Der isländische Vulkan Grímsvötn schleudert seit Tagen Asche in die Luft. Die Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol kontrolliert den Luftraum in Europa.
Brüssel/London. Die EU erwartet nach dem Vulkanausbruch auf Island zwar einzelne Beeinträchtigungen im europäischen Luftverkehr, aber kein Chaos wie bei der Aschewolke des vergangenen Jahres. Das sagte die Sprecherin von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas, Helen Kearns, am Montag in Brüssel. Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Leiter von Eurocontrol, Brian Flynn, über die Folgen der Eruption des Grimsvötn. "Von heute an oder ab morgen ist eine Beeinträchtigung möglich, zunächst in nordwestlichen Regionen wie Großbritannien und Irland", sagte Kearns in Brüssel. Genaue Prognosen seien derzeit aber noch nicht möglich. Ein Chaos am europäischen Himmel wie vor einem Jahr sei wegen der anderen Wetterlage unwahrscheinlich.
Auch der stellvertretende Leiter der Brüsseler Eurocontrol sagte, selbst im Falle eines Eindringens der Aschewolke in den europäischen Luftraum "sind wir sehr zuversichtlich, dass es im Falle einer Störung ein wesentlich geringeres Ausmaß sein wird, als wir im vergangenen Jahr erlebten". Zurzeit sei überhaupt nicht absehbar, wie sich die Lage entwickle, fügte Flynn hinzu.
EU-Verkehrskommissar telefoniert mit Verkehrsministern
Um für den Fall abermaliger Luftraumsperrungen die Reaktionen in Europa besser zu koordinieren, will Kommissar Kallas Hearns zufolge noch am heutigen Montag mit den EU-Verkehrsministern telefonieren. Bereits am Morgen habe eine Krisenzelle mit Vertretern der nationalen Luftaufsichtsbehörden, der Flughäfen, der Airlines und der europäischen Aufsichtsbehörde Eurocontrol über Notfallpläne beraten.
Allerdings ist die EU bei der Vorbereitung etwaiger neuer Luftraumsperrungen auch mehr als ein Jahr nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökulls kaum vorangekommen. So gebe es noch keinen einheitlichen Grenzwert für eine Aschebelastung, bis zu dem Flüge als unbedenklich gelten würden, sagte Kearns. Daher müssten weiterhin die Fluggesellschaften das Sicherheitsrisiko für ihre Maschinen beurteilen, und auf dieser Grundlage die nationalen Luftaufsichtsbehörden eine etwaige Schließung von Lufträumen verhängen.
Zudem wurden keine Fortschritte dabei erzielt, für den Ausfall von Flugzeugen zusätzliche Zugverbindungen bereitzustellen, damit der Verkehr innerhalb Europas nicht noch ein Mal zum Erliegen kommt. Kallas wolle auch darüber mit den Verkehrsministern beraten, sagte Kearns. Die EU-Kommission hoffe, dass die nationalen Regierungen die Bürger ausreichend über alternative Reisemöglichkeiten informieren würden.
Am Montag fiel nach Angaben der dänischen Flugaufsicht der einzige Flug von Grönland nach Kopenhagen wegen der Aschewolke aus. Auch die Flugaufsicht in Oslo erwartete Störungen des Luftverkehrs zwischen Norwegen und der Inselgruppe Spitzbergen nördlich des Polarkreises. Die Aschewolke des Grimsvötns stand am Montag 6.000 bis 10.500 Meter hoch und zog von Island nordwärts, wie Modellberechnungen von Eurocontrol zeigten.
Generelles Flugverbot unwahrscheinlich
Der britische Außenminister William Hague erwartete für sein Land keine Gefährdung des Luftverkehrs. Die britischen Behörden verfügten über mehr Informationen über die Verbreitung von Asche im Luftraum als noch vor einem Jahr. Es sei zudem unwahrscheinlich, dass ein generelles Flugverbot erlassen werden müsse.
Wegen des erneuten Vulkanausbruchs auf Island musste am Sonntag der internationale Flughafen von Reykjavik aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Nach Angaben des britischen Meteorologieamtes könnte die Asche des Grimsvötn Großbritannien zum Ende der Woche erreichen.
Im vergangenem Jahr führte der Ausbruch des Eyjafjallajökulls auf Island zu chaotischen Zuständen im europäischen Flugverkehr. Fünf Tage wurde der Flugverkehr unterbrochen, tausende Flüge fielen aus. Millionen von Flugreisenden strandeten auf Flughäfen, die Fluggesellschaften erlitten Millionenverluste. Großbritannien wurde dabei besonders hart getroffen.
Ramsauer: Vulkanasche vermutlich nicht so schlimm wie 2010
Auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer sieht wegen der Vulkanasche aus Island keine größeren Einschränkungen auf den deutschen Luftverkehr zukommen. „Derzeit und für die nächsten Tage sind irgendwelche Entwicklungen wie letztes Jahr im April nicht zu befürchten“, sagte der CSU-Politiker am Montag in Berlin. Im Frühjahr 2010 hatten Aschewolken aus dem isländischen Vulkan Eyjafjallajökull den Luftverkehr in Europa ins Chaos gestürzt, tausende Flüge waren ausgefallen.
Ramauer sagte, er habe am Montag wegen des Ausbruchs des Vulkans Grimsvötn eine sogenannte Allgemeinverfügung in Kraft gesetzt, die verbindliche Grenzwerte für den Flugverkehr in aschebelasteter Luft festschreibe. Bis zu einem Messwert von 0,2 Milligramm Asche pro Kubikmeter Luft seien keinerlei Einschränkungen vorgesehen. Zwischen 0,2 und 2 Milligramm könnten Auflagen verhängt werden, beispielsweise eine häufigere Wartung von Flugzeugen.
Ein höherer Messwert führt laut Ramsauer zu einem grundsätzlichen Flugverbot. Es könne aber Ausnahmen geben. So könne bei einer Belastung der Luft mit zwei bis vier Milligramm Asche pro Kubikmeter noch geflogen werden, wenn die Hersteller von Flugzeugen und Triebwerken dafür „ausdrücklich grünes Licht“ gäben. Das sei bisher allerdings nicht passiert.
Der Minister forderte europaweit einheitliche Regelungen zum Umgang mit Vulkanasche in der Luft. Er habe seine Amtskollegen darauf „unentwegt und energisch“ hingewiesen, bisher aber nur teilweise Erfolg gehabt. Der Ausbruch des Grimsvötn zeige, dass die Gefahr einer Kontamination der Luft mit Vulkanasche „nicht irgendein Hirngespinst ist, sondern eine reale Gefahr“, sagte Ramsauer. Die Gewährleistung der Flugsicherheit sei „alleroberstes Gebot“.