Hamburg. Beim 0:2 im Bundesliga-Topspiel nutzte Bremen seine wenigen Torgelegenheiten eiskalt, den Kiezkickern fehlte die Durchschlagskraft.
Was am Sonnabendabend in den Köpfen der St.-Pauli-Profis vorging, war natürlich nur zu erahnen. Die Vermutung liegt aber nahe, dass auch Applaus manchmal nerven kann. Nämlich dann, wenn man wieder mal kein völlig schlechtes Spiel gemacht hat, wieder mal eiskalt bestraft wurde und wieder mal ohne Punkte blieb.
Bei der 0:2 (0:1)-Heimniederlage gegen ein sehr erwachsenes Werder Bremen erlebten die Kiezkicker am Millerntor ein bitteres Déjà-vu, die Gäste von der Weser verwerteten ihre Großchancen mit maximaler Coolness. „Es ist sehr nervig. Wir sind heute nicht an unser Maximum gekommen“, sagte Eric Smith.
„Wir sind die ersten 60 Minuten nicht in unser Spiel gekommen, kamen immer einen Schritt zu spät“, ergänzte Philipp Treu. „Es ist beschissen, weil wir es heute einfach besser machen wollten.“
FC St. Pauli musste auf Guilavogui verzichten
Im Bundesliga-Topspiel musste St. Paulis Trainer Alexander Blessin auf Stürmer Morgan Guilavogui (fünf Gelbe Karten) verzichten. „Es ist einfach schade, weil er extrem gut drauf war, aber ich glaube, dass wir einen adäquaten Ersatz finden“, sagte Blessin vor dem Spiel. „Wir wollen für eine Überraschung sorgen.“
Dies wurde es dann auch, U-23-Angreifer Romeo Aigbekaen stand erstmals im Bundesligakader. In die Startelf schaffte es der 20 Jahre junge Deutsch-Nigerianer logischerweise noch nicht, für Guilavogui spielt Danel Sinani auf der rechten Seite, Oladapo Afolayan rückte nach links.
Anpfiff um fünf Minuten verzögert
Nach fünfminütiger Pyro-Rauch-Verzögerung wirkten beide Teams in der Anfangsviertelstunde ebenfalls noch etwas benebelt, Hightlights gab es zunächst nicht. In der 18. Minute war es schließlich der Ex-Bremer Johannes Eggestein, der Michael Zetterer erstmals aus der Distanz prüfte.
Bremen lief von Beginn an hoch an, setzte die St.-Pauli-Abwehrspieler im Aufbau unter Druck. Meistens ließen sich die Kiezkicker davon aber nicht beeindrucken, kombinierten sich sicher durch, auch durch den einrückenden Schienenspieler Treu.
Werder überzeugte mit guter Organisation
Werder agierte allerdings nicht minder kontrolliert, die Grün-Weißen fanden auch dank ihrer hervorragenden Raumaufteilung regelmäßig schöne Lösungen. Nach einer solchen Kombination über das Zentrum und den rechten Flügel rutschte eine Hereingabe auf den zweiten Pfosten zu Linksverteidiger Derrick Köhn durch. Der gebürtige Hamburger, beim HSV ausgebildet, ließ St.-Pauli-Keeper Nikola Vasilj bei seinem Flachschuss (99,8 km/h) keine Chance, Bremen führte (24.).
Trotz der Fan-Freundschaft, die beide Clubs verbindet, ging es auf dem Feld nicht immer freundschaftlich zu. Werder sammelte bis zur Halbzeit bereits drei Gelbe Karten, auch die St. Paulianer ließen hin und wieder den Fuß stehen. Offensiv brachte es St. Pauli bis zur Halbzeit angesichts einer ausbaufähigen Strafraumbesetzung nur noch zu Halbchancen, Sinani drehte eine Ecke rein (38.), Afolayan versuchte es aus der Distanz (45.).
Erneuter Pyro-Nebel zu Beginn der zweiten Halbzeit
Kurz nach dem Wiederangriff fiel beiden Ultra-Lagern dann ein, dass sie vor Silvester noch mal die Tauglichkeit diverser Feuerwerkskörper überprüfen könnten. Diesmal war der Rauch im Stadion so dicht, dass die Partie für rund elf Minuten unterbrochen blieb, beide Mannschaften konnten sich in der Kabine noch mal aufwärmen.
„Das war ein ungünstiger Zeitpunkt, einfach suboptimal“, sagte Blessin. Zwischen 10.000 und 50.000 Euro veranschlagt der DFB als Strafen für Pyro-Spielunterbrechungen, für die Nebel-Aktion am Sonnabendabend dürfte auf beide Clubs eher eine Strafe am oberen Ende dieser Skala warten.
Ducksch erhöht nach einem Konter
Wer das Spiel nicht vollständig sehen konnte, dem reichte die 54. Minute als Sinnbild. St. Pauli spielte bis zum Strafraum wieder mal gefällig nach vorne, Eggesteins Abschluss aus gut 15 Metern war aber zu zentral und kein Problem für Zetterer.
Im direkten Gegenzug konterte Werder über Mitchell Weiser, der punktgenau auf Marvin Ducksch flankte. Der Ex-Kiezkicker nahm den Ball perfekt mit und verwandelte zum 0:2. Der Treffer war Ausdruck einer brutalen Coolness, die Bremer agierten ihrem Spiel entsprechend hocheffizient.
„Wir haben in der Halbzeit auf Viererkette umgestellt, dann war es auch irgendwie mein Fehler mit einer schlechten Absprache“, ärgerte sich Treu. „Das darf uns so nicht passieren.“ Blessin ergänzte: „Wir waren 60 Minuten lang geistig nicht frisch genug. Bremen war da eine Klasse besser.“
Latte verhindert den Anschlusstreffer
Zwei Minuten später hätte nach einer weiteren St-Pauli-Ecke der Anschluss fallen können, der abgefälschte Ball sprang allerdings nur an die Latte. Schlecht spielten die Hamburger nicht, nach einer Balleroberung in der gegnerischen Hälfte zog Boukhalfa gefährlich aus der Distanz ab (68.).
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Erst in der 74. Minute wechselte Blessin zum ersten Mal, Lars Ritzka kam für den unglücklich agierenden Manolis Saliakas. Wenig später sollte dann auch Andreas Albers noch mal für Kopfballgefahr sorgen, es blieb allerdings bei der Theorie. Wirklich gefährlich wurden die Hausherren nicht mehr, stattdessen verpasste Oliver Burke freistehend noch das 0:3 (90.).
- FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Nemeth – Saliakas (74. Ritzka), Irvine, Boukhalfa (89. Maurides), Treu – Sinani (89. Ahlstrand), Johannes Eggestein (80. Albers), Afolayan.
- Werder Bremen: Zetterer – Stark (82. Pieper), Friedl, Jung – Weiser, Lynen, Köhn (83. Deman) – Stage, Schmid (90.+3 Alvero) – Grüll (68. Burke), Ducksch.
- Tore: 0:1 Köhn (24.), 0:2 Ducksch (54.).
- Schiedsrichter: Robert Hartmann (Wangen).
- Gelbe Karten: Sinani, Smith (3) – Stark, Friedl (3), Stage (3).
- Zuschauer: 29.546 (ausverkauft).
- Statistik: Torschüsse: 15:9, Ecken: 4:5 Ballbesitz: 55:45 Prozent, Zweikämpfe: 85:102. Laufleistung: 124,74:119,02 km.