Hamburg. Die verletzten Routiniers werden noch monatelang fehlen, eine Rückkehr-Prognose ist für sie ebenso schwierig wie die Vertragslage.
Am Dienstagvormittag begrüßte Alexander Blessin mal wieder ein paar junge Gesichter auf dem Trainingsplatz an der Kollaustraße. Wie bereits in der vergangenen Länderspielpause durften die Nachwuchstalente Phil Kolvenbach (20/Torwart), Julien Yanda (17/Abwehr), Farid Maboa Dibamba (18/Abwehr) und Max Herrmann (18/Mittelfeld) bei den Profis des FC St. Pauli mitwirken. Sie werden auch am Donnerstag (12 Uhr) im Testspiel bei Zweitligist Eintracht Braunschweig die Gelegenheit bekommen, sich Blessin zu zeigen.
Wann sich Stürmer Simon Zoller (33/Rücken) und Torwart Sascha Burchert (35/Schambein) mal wieder auf dem Trainingsplatz zeigen können, ist derweil völlig unklar. Nach Abendblatt-Informationen soll angesichts ihrer komplizierten Verletzungen mittlerweile sogar die Überzeugung gewachsen sein, dass die beiden Routiniers in dieser Saison gar nicht mehr in der Lage sein werden, sportlich zu helfen.
FC St. Pauli: Zoller droht wohl das Karriereende im kommenden Sommer
Insbesondere für Zoller, der in seiner Karriere unter anderem auf 114 Bundesligaspiele für den 1. FC Köln und den VfL Bochum zurückblicken kann, dürfte es das Karriereende bedeuten. Ursprünglich hatte der 33-Jährige gehofft, in seinem letzten Vertragsjahr noch mal sportlich wertvoll – und sei es nur für ein paar Jokereinsätze – zu werden und sich so für einen weiteren Einjahresvertrag zu empfehlen.
Auch bei den Kiezkickern war und ist man von der sportlichen Qualität des Angreifers grundsätzlich überzeugt. Als die Hamburger Zoller im Sommer 2023 kurz vor dem Ende des Transferfensters vom VfL Bochum verpflichteten, war keine Verletzung abzusehen. Ein Kreuzbandriss aus dem Jahr 2021 war vollständig verheilt, beim Medizincheck war nur eine leichte muskuläre Verletzung festzustellen, die allerdings kein Hinderungsgrund für die Unterschrift war.
Zoller erlebte diverse Rückschläge bei Aufbelastungen
Erst im Herbst 2023 traten plötzlich die schweren Rückenprobleme auf, die in der Folge offenbar auch immer wieder auf andere Bereiche des Körpers ausstrahlten. Zoller konsultierte seitdem diverse Ärzte, konnte während der gesamten Aufstiegssaison nur 38 Zweitligaminuten absolvieren. Im Juli gab es dann kurzzeitig wieder Hoffnung, als er sich bei den Berliner Osteopathen Dr. Gerhard Eller und Dr. Ivan Kellermann in Behandlung gab und im folgenden Sommertrainingslager in Österreich wieder kurz vor einem Testspieleinsatz stand.
Es folgte jedoch der nächste Rückschlag, Ende Juli erst eine Oberschenkel-, Mitte Oktober dann eine Wadenverletzung, zwischendurch noch eine Erkältung. Zoller pendelt jetzt schon seit Monaten zwischen Endo-Klinik und Trainingszentrum, kommt aber nicht entscheidend voran.
Sportchef Bornemann: Situation ist „sehr belastend“
„Er arbeitet sehr professionell, ernährt sich gut und tut alles, was er kann. Leider hat er in den vergangenen Monaten immer wieder Rückschläge hinnehmen müssen, als es Belastungssteigerungen gab“, sagt St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann im Abendblatt-Gespräch. „Die Situation ist für alle Seiten – aber in erster Linie für Simon – natürlich sehr belastend. Der bisherige Verlauf seiner Ausfallzeit gibt es nicht her, seriös über einen Zeitpunkt einer möglichen Rückkehr zu sprechen.“
Ähnlich unklar ist die Prognose bei Ersatztorwart Burchert, der ebenfalls im Trainingslager noch hin und wieder bei individuellen Einheiten auf dem Platz zu sehen war, in der Folge aber mit Schambeinproblemen ausfiel. Weil der zunächst gewählte konservative Behandlungspfad keine Besserung brachte, ließ sich der 35-Jährige am 10. Oktober zum ersten Mal am Schambein operieren. Ein zweiter Eingriff steht noch aus.
Burchert wäre bei einer Rückkehr wohl nur Torwart Nummer vier
„Bei Sascha müssen wir abwarten, ob auch die zweite Operation gut verlaufen wird. Danach wird sich eine Reha über einige Wochen anschließen, ehe wieder an ein Training auf dem Platz zu denken ist“, sagt Bornemann. Wenn überhaupt, dürfte Burchert erst im Frühjahr wieder eine Kaderoption sein. An den anderen Ersatzleuten Ben Voll (23), der nach seinem Kieferbruch mittlerweile wieder ins Teamtraining integriert wird, sowie dem nachverpflichteten Eric Oelschlägel (29) dürfte Burchert dann aber nicht mehr vorbeikommen.
„Wir haben uns auf der Torhüterposition schon zu dem Zeitpunkt mit Alternativen beschäftigt, als der Ausfall von Sören Ahlers klar war. Spätestens als sich dann auch noch Ben Voll bei der U 23 verletzte, mussten wir handeln, weil sich bei Saschas konservativer Behandlung keine richtigen Fortschritte gezeigt haben“, sagt Bornemann.
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Wenn es bei Zollers und Burcherts Leidensgeschichten etwas Positives gibt, dann ist es der Umstand, dass sie St. Pauli zumindest kein Geld kosten. Beide sind krankgeschrieben, Berufsgenossenschaft und Zusatzversicherungen übernehmen weite Teile des Gehalts. Weil nach Abendblatt-Informationen aber nicht nur Zollers, sondern auch Burcherts Vertrag am Saisonende ausläuft, deutet derzeit viel darauf hin, dass beide nie wieder für St. Pauli spielen werden.