Hamburg. Die Aufstiegseuphorie ist beim Kiezclub und der KSV Holstein den Zweifeln am Klassenerhalt gewichen. Wie Fin Bartels das Duell sieht.
Neunmal spielte Fin Bartels in seiner Profikarriere mit Holstein Kiel gegen den FC St. Pauli, für den er selbst 122 Pflichtspiele bestritt. Wenn an diesem Freitagabend (20.30 Uhr, Sky) diese beiden norddeutschen Bundesliga-Aufsteiger im Millerntor-Stadion aufeinandertreffen, wird Bartels das Duell seiner Herzensclubs bestenfalls aus dem Augenwinkel sehen können. Der mittlerweile 37 Jahre alte Offensivspieler, der noch in der Kreisliga für seinen Heimatclub SpVg. Eidertal Molfsee II kickt, wird als Betreiber seines Gin-Standes auf dem Kieler Weihnachtsmarkt schwer beschäftigt sein.
„Wir haben am Freitag einen Mannschaftsabend, die Jungs werden bei mir am Stand sein, und ich werde ein bisschen arbeiten. Ich hoffe, dass ich das Spiel zumindest ein bisschen auf dem iPad mitverfolgen kann“, sagt Bartels. Schon auf der Kieler Woche im Juni hatte er den „Gin Bartels“ mit Erfolg angeboten, jetzt werden es gleich vier Wochen.
St. Pauli steht unter Druck, das erste Heimtor zu erzielen
So stimmungsvoll der Kieler Weihnachtsmarkt auch sein mag, so sehr bedauert Fin Bartels dann doch ein wenig, dass er an diesem Abend das für beide Teams immens wichtige Nordduell nicht live verfolgen kann. „Abendspiele am Millerntor habe ich in meiner Zeit bei St. Pauli immer am meisten geliebt. Mit dem Flutlicht und den Lichtern vom Dom im Hintergrund war das immer ein ganz besonderes Kribbeln“, gerät er ins Schwärmen.
Dennoch verhehlt er nicht, dass er in diesem Spiel ein klein wenig mehr Holstein Kiel die Daumen drückt. „Kiel ist meine Heimat, hier habe ich meine ersten und letzten Schritte als Fußballer gemacht“, sagt er. Dazwischen lagen nach seiner Zeit beim FC St. Pauli (2010 bis 2014) auch noch sechs Jahre und 131 Pflichtspiele für Werder Bremen, davon 120 in der Fußball-Bundesliga.
Fin Bartels spielte für Kiel, St. Pauli und Werder Bremen
Bartels weiß also genau, wie es im Oberhaus des deutschen Fußballs zugeht und warum es beiden Clubs so schwerfällt, sich von der Abstiegszone abzusetzen. Gerade der vergangene Sonntag brachte für Kiel und St. Pauli ein eher unerwartetes Frusterlebnis. „Holstein hat mit dem 0:3 gegen Mainz gerade den ersten richtigen Stimmungsdämpfer erlebt“, stellt er fest. Nicht allein das Ergebnis, sondern die Chancenlosigkeit gegen einen vermeintlich eher kleinen Gegner sorgten für Ernüchterung.
Beim FC St. Pauli war das 0:2 in Mönchengladbach gerade nach der zuvor ordentlichen Leistung gegen Bayern München (0:1) ein unerwarteter Rückschlag. „Dabei hatten die Gladbacher noch nicht einmal eine Sahnetag erwischt“, stellte Trainer Alexander Blessin treffend fest.
Als ein erstes Endspiel um den Klassenerhalt will Blessin das Aufsteigerduell noch nicht einstufen. Doch gerade weil sein Team nun erstmals in dieser Saison auf einen Gegner trifft, der nicht mindestens ein Jahr länger in der Bundesliga spielt, ist ein Heimsieg fast schon Pflicht. Doch auch für Kiel gilt: Gegen wen soll man eigentlich gewinnen, wenn es gegen den Mitaufsteiger schon nicht klappt?
St. Pauli Trainer Blessin glaubt nicht an neues Torfestival
„Ein Unentschieden hilft keiner Mannschaft weiter. Deshalb ist auf beiden Seiten Druck da. Da wird es auch die Frage sein, wer damit besser umgeht“, sagt Bartels. Dabei hat St. Pauli zusätzlich den Druck, den Torfluch im Millerntor-Stadion im sechsten Heimspiel der Saison endlich zu besiegen.
Die Voraussetzungen dafür sind theoretisch gut. In den jüngsten drei Spielen gegen Kiel erzielten die Braun-Weißen satte 13 Treffer (4:3, 5:1, 4:3). Zudem hat die KSV Holstein mit 28 Gegentoren die zweitschwächste Abwehr der Liga. Die Gelegenheit, seine magere Torbilanz von sieben Treffern aufzubessern, könnte also kaum besser sein.
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Kommt es also erneut zu einem Torfestival? „Das wage ich zu bezweifeln“, dämpft Blessin die Erwartungen. „Wir sind nicht bei ,Wünsch dir was‘.“ Dennoch gibt er zu, dass es „brutal nervt“, noch kein Tor im Millerntor-Stadion erzielt zu haben. „Das tut schon weh. Aber das Spiel wird kommen, und nicht erst am 34. Spieltag.“
Dann kommt übrigens der aktuelle Tabellenletzte VfL Bochum ins Millerntor-Stadion. Es könnte das letzte Endspiel um den Klassenerhalt werden. „Ich hoffe, dass beide Mannschaften am letzten Spieltag noch die Möglichkeit haben, die Klasse zu halten. Es wird am Ende aber enorm schwer, dass zwei andere Mannschaften hinter Kiel und St. Pauli stehen“, gibt sich Bartels realistisch zurückhaltend.
St. Pauli schoss zuletzt 13 Tore in drei Spielen gegen Kiel
Für das Nordduell am Freitag sinnen die Kieler unterdessen auf Wiedergutmachung für die 0:3-Pleite gegen Mainz. „Wir wollen gegen St. Pauli zeigen, dass wir es besser können. Wir wollen ein anderes Gesicht und eine andere Leistung zeigen“, sagte jetzt Mittelfeldspieler Lewis Holtby (34). „Auf der anderen Seite ist die Saison am Freitag aber auch nicht zu Ende.“
Vom Ergebnis wird auch abhängen, ob Fin Bartels seinen Mitspielern und den anderen Kieler Weihnachtsmarkt-Besuchern gegen 22.30 Uhr eher einen Siegertrunk ausschenken kann, oder der Frust ertränkt werden muss.
FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Nemeth – Saliakas, Irvine, Boukhalfa, Treu – Afolayan, Eggestein, Guilavogui.
Holstein Kiel: Weiner – Ivezic, Erras, Geschwill – Holtby – T. Becker, Knudsen, Remberg, Puchacz – Skrzybski – Harres.
Schiedsrichter: Zwayer (Berlin).