Scheffau am Wilden Kaiser. Der Neuzugang von Viktoria Köln wird sich bei den Kiezkickern zukünftig durchsetzen, glaubt sein Ex-Coach Olaf Janßen.

Der gefragteste Kandidat bei der Können-wir-bitte-schnell-ein-Foto-machen-Fraktion ist Ben Voll noch nicht. Da haben es die einheimischen Kinder und vielen deutschen Gäste des Hotel Kaiser in Scheffau doch eher auf bekannte Gesichter wie Kapitän Jackson Irvine abgesehen. Und so kann sich das noch eher unbekannte Torhütergesicht des FC St. Pauli in Österreich vor allem auf das Training fokussieren, während seine Mitspieler auf dem Weg durch den Hotelgarten hin und wieder anhalten müssen.

Auf dem Platz ist Voll derzeit der einzige Profi-Keeper, der mit den Nachwuchsspielern Kevin Jendrzej und Ronny Seibt sowie dem neuen Torwarttrainer Sven Van der Jeugt üben kann. Stammkraft Nikola Vasilj (Knie) und Ersatzmann Sascha Burchert (muskuläre Probleme) fehlen noch im Teamtraining, auch beim Testspiel am Freitag (18 Uhr) gegen Greuther Fürth dürfte Voll von Beginn an zwischen den Pfosten stehen. Es ist seine große Chance, bei Van der Jeugt und Chefcoach Alexander Blessin früh Eindruck zu hinterlassen.

FC St. Pauli: Torwart Ben Voll weiß um seine Rolle

Bei Drittligist Viktoria Köln, seinem Heimatverein, war Voll zuletzt zwei Jahre lang Stammtorwart. Obwohl er sich beim FC St. Pauli zukünftig erst einmal hinter Vasilj als Nummer zwei einordnen dürfte, wagte der 23-Jährige den Schritt zum Bundesliga-Aufsteiger. „Das Risiko bei einem Wechsel muss man immer persönlich abwägen. Natürlich hat er bei St. Pauli jetzt größere Konkurrenz. Ich traue es Ben aber zu, sich in Hamburg durchzusetzen. Er wird über kurz oder lang zu seiner Spielzeit kommen, da bin ich mir sicher“, sagt Olaf Janßen, als das Abendblatt den Viktoria-Trainer am Telefon erreicht.

Auch wenn sich der 57-Jährige gewünscht hätte, in Köln mit Voll weiter zusammenzuarbeiten, habe ihn dessen Wechsel nicht überrascht. „Ich war nur überrascht, dass er nicht schon früher zu einem größeren Club gegangen ist“, sagt Janßen, der von 2016 bis 2017 selbst am Millerntor gecoacht hatte, und lacht. „Ich freue mich natürlich, dass er mit St. Pauli einen super Club gefunden hat. Ich selbst habe mich dort pudelwohl gefühlt und immer noch gute Kontakte zum Verein.“

Voll selbst sagte am Donnerstag, dass auch die Liga eine Rolle bei seiner Entscheidung gespielt habe. „Die Chance, sich als Profisportler in der Bundesliga beweisen zu können, war ausschlaggebend für mich, diese Herausforderung anzunehmen.“

Voll bekam einst ein Lob von Manuel Neuer

Während Voll bei den Autogrammjägern bisher noch nicht so gefragt ist, machte er sich zumindest innerhalb des deutschen Torwartmarktes einen Namen. Sogar Nationaltorwart Manuel Neuer hatte für ihn in der Saison 2022/23 bereits ein Sonderlob parat, als die Kölner im DFB-Pokal auf dessen FC Bayern trafen. Der Drittligist war beim 0:5 zwar chancenlos, Voll zeigte aber etliche Glanzparaden. „Er hat mit zur Leistung gratuliert, das hört man schon ganz gerne“, sagte Voll damals nach dem Neuer-Lob.

Dass er aber noch Monate später von Menschen auf dieses Spiel angesprochen wurde, sei irgendwann beinahe lästig gewesen. „Irgendwann hat mich das fast genervt, immer wieder darauf angesprochen zu werden“, sagte er. „Drei Tage später haben wir in Zwickau gespielt, da war man dann schon relativ schnell wieder geerdet.“

Nach Abendblatt-Informationen war der FC St. Pauli zuletzt nicht der einzige höherklassige Verein, der den Drittligakeeper verpflichten wollte. So waren auch mehrere große Zweitligisten, darunter wohl unter anderem Fortuna Düsseldorf und Schalke 04, an Voll interessiert. Am Ende erhielt der FC St. Pauli für eine Ablösesumme im niedrigen sechsstelligen Bereich den Zuschlag.

Knoop und Hürzeler überzeugten ihn, sind aber nicht mehr da

Entscheidend waren dafür unter anderem die Gespräche mit Ex-Coach Fabian Hürzeler und Torwarttrainer Marco Knoop, die bekanntermaßen künftig bei Brighton & Hove Albion in der Premier League aktiv sein werden. Doch auch trotz der beiden Abgänge sieht man bei St. Pauli die Perspektive, dass sich Voll in den kommenden Jahren zum Stammkeeper entwickeln kann, sein Vertrag ist langfristig angelegt.

Abgesehen von dieser Zukunftsaussicht überzeugte den 1,95-Meter-Mann auch die Spielweise der Kiezkicker, den Torwart ins Aufbauspiel mit einzubinden. „Auch bei uns in Köln wird der Torwart aktiv mit eingebunden, wodurch Ben auch im Spiel mit dem Ball einen großen Schritt nach vorne gemacht hat. In dem Bereich hat er aber trotzdem auch Potenzial, noch besser zu werden“, sagt Janßen.

Olaf Janßen traut Ben Voll die Aufgabe zu

Obwohl St.-Pauli-Coach Blessin bereits ankündigte, dass man die Spielweise in der Ersten Liga etwas anpassen werde, sieht Janßen weiterhin gute Chancen für seinen früheren Schützling. „Ich glaube nicht, dass der FC St. Pauli seine DNA in der Bundesliga komplett verändern wird. Abgesehen davon muss ein langer Ball auch nicht automatisch schlecht sein. Ben ist durchaus in der Lage, auch mit einem langen Ball Spieler, die zwischen gegnerischen Linien postiert sind, präzise zu finden“, sagt er.

Voll selbst äußerte sich bei der Frage nach dem Konkurrenzkampf im Tor zurückhaltend. „Ich will mich höchstmöglich beweisen und schauen, wo die eigenen Grenzen liegen“, sagte er. „Es sind noch vier Wochen bis zum Saisonstart, da bin ich ganz entspannt.“

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Gewöhnen musste sich Janßen in Köln derweil erst an Volls ruhige und besonnene Art. „Er ist niemand, der auf dem Platz aufgeregt zappelt und herumbrüllt. Ich muss zugeben, dass ich erst mit der Zeit verstanden habe, wie sehr sich seine Ruhe und Souveränität auch positiv auf seine Vorderleute auswirken“, sagt der Viktoria-Trainer. „Ben ist ein intelligenter Spieler, der trotz seines immer noch jungen Alters auch seine Meinung kundtut. Das zeigt allein die Tatsache, dass er bei uns zuletzt Teil des Mannschaftsrats war.“

Beim FC St. Pauli dürften Spielergremium und Bundesliga-Startelf vorerst noch ohne Voll auskommen. Zukünftig könnte sich das aber ändern – genauso wie die Anfragen-Frequenz als Fotomotiv.