Hamburg. Ex-Trainer von St. Pauli und Gladbach über Karriereknicks, Taktikgeheimnisse und was ihn heute vom Trainerjob abhält.
André Schubert sagte erst kürzlich in einem Gespräch mit der „HNA“, er habe über viele Jahre im Profifußball „nicht verstanden, abzuschalten. Das hat mich viel Kraft gekostet.“ Inzwischen will der 53-Jährige den Ausschalter an sich selbst aber gefunden haben. Der erste Test offenbart jedoch eine Fehlfunktion.
Im Abendblatt-Podcast „Millerntalk“ weitgehend allgemein auf seinen Ex-Club Borussia Mönchengladbach, bei dem sein Ex-Club FC St. Pauli am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) gastiert, angesprochen, steigt Schubert direkt ein in eine Tiefendiskussion. Über Dreier- und Fünferkette; über Spieler, die Vorgaben von der Taktiktafel direkt auf den Platz bringen; und wie er das am 5. Dezember 2015 taktisch angestellt hat, als seine Borussia den FC Bayern München mit 3:1 besiegte. Schubert kann nicht ohne den Fußball, und er will auch nicht. „Es macht mir einfach zu viel Spaß“, sagt er. Und das ist auch gut so, denn über seine Kernkompetenz lässt sich mit dem studierten Deutsch- und Sportlehrer ausgiebig und unterhaltsam plaudern.
Millerntalk: André Schubert über seine Ex-Clubs St. Pauli und Mönchengladbach
Der berufliche Schalter Schuberts wechselte zuletzt häufiger die Stellung. Ende Oktober übernahm er in seiner Geburtsstadt interimistisch den kriselnden Regionalligisten KSV Hessen Kassel. Sportdirektor Sören Gonther, ebenfalls ein Ex-St.-Paulianer, hatte darum gebeten, um Zeit für die Trainersuche zu gewinnen. „Die 14 Tage haben wahnsinnig viel Spaß gemacht, weil ich es liebe, mit Spielern zu arbeiten und Dinge zu entwickeln“, sagt Schubert, der im Kasseler Vorort Baunatal lebt. Langfristig wollte er nicht bleiben, „weil ich nicht sicher bin, ob es eine gute Idee ist, in der eigenen Heimat als Trainer zu arbeiten“. Also, Schalter wieder aus.
Bedeutet bei Schubert, dass er mindestens im Stand-by-Modus läuft und reichlich Fußball konsumiert. Für „Matchplan – die Taktik-Challenge“ analysiert er bei Sky regelmäßig die Bundesliga und Tendenzen im Spielverhalten. „Auffällig ist, dass bei hohem Pressing inzwischen fast alle Teams mannbezogen verteidigen, um alles zuzustellen, weil die Mannschaften so gut sind, dass sie unter Druck verlässlich aufbauen können“, sagt Schubert gewohnt detailverliebt.
Treffen mit Alexander Blessin bei der Trainertagung
Ein Fokus auf diesem Thema lag auch bei der Trainertagung in Stuttgart vergangene Woche, nach der er St. Paulis Trainer Alexander Blessin auf dem Weg zum Parkplatz begleitete und sich kurz über den Kiezclub austauschte. „Das ist ein Verein wie kein Zweiter in Deutschland, auch mit dem Politischen“, sagt Schubert, der 2011/12 am Millerntor arbeitete.
Seine Zeit dort hat er in sehr guter Erinnerung, teils auch in kurioser. „Wir haben damals in Containern gearbeitet, und ich habe mich immer gefragt, wie unter diesen Bedingungen überhaupt Bundesliga-Fußball möglich ist?“ Er habe seinerzeit viel, vielleicht zu viel, Energie dafür aufgebracht, bessere Strukturen zu fordern, womöglich den einen oder anderen genervt.
„Wir haben in Mönchengladbach über unsere Verhältnisse gespielt“
Heute ist Schubert, der noch Kontakte in die Fanszene pflegt, tiefenentspannt. „Zeiten ändern sich, Entwicklungen setzen ein“, sagt er und lächelt. Die Aussage trifft auf St. Pauli wie auf ihn zu. Der Fußballlehrer ging 2015 nach Mönchengladbach, erlebte dort eine unverhoffte wie überraschende Beförderung zum Chefcoach, führte das Team sogar in die Champions League.
Wie viel Schubert die Borussia noch immer bedeutet, ist im Gespräch spürbar. Er leidet mit den Rheinländern, für die es in den vergangenen Jahren sukzessive in die untere Tabellenhälfte ging. „Sie sind auf der Suche nach Stabilität. Allerdings ist die Erwartungshaltung von außen vermutlich zu hoch. Wir haben damals häufig über unsere Verhältnisse gespielt“, sagt Schubert, der bis zum Dezember 2016 die Geschicke Gladbachs führte.
Wie es für André Schubert weitergeht
Anschließend bekam auch seine Karriere zumindest aus externer Sicht einen leichten Knick. Zunächst rettete Schubert Eintracht Braunschweig vor dem Abstieg aus der Dritten Liga. „Sonst wäre die spätere Entwicklung des Clubs nicht möglich gewesen“, sagt er stolz. Dann folgten kürzere Engagements bei Holstein Kiel und dem FC Ingolstadt, wo die Umstände das Arbeiten allerdings erschwerten.
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Schubert nimmt es hingegen leicht. Der Hesse wartet auf passende Angebote, kann sich auch Engagements als Co-Trainer, im Scouting sowie dem Nachwuchsleistungsbereich vorstellen. „Bis dahin nutze ich die Zeit für das oft vernachlässigte Private, kümmere mich um meine Gesundheit und meinen Körper.“ Das bedeute für ihn, mal richtig abzuschalten.