Hamburg. Drei Tore, drei Punkte und ein Kübel voller Lob. Wie die Hamburger ihren Erfolg gegen Holstein Kiel einordnen.

Die Lösung war dann doch eine ganz einfache. „Wir haben Tore geschossen, das hilft“, sagte Jackson Irvine. Die Aussage des Kapitäns war einer der seltenen Sätze, deren Wahrheitsgehalt bei 100 Prozent liegt. Fünf Heimspiele in der Bundesliga war der FC St. Pauli ohne eigenen Treffer geblieben, beim 3:1 gegen Holstein Kiel entlud sich alle Spannung endlich in Form des langersehnten ersten Erfolgs am Millerntor in dieser Saison.

Und irgendwie wirkte es am Freitagabend, als sei das mehr als nur ein Sieg gewesen. Es war ein Befreiungsschlag, wie er im Lehrbuch steht. Nicht nur den zweiten Aufsteiger und zugleich einen Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt überzeugend bezwungen, sondern den Beweis erhalten, auf dem richtigen Weg zu sein. Sechs-Punkte-Spiel, Ketchupflascheneffekt – frei nach dem Motto des Kiezclubs „Lieb doch, wen du willst“, könnte man sagen „Nenn es doch, wie du willst.“

FC St. Pauli feiert Befreiungsschlag gegen Holstein Kiel

Insbesondere für die Stürmer der Hamburger dürfte der Abend aber unter dem Titel „Erlösung“ gestanden haben. Sowohl Morgan Guilavogui als auch Johannes Eggestein knipsten erstmalig in der Ersten Liga. Auch Oladapo Afolayan wurde mit Lob überschüttet.

Viel hatten sich die bis dato glücklosen Angreifer anhören müssen. Und nun „könnt ihr endlich mal die Klappe halten“, sagte Hauke Wahl scherzhaft zu den Medienvertretern in der Mixed Zone. „Das Spiel heute hat gezeigt, dass man belohnt wird, wenn man dran bleibt und seinen Job verrichtet“, betonte der Innenverteidiger, der insgesamt sieben Jahre für Kiel gespielt hatte.

Johannes Eggestein belohnt sich mit erstem Saisontor

Vor allem Eggestein ist jemand, der immer dran bleibt. Gegner können ein Liedchen davon singen, denn der 26-Jährige ist einer der fleißigsten Bundesligaspieler im Gegenpressing, so sympathisch er abseits des Platzes ist, darauf kann er gewaltig nerven. Nur nicht seine Kollegen, denen er neben dem eigenen Tor noch zwei Vorlagen und 90 Prozent Passquote schenkte. Eggestein war der überragende Mann.

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Der Moment der Befreiung: Johannes Eggestein feiert seinen Treffer zum zwischenzeitlichen 3:0. © Witters | Tim Groothuis

„Es war der Lohn für die Mannschaft“, sagte er gewohnt bescheiden. Man musste den Stürmer schon konkret auf seine individuelle Leistung ansprechen, um dezidierte Aussagen dazu zu erhalten. Und selbst dann gab er das Kompliment direkt weiter. „Ich habe das zigmal mit Co-Trainer Peter Nemeth geübt, aus dieser Drehbewegung mit einem Kontakt oder zwei Kontakten abzuschließen“, sagte er zu seinem Tor zum zwischenzeitlichen 3:0.

Alexander Blessin: „Es freut mich unglaublich“

Dann müssen eben andere über ihn sprechen. „Jojo reißt so viel ab, ist so wichtig für unser Spiel und macht die kleinen Sachen, die man als Laie nicht sieht. Aber auch die anderen beiden haben das vorne super gemacht“, sagte Wahl.

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St. Paulis Trainer Alexander Blessin (51) geriet zeitweise ins Staunen. © Witters | Tim Groothuis

Selbst Cheftrainer Alexander Blessin, der sonst nie einzelne Akteure heraushebt, „muss einfach was sagen. Nämlich, dass es mich unglaublich für die Stürmer freut, nach so einer langen Leidenszeit, während der beide so viel Gas gegeben haben, belohnt worden zu sein.“

Sonderlob für zuvor kritisierten Oladapo Afolayan

Auch Oladapo Afolayan, der nach gut 20 Minuten mit Guilavogui die Seiten tauschte und fortan über links kam, wurde bedacht. „Ich habe Dapo viel kritisiert. Aber heute hat er nicht nur ein Tor vorbereitet, sondern war griffig und hat Nadelstiche gesetzt. Das ist das Level, dass ich von nun an bei ihm anlege“, sagte Blessin.

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Auch Morgan Guilavogui (26) war erstmals in dieser Bundesliga-Saison erfolgreich. © Witters | Tim Groothuis

Die Qualitäten des Engländers mit dem Ball sind wohlbekannt. Defensiv vernachlässigte er seinen Job hin und wieder, war dazu mitunter etwas zu leichtfertig im Angriff. Gegen Kiel war wenig davon zu sehen. „Es ist mein Spiel, Dinge auf dem Platz zu kreieren. Der Coach möchte, dass ich mutig bin“, sagte er lapidar.

St. Pauli steigert sich nach schwachem Auftritt in Mönchengladbach

Eine immense Erleichterung war der Erfolg aber bei Weitem nicht nur für das Offensivtrio. Nach dem enttäuschenden Auftritt in Mönchengladbach (0:2) am vergangenen Sonntag zeigte St. Pauli einen deutlichen Aufwärtstrend. „Wir waren zu Beginn der Trainingswoche angespannt, weil wir wussten, dass wir uns steigern müssen“, sagte Eggestein. Im für die Spielweise des Aufsteigers so wichtigen Gegenpressing agierte Blessins Mannschaft diesmal viel kompakter, eroberte dadurch Bälle schnell zurück.

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Ergo „fiel eine große Bürde von uns ab, die uns einen großen Schub Selbstvertrauen gibt“, meinte Irvine. Abheben wird bei den Braun-Weißen nach einem kleinen Befreiungsschlag jedoch niemand. Auch dafür hat der Kapitän eine ganz einfache Lösung parat: „Das Hochgefühl ist großartig, aber wir dürfen es nur als einen weiteren Schritt für uns betrachten.“