Hamburg. Anfang Oktober erlitt der Kiezkicker gegen den HSV eine schwere Kopfverletzung. Was der 23-Jährige mittlerweile satthat.

Von Flüssignahrung hat Ben Voll erst mal genug. „Ich habe zehn Tage lang mehr Suppen gegessen als in meinem gesamten Leben zuvor“, sagt der Torhüter, als er im Trainingszentrum des FC St. Pauli mit dem Abendblatt zusammensitzt. Knapp zwei Monate ist es nun her, dass sich der 23-Jährige im Spiel gegen den HSV II einen doppelten Kieferbruch zuzog. Die Erinnerung an den Zusammenprall ist nur noch schwammig, alles ging sehr schnell.

„Ich habe ein Knie oder eine Hüfte an den Kopf bekommen, genau kann ich das nicht sagen. Es hat sich seltsam angefühlt und ich wusste, dass ich nicht weiterspielen kann“, sagt Voll, der aus seinem Strafraum herausgeeilt und mit HSV-Talent Ayukayoh Mengot zusammengeprallt war. Minutenlang wurde der Torwart auf dem Platz behandelt, aus seinem Mund blutete es. Mit der Hilfe von Physiotherapeut Marius Abraham schaffte es Voll vom Platz, ehe es für ihn auf direktem Weg ins Heidberg-Krankenhaus ging, wo er noch am selben Abend operiert wurde.

FC St. Pauli: Ben Voll kam im Sommer von Viktoria Köln

Der Einsatz im Regionalliga-Team der Kiezkicker war Volls erstes Pflichtspiel in dieser Saison, nachdem er bei den Profis hinter Stammkeeper Nikola Vasilj (29) als Nummer zwei zuvor nur auf der Bank gesessen hatte. Im Sommer war der gebürtige Rheinländer von Drittligist Viktoria Köln nach Hamburg gewechselt, um Vasilj mittelfristig als Nummer eins zu ersetzen.

Nach Abendblatt-Informationen waren am Ende der vergangenen Saison auch mehrere große Zweitligisten, darunter Fortuna Düsseldorf und Schalke 04, an Voll interessiert. Am Ende erhielt der FC St. Pauli für eine Ablösesumme im niedrigen sechsstelligen Bereich den Zuschlag. „Als Sportler will man sich immer mit den Besten messen und höchstmöglich spielen. Ich hoffe, dass ich auf dem Level und in der Liga auch in den kommenden Jahren agieren werde“, sagt Voll, der die Wechselgespräche noch mit Ex-Coach Fabian Hürzeler und Torwarttrainer Marco Knoop führte.

Blessin ließ die Torwartfrage im Sommer noch offen

Während Hürzeler und Knoop mittlerweile bei Brighton & Hove Albion in der Premier League arbeiten, kam im Sommer in Alexander Blessin und Sven Van der Jeugt ein neues Trainer-Torwarttrainer-Duo vom belgischen Topclub Royale Union Saint-Gilloise zu St. Pauli. Doch auch die neuen Übungsleiter konnte Voll schnell überzeugen. Weil Vasilj einige Wochen der Sommervorbereitung verletzt fehlte, gab es kurzzeitig sogar die Spekulation, dass der neu verpflichtete Schlussmann direkt als Nummer eins durchstarten könnte.

Auch Trainer Blessin ließ die Torwartfrage bis kurz vor dem Saisonstart offen, entschied sich dann aber doch für Vasilj. „Niko strahlt auf dem Platz viel Ruhe aus. Es gibt aber auch darüber hinaus verschiedene Dinge, die ich mir von ihm abschauen kann“, sagt Voll, der durch Vasiljs starke Leistungen kaum Hoffnung auf Profi-Spielzeit hatte. Anfang Oktober folgte die Idee, sich bei der zweiten Mannschaft Spielpraxis zu holen, der Rest der schmerzhaften Geschichte ist bekannt.

Bei Hansa Rostock erlebte Ben Voll eine schwierige Zeit

„Im ersten Moment waren viele Menschen sehr besorgt um mich, auch beim Club. Dass ich jetzt schon wieder auf dem Trainingsplatz stehen kann, zeigt aber, wie gut ich in der Verletzungszeit unterstützt wurde“, sagt Voll, der bei den Einheiten eine schwarze Schutzmaske trägt. „Ich bin jetzt seit zwei Wochen wieder im Training. Die Maske gibt mir sehr viel Sicherheit, weshalb ich nicht das Gefühl habe, anders zu agieren.“

Mit Rückschlägen umzugehen, hat Voll in seiner noch jungen Karriere bereits gelernt. Bei Hansa Rostock machte er zwischen 2019 und 2022 nur ein einziges Profispiel – in der dritten Runde des Landespokals Mecklenburg-Vorpommern beim 9:0 gegen den Landesligisten Penkuner SV Rot-Weiß (Wer kennt ihn nicht?).

Nach dieser enttäuschenden Station wechselte Voll zurück in die Heimat, wo es plötzlich lief. Bei Viktoria Köln war er zwei Jahre lang Stammkeeper, holte sich beim 0:5 im DFB-Pokal gegen den FC Bayern sogar ein Lob von Manuel Neuer ab.

Zusätzlicher Torwartkonkurrent Eric Oelschlägel

Auch nun macht Voll nicht den Eindruck, als würde ihn seine Rolle als Ersatzmann belasten. „Niko macht einen sehr guten Job. Ich versuche, mich sehr schnell wieder an das Level vor meiner Verletzung heranzuarbeiten und immer besser zu werden. Alles andere liegt nicht in meiner Hand“, sagt der 23-Jährige.

Volls erstes Ziel ist, sich den Status als Nummer zwei zurückzuholen. Zweieinhalb Wochen nach seinem Kieferbruch verpflichtete St. Pauli in Eric Oelschlägel einen weiteren Torwart, weil in Sascha Burchert (Schambein) auch der dritte Keeper monatelang fehlt. Das Gefühl, durch die Nachverpflichtung degradiert worden zu sein, hat Voll aber nicht.

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„Wir reden immer noch von der Bundesliga. Wenn man da ohne Konkurrenzkampf auf dem Trainingsplatz rumläuft, läuft irgendwas falsch“, sagt er. „Es hilft im Torwarttraining extrem, wenn wir ein hohes Niveau haben. Es war komplett logisch, dass wegen meiner Verletzung ein Torwart nachverpflichtet wird.“

Ständig an Fußball und die aktuelle Situation zu denken, ist sowieso nicht Volls Ding. Mit Freundin Maya, mit der er in Hamburg zusammenlebt, testet er Cafés Eimsbüttel, geht auf Flohmärkte auf St. Pauli und trifft sich mit Freunden aus Köln. Bundesliga läuft bei ihm hingegen nur selten. „Ich gucke privat nicht viel Fußball, sondern finde es wichtig, auch mal Abstand davon zu gewinnen“, sagt Voll. Noch mehr Abstand will er jetzt aber erst mal von den ganzen Suppen gewinnen.