Hamburg. St.-Pauli-Anhänger Thorsten Schröder trägt eine innovative Idee vor. Welche sportliche Herausforderung auf den 56-Jährigen selbst wartet.

Zügigen Schrittes, aber nicht etwa laufend oder auf dem Rennrad kommt Thorsten Schröder zum Termin in der Abendblatt-Redaktion den Großen Burstah herunter und trägt ein erfrischendes Lächeln auf seinem Gesicht. Der drahtige, 56 Jahre alte Hamburger ist Millionen Deutschen als „Tagesschau“-Sprecher bekannt, besucht er sie doch regelmäßig per Bildschirm in ihren Wohnzimmern. Im Abendblatt-Podcast „Millerntalk“ aber spricht Schröder, der ursprünglich am liebsten Fußball-Reporter beim NDR hätte werden wollen, weniger über seinen Beruf als vielmehr über seine beiden großen sportlichen Leidenschaften.

Die erste davon hat ihn, so berichtet er anschaulich, schon 1983 erwischt. Bei einem Familienbesuch im Schanzenviertel genehmigten sich Thorsten Schröder und sein Vater eine Auszeit und gingen erstmals ins nahegelegene Millerntor-Stadion. Der FC St. Pauli bestritt dort sein Zweitliga-Aufstiegsspiel gegen Eintracht Heesen aus dem westfälischen Hamm. Gerade einmal 6000 Zuschauer waren gekommen. „Es war damals also gar kein Problem, an der Kasse noch ein Ticket zu bekommen. Da war alles noch ein bisschen anders“, berichtet Schröder und denkt an die heutige Nachfrage nach Karten, die nicht annähernd zu befriedigen ist.

Bei St. Paulis Aufstiegsspiel 1983 gegen Hamm war es „Liebe auf den ersten Kick“

„Die paar Tausend Leute haben Krach gemacht wie 30.000. Ich fand das ohrenbetäubend und großartig, wie sie ihre Mannschaft nach vorne gebrüllt haben“, erzählt er. Selbst hatte er bei seinem Heimatverein Voran Ohe mit dem Fußballspielen da gerade im Alter von 15 Jahren wegen eines Wirbelgleitens aufhören müssen, was ein schwerer Schlag war. Fußballspielen hatte mir sehr viel bedeutet“, sagt und wiederholt das Wort „sehr“ gleich noch dreimal.

Der FC St. Pauli war nun die „Liebe auf den ersten Blick und auf den ersten Kick“, auch wenn es im Sommer 1983 noch nichts mit dem Aufstieg in die Zweite Liga wurde. Diese Vereinsliebe hielt auch 2006 noch, als der Club vom Millerntor in seiner tiefsten wirtschaftlichen Krise mit diversen Maßnahmen vor der Insolvenz bewahrt werden musste. Die „Retter“-Shirts von damals sind heute noch Kult, erst am Sonntag war Axel Prahl im Tatort als Kommissar Frank Thiel mit einem solchen zu sehen. Zu den Aktionen damals gehörte auch der Verkauf von lebenslangen Dauerkarten zum Preis von 1910 Euro für einen Stehplatz.

2006 kaufte sich Schröder eine lebenslange Dauerkarte für den FC St. Pauli

„Da habe ich zugegriffen. Ich war da schon 23 Jahre beim FC St. Pauli. Wir gehörten zusammen, und es war klar, dass das nicht geschieden wird“, berichtet er. Im schlechtesten Fall, der Insolvenz und dem Lizenzentzug, wäre er auch in der Hamburger Verbandsliga den Kiezkickern treu geblieben. Es kam anders, viel besser. „Jetzt habe ich meinen Stehplatz in der Gegengeraden sicher und muss mich nicht mit anderen um eine Karte balgen.“ Finanziell hat sich das Ganze ohnehin längst amortisiert.

Thorsten Schröder
Thorsten Schröder (r.) bei der Aufnahme des „Millerntalks“ im Podcast-Studio des Hamburger Abendblatts mit Redakteur Carsten Harms © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Größtes Problem sind heute eher die relativ kurzfristigen, genauen Spielansetzungen durch die DFL. Da stehen die Dienstpläne bei der „Tagesschau“ schon längst. „Ich muss immer gucken, ob ich bei Überschneidungen einen Dienst tauschen, oder vor dem Dienst noch ins Stadion gehen kann“, beschreibt Schröder das Dilemma. Gern wäre er auch beim Auswärtsspiel in Dortmund gewesen. Er hatte aber nicht damit gerechnet, dass dieses Match an einem Freitagabend stattfindet, und sich für Sonnabend und Sonntag freigenommen.

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Thorsten Schröder: Bei jedem Spiel sollte das Stadion anders heißen

Millerntalk - Die Seele des FC St. Pauli

Längst hat Schröder auch einen Anteil an der neuen Genossenschaft des FC St. Pauli erworben, die eine alternative Finanzierung des Profifußballs ermöglichen soll. „Mich überzeugt, dass das ein anderer Weg ist. Es geht ja darum, dem etwas entgegenzusetzen, was andere machen mit Oligarchen, Scheichs und Konzernen im Hintergrund, die das dicke Geld haben“, sagt er. Zunächst soll ja mit dem eingenommenen Geld dem Verein ein Anteil des Millerntor-Stadions abgekauft werden. Dies hat Thorsten Schröder auf eine ganz spezielle Idee gebracht: „Jeweils für ein Heimspiel wird das Stadion nach jemandem benannt, der einen Anteil gezeichnet hat. Per Los soll immer entschieden werden, wie das Stadion heute heißt.“

Thorsten Schröder läuft in Trikot des FC St. Pauli

Ideen dieser Art kommen Schröder oft bei seiner zweiten Leidenschaft, dem extensiven Ausdauersport. Als erstmals der Jedermann-Triathlon in der Innenstadt ausgetragen wurde, reizte und begeisterte ihn das Ganze so, dass er nicht nur daran teilnahm, sondern wenig später auch mal einen Ironman absolvieren wollte. Eines kam zum anderen, inzwischen hat er sich schon zweimal für die WM auf Hawaii qualifiziert. Seine Bestleitung sind beeindruckende 9:41 Stunden für die 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und den abschließenden Marathonlauf (42,195 km). Bei den Wettkämpfen trägt er natürlich auch die Farben des FC St. Pauli, in dessen Triathlon-Abteilung er Mitglied ist.

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Bei der Verabschiedung lächelt Schröder noch immer. An diesem Tag steht für ihn kein Termin mehr im NDR-Funkhaus vor der Kamera an. Dafür wartet eine zweistündige Einheit auf dem Rennrad – zu dieser Jahreszeit aber nur auf der Rolle im eigenen Keller. Sein nächstes Ziel ist der Norseman Xtreme Triathlon im August mit 3,8 Kilometer Schwimmen im rund fünf Grad kalten Hardanger Fjord im Südwesten Norwegens.