Gegen acht Uhr am Mittwochmorgen sei mit einem Flugverbot zu rechnen.Eine Entscheidung soll am späten Abend fallen.

Offenbach/Laage/Berlin/Brüssel. Die Flughäfen in Hamburg und Bremen trifft es wohl zuerst: Wegen der Vulkanaschewolke aus Island sollen am Mittwoch erste Flughäfen in Norddeutschland gesperrt werden. Später könnten auch für Hannover und Berlin Flugverbote erteilt werden, verlautete am Dienstagabend aus Kreisen der Flugbranche. Die Deutsche Flugsicherung wollte dies jedoch nicht bestätigen und kündigte an, Angaben diesbezüglich erst ab 22.30 Uhr auf ihrer Website zu veröffentlichen.

„Wir bekommen noch aktuelle Wetterdaten und sehen uns das noch im Detail an“, sagte Kristina Kelek von der DFS am Dienstagabend der Deutschen Presse-Agentur. Auch müssten noch Gespräche mit dem Deutschen Wetterdienst geführt werden.

Beyer sagte, es gebe Vorhersagen, dass gegen 8.00 Uhr am Morgen der Wert der Aschekonzentration in der Luft über Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen sowie dem Norden Brandenburgs und Sachsen-Anhalts so hoch sei, dass ein Flugverbot nötig werde.

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Im Flughafen Rostock-Laage werde die Situation gespannt beobachtet, hieß es. Dort steht am Mittwoch um 10.00 Uhr der Abflug einer Maschine nach Mallorca an. Diese Maschine mit Platz für 189 Passagiere startet um 7.30 Uhr auf der Ferieninsel. Aktuelle Hinweise gebe es ab Mittwochmorgen (8 Uhr) im Internet oder unter der Service-Nummer 01805/007737.

Bereits ab 2.00 Uhr in der Nacht liege der Wert über demselben Raum Deutschlands, und sogar bis zum südlichen Brandenburg und dem nördlichen Hessen in dem Bereich, bei dem nur noch unter Auflagen geflogen werden kann.

Die Aschewolke war zum Abend weiter südlich gezogen – auch Richtung deutsche Küste. Ein Chaos wie im Frühjahr 2010 soll es allerdings nicht geben, vor allem weil ein neues Drei-Zonen-Modell weniger Flugverbote vorschreibt.

Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit hat das Bundesverkehrsministerium wegen der Grenzwerte für Flugasche unterdessen kritisiert. Solche Grenzwerte seien zwar sinnvoll, sagte Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg in einem Interview mit den Zeitungen der Essener WAZ-Mediengruppe (Mittwoch). Das Problem sei aber, dass die Grenzwerte nicht für ganz Europa gelten. Handwerg kritisierte das Zustandekommen der Grenzwerte: „Die jetzt geltenden Werte wurden nicht im Test ermittelt.“ Man habe „konservative Werte zugrunde gelegt, einen Sicherheitspuffer draufgelegt und ein wenig gerechnet“.

Bereits am Dienstag wurden in Europa mehrere hundert Flüge gestrichen – betroffen war allerdings zunächst vor allem Großbritannien. Insgesamt rechnete die europäische Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol mit rund 500 abgesagten Flügen. „Das ist eine erste Schätzung, die endgültige Zahl wird von der Bewegung der Wolke abhängen“, sagte eine Sprecherin von Eurocontrol in Brüssel.

Nach Expertenansicht wird die Aschewolke wesentlich weniger Flugzeuge am Boden halten als im Frühjahr 2010. Der Ausbruch des Grímsvötn sei zwar um ein Vielfaches heftiger, die Wolke verflüchtige sich aber wesentlich schneller, sagte Vulkanforscherin Gillian Foulger von der Universität Durham. „Weil es so groß losging, geht es auch schneller wieder zurück“, sagte sie.

Bis Mittag waren im britischen Luftraum rund 250 Flüge gestrichen worden. Am Morgen hatte der Kernbereich der Aschewolke – in dem Flüge nicht mehr erlaubt sind, weil die Asche Flugzeuge beschädigen kann - den Norden Großbritanniens und Teile Irlands erreicht. Allerdings ließen die Behörden nicht den gesamten Luftraum schließen. Prominentester Leidtragender war US-Präsident Barack Obama, der vorzeitig von Irland nach London abreiste.

Der spanische Fußballmeister FC Barcelona wollte wegen der Aschewolke seine Anreise nach London zum Finale der Champions League gegen Manchester United vorziehen und bereits am Dienstagabend oder Mittwoch nach London fliegen. Dort treffen die Katalanen am Samstag im Wembley-Stadion auf das Team von Alex Ferguson.

Island hatte am späten Montagabend seine internationalen Flughäfen wieder geöffnet. Der Grímsvötn war am Dienstag nach Angaben isländischer Experten weiterhin aktiv und schürte die Angst vor neuen Problemen im Luftverkehr – 14 Monate nach dem Flugchaos, das der isländische Vulkan Eyjafjallajökull ausgelöst hatte.


Im Frühjahr 2010 hatte dieser mit seiner Asche wochenlang Teile des internationalen Flugverkehrs gestoppt. Damals fehlten Grenzwerte für die Aschekonzentrationen in der Atmosphäre. Inzwischen wurden dafür drei Zonen festgelegt – und das Fliegen in Arealen mit geringer Konzentration ist erlaubt. Fluggesellschaften beklagen aber, dass es nach wie vor keinen einheitlichen Grenzwert gibt, bei dem alle Flugzeuge am Boden bleiben müssen.

In Deutschland wurde von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) eine kritische Marke festgelegt. Bei mehr als 2,0 Milligramm Aschebelastung pro Kubikmeter Luft darf nicht mehr geflogen werden - es sei denn, Triebwerk- und Flugzeughersteller geben grünes Licht.

Die SPD vermisste bei Ramsauer ein funktionierendes Krisenmanagement. „Die neue Aschewolke kommt eindeutig zu früh für Ramsauer“, sagte Fraktionsvize Florian Pronold „Handelsblatt Online“. Der Verkehrsminister habe eine einheitliche europäische Regelung angekündigt – nun sollen nationale Richtwerte darüber hinwegtäuschen.

Die Wetterverhältnisse in Island machten es schwierig, die Größe und Höhe der Wolke genau einzuschätzen, sagten Meteorologen des Landes. Aber Radaranzeigen zeigten, dass die Aschewolke nicht mehr so hoch wie kurz nach dem Ausbruch des Grímsvötn am Samstag war. Experten gingen von fünf bis sieben Kilometern aus. Für Dienstag war ein Erkundungsflugzeug über die Region geplant.

Jeder Staat entscheidet selbst darüber, ob er seinen Luftraum schließt – die EU-Luftsicherheitsexperten geben nur Empfehlungen ab. So können die Fluggesellschaften beantragen, bei einer mittleren Aschekonzentration noch zu fliegen. Es hätten einige Anträge vorgelegen, hieß es von der britischen Luftfahrtaufsicht CAA.

Mehrere Fluggesellschaften – darunter KLM, British Airways, Ryanair, Easyjet, der Lufthansa-Partner BMI, Loganair, Eastern Airways und Aer Lingus – strichen am Dienstagmorgen Flüge von und nach Schottland. 400 Menschen mussten über Nacht am Flughafen Edinburgh ausharren.

Die Lufthansa musste zum Mittag nur zwei Flüge absagen. Bei Air Berlin gab es nur geringe Verspätungen. Ryanair strich den Flug vom schottischen Edinburgh zum Hunsrück-Flughafen Hahn und zurück. Es war nach Airline-Angaben ihr erster betroffener Flug.


Erinnerungen an den Eyjafjallajökull-Ausbruch

Der Grimsvötn stieß unterdessen weiter Asche aus, aber weniger stark als in den vergangenen Tagen. Er ist der aktivste Vulkan Islands und liegt unter dem Vatnajökull-Gletscher. Seine vergangenen Ausbrüche - der letzte ereignete sich 2004 - hatten keinen großen Einfluss auf den Flugverkehr gehabt.

Vor gut einem Jahr hatten nach dem Ausbruch des Eyjafjallajökull über Europa treibende Aschewolken tagelang zu Sperrungen des Luftraums geführt und für ein Chaos im internationalen Flugverkehr gesorgt. Schätzungen zufolge waren damals weltweit etwa zehn Millionen Passagiere betroffen.

Experte: Ausbruch des Grimsvötn heftiger, aber auch "nasser"

Ob es dieses Mal wieder so kommt, lässt sich noch nicht sagen. Der Geophysiker Bernd Zimanowski von der Universität Würzburg sieht die Möglichkeit durchaus. Die Menge der Asche, die der Grimsvötn derzeit ausspucke, sei größer als damals, sagte er.

Allerdings sei der Ausbruch nicht nur heftiger als der 2010, sondern - weil er in der Umgebung eines großen Gletschersees stattgefunden habe - auch nasser und die Asche dadurch klumpiger. Das könne dazu führen, dass weniger feiner Staub in die höheren Luftschichten gelange, wo er den Luftverkehr behindern könnte. Außerdem regne die Asche womöglich früher ab, sodass sich die Wolke nicht so schnell ausbreiten könne.

Ob dieser Effekt am Ende für eine geringere Beeinträchtigung des Luftverkehrs sorgt, bleibe abzuwarten. Das hänge auch von der Windrichtung ab. Auch wie lange der Vulkanausbruch noch dauern werde, sei derzeit noch nicht abzuschätzen, sagte Zimanowski.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat bereits am Montag eine sogenannte Allgemeinverfügung in Kraft gesetzt, die verbindliche Grenzwerte für den Flugverkehr in aschebelasteter Luft festschreibt. Bis zu einem Messwert von 0,2 Milligramm Asche pro Kubikmeter Luft sind keinerlei Einschränkungen vorgesehen. Bis Dienstagmittag wurde für Deutschland keine Überschreitung festgestellt. (dapd/dpa)