Hamburg. Ein Band-Shirt bringt St. Pauli in die Kritik. Präsident Göttlich zeigt Verständnis, doch die Debatte kocht. Auch HSV-Profi betroffen.

Wie schnell ein Merchandising-Produkt für Streit und Irritationen sorgen kann, erfährt derzeit der FC St. Pauli. Der Auslöser war ein T-Shirt, das der Fanshop der Kiezkicker in Kooperation mit der Punkband Bad Religion vertreibt. Das Mode-Accessoire zeigt dem neben Totenkopflogo und dem Slogan „Victory through domination“ (Sieg durch Herrschaft) auch das bekannte Band-Logo – ein durchgestrichenes christliches Kreuz.

Das genügte, um in kürzester Zeit für einen digitalen Kreuzzug gegen den Bundesligisten zu sorgen. Neben dem üblichen Doppelmoral-Vorwurf wurde der Kiezclub vor allem der Christendiskriminierung bezichtigt. Unter den Kritikern befand sich unter anderem der im Sommer in die Premier League gewechselte U17-Weltmeister Eric da Silva Moreira, in U23-Torwart Ronny Seibt aber auch ein aktueller Spieler. Auch das Netzwerk „Fußball mit Vision“, dem gläubige Kicker, wie auch HSV-Stürmer Robert Glatzel angehören.

FC St. Pauli in der Kritik nach Kooperation mit Bad Religion

Um die Sachlage zu verstehen, ist zunächst eine Einordnung von Bad Religion notwendig. Die 1980 in Los Angeles gegründete Punkband wählte ihren Namen laut Sänger Greg Graffin (60) bewusst, um zu provozieren. Er richte sich gegen alle Religionen und Autoritäten, zugleich ein Kern der Punk-Bewegung.

Bad Religion
Stein des Anstoßes: das Bad-Religion-St.-Pauli-Shirt. © Screenshot

Das durchgestrichene christliche Symbol sei verwendet worden, weil das Christentum die in den USA dominierende Religion ist. „Wir sehen den Crossbuster als eine Art Parkverbotsschild. In dem Sinne, dass das Hissen dieses Logos bedeutet: Hier gibt es kein Christentum“, begründete Graffin das einst.

T-Shirt im Fanshop verletzt Christen

Mit dem FC St. Pauli verbindet Bad Religion wiederum eine langjährige Freundschaft, was keine Rarität für Punk-Gruppen ist. Beispielsweise auch Green Day, Kitschkrieg und die Hip-Hop-Gruppe Deichkind haben enge Verbindungen zu den Braun-Weißen. „Der Verein wäre nicht der Verein, der er heute ist, wären damals nicht Punks aus den besetzten Häusern aus der Hafenstraße ans Millerntor gekommen und hätten eine Do-it-yourself-Mentalität am Millerntor eingebracht“, schrieb der FC St. Pauli in einem Statement zu der Thematik.

So weit, so unspektakulär im Umfeld des Vereins. Dass nun aber eine kommerzielle Kooperation eingegangen wurde, um „den rebellischen Spirit von Bad Religion und des FC St. Pauli zu vereinen“, verletzte einige Christen, darunter auch Profifußballer. Seibt, der das Sommertrainingslager mit den Profis bestritt und derzeit wegen einer gebrochenen Hand ausfällt, fragte auf Instagram, ob es beim FC St. Pauli „noch Platz für das Christentum“ gebe.

Eric da Silva Moreira: „Finde es mehr als fragwürdig“

Das längste und emotionalste Statement veröffentlichte da Silva Moreira, der die komplette Nachwuchsabteilung St. Paulis durchlief, vergangene Saison in der Zweiten Liga sein Profidebüt gab. „Ich finde es mehr als fragwürdig, dass ein Symbol, das für so viel mehr als für ,religiösen Nationalismus oder blinden Gehorsam‘ steht, dafür missbraucht wird. Das Logo der Band ist nicht nur kontrovers und spricht nicht nur gegen meinen persönlichen Glauben, sondern auch gegen die Werte, die der Verein meiner Meinung nach versucht zu vermitteln“, schreibt der 18-Jährige.

Hungary U19 v Germany U19 - UEFA Under19 EURO Qualifier
Eric da Silva Moreira (18) ist bekennender Christ. © Getty Images | Eric Alonso

Er sei sich sicher, dass es nicht die Intention gewesen sei, jemanden zu beleidigen oder auszugrenzen. Sein Appell sei es, in Zukunft vorsichtiger und sensibler zu sein. Er werde sich aber genauer über die Band, Motive und die Thematik generell informieren, wünsche sich das im Gegenzug aber auch in Bezug auf das Christentum, schloss der Rechtsaußen von Nottingham Forest seinen insgesamt differenzierten und zu einen versuchenden Post.

St. Paulis Präsident Oke Göttlich verteidigt das Shirt: „Glaub doch, an wen du willst!“

St. Paulis Außenstürmer Oladapo Afolayan antwortete mit drei Herzen, Präsident Oke Göttlich schrieb: „Eine Welt in bedingungsloser Liebe und absoluter Humanität wäre eine wunderbare Vorstellung. Ich danke dir für dein Statement, und wir sollten uns alle bemühen, unsere individuellen Identitäten nicht zu nutzen, um andere auszugrenzen oder unmenschlich zu agieren.“

Am Mittwochmittag nahm Göttlich dann auch ganz offiziell Stellung. „Kritik an oder Ablehnung von Religion ist in einem demokratischen Staat absolut zulässig, egal welche Religion es ist – ob Christentum, Judentum, Islam oder andere. Diese kritische Haltung gegenüber Religionen bedeutet aber nicht, dass man gegen Religionsfreiheit ist. Jeder Mensch hat das Recht auf Religionsfreiheit, und dies respektieren wir natürlich – frei nach dem Motto: Glaub doch, an wen du willst!“, ließ er via Vereinsstatement ausrichten.

Bad-Religion-Shirt schnell ausverkauft

Das umstrittene Shirt übrigens war schnell ausverkauft. Lediglich im US-Shop sind noch Teile erhältlich. Das zeigt abermals, wie stark das Thema polarisiert. Käufen und Einordnungsversuchen auf der einen standen Kritik, Verletztheit und auch derbe Beschimpfungen auf der anderen Seite gegenüber.

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Religionskritik müsse respektiert werden, so Göttlich. „Der FC St. Pauli dankt für sachliche Diskussionen über das Thema Religion und Glauben, die wir auch intern führen“, sagt der 48-Jährige, der viele Jahre als Musikmanager arbeitete. Wichtig sei dabei ein respektvoller Austausch. Den habe der Club nicht überall erlebt. So bleibt als Fazit festzuhalten: Am Ende steht immer die Empörung.