dann hat sie nur noch den Beginn der Weihnachtsferien abgewartet, um abzuhauen.“ Die Polizei schloss nicht aus, dass Laura mit dem Gedanken spielte, von Sint Maarten aus mit einem fremden Segelboot zu dem gewagten Rekordversuch aufzubrechen. Eine Bestätigung gab es dafür jedoch nicht. Lauras eigene Jacht „Guppy“, mit der sie im Sommer auf Weltreise gehen wollte, liegt fest vertäut im Heimathafen unweit von Utrecht.
Laura war Ende Oktober vom Familiengericht in Utrecht vorerst bis zum 1. Juli 2010 unter die Vormundschaft des Amtes für Kinder- und Jugendschutz gestellt worden. Sie durfte aber weiter bei ihrem Vater wohnen, der ihre geplante Weltreise unterstützt. Das Gericht hatte Lauras Eltern ausdrücklich untersagt, das Mädchen in See stechen zu lassen. Als Hauptgrund gab das Gericht an, dass ein so schwieriger Solo-Segeltörn derzeit noch „Lauras Gesundheit und ihre geistige Entwicklung gefährden“ könne. Zudem hatte auch die Schulbehörde Einspruch erhoben. Es könne nicht angehen, dass Laura während des auf zwei Jahre angelegten Segeltörns nicht am Unterricht teilnimmt, argumentierte sie. Lauras Argument, sie werde per Internet lernen und regelmäßig Hausaufgaben zur Kontrolle schicken, wurde nicht akzeptiert.