Hamburg. Als Trainer des FC Bayern gastiert der frühere HSV-Profi beim FC St. Pauli. Ex-Mitspieler spricht über Kabinen-Zoff mit Huub Stevens.

Dietmar Beiersdorfer erinnert sich noch genau. Es war der 31. März 2004 im Kölner RheinEnergie-Stadion, ein Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Belgien. 46.500 Zuschauer sahen damals den 3:0-Sieg der DFB-Auswahl, die wenige Monate später bei der Europameisterschaft in der Vorrunde ausscheiden sollte. Dietmar Hamann, Michael Ballack und Kevin Kuranyi trafen an jenem Mittwochabend, Beiersdorfer interessierte sich aber nur für den 17 Jahre jungen Innenverteidiger aufseiten der Belgier.

„Es war das erste Mal, dass ich Vincent Kompany live spielen gesehen habe“, erinnert sich der damalige Sportvorstand des HSV. „Er war europaweit der absolute Shootingstar unter den Abwehrspielern und hätte fast überall hingehen können.“ Anstatt zu Clubs wie Real Madrid oder Juventus Turin ging Kompany im WM-Sommer 2006, mehr als zwei Jahre nach dem ersten Kontakt, aber zum HSV.

Bayern-Coach Kompany kehrt am Sonnabend nach Hamburg zurück

„Das war damals ein Transfer, den uns die Fußballbranche nicht zugetraut hat. Wir haben ihn und seinen Berater über zwei Jahre lang immer wieder in Brüssel besucht, sein Vertrauen gewonnen und ein persönliches Verhältnis aufgebaut“, erzählt Beiersdorfer, der sich das Toptalent eine Ablöse von rund acht Millionen Euro kosten ließ – zum damaligen Zeitpunkt hatte der HSV noch nie mehr Geld für einen Spieler bezahlt.

Am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky) kehrt der mittlerweile 38 Jahre alte Kompany nach Hamburg zurück. Zwischen dem Beiersdorfer-Transfercoup 2006 und dem anstehenden Heimspiel des FC St. Pauli gegen den von Kompany trainierten FC Bayern München liegen mehr als 18 Jahre, eine Weltkarriere bei Manchester City inklusive vier Premier-League-Titeln und ein rasanter Aufstieg im Trainergeschäft. Aber der Reihe nach.

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Vincent Kompany (l.) und Dietmar Beiersdorfer bei der Trainingslager-Abreise nach Dubai im Januar 2008. © Witters | Nadine Rupp

Zwischen Kompany und Trainer Stevens gab es mehrfach mal Streit

Als Kompany als frisch gebackener Belgischer Meister vom RSC Anderlecht zum HSV kam, musste sich der Überflieger erst einmal anpassen. „Wir hatten damals eine sehr erfahrene Mannschaft. Da ist es klar, dass man als junger Spieler auch mal aneckt. In der Kabine ist es zwischen ihm und Huub Stevens das eine oder andere Mal auch lauter geworden. Trotzdem hat er einen guten Charakter, war und ist einfach ein guter Typ“, erinnert sich Bastian Reinhardt, der damals mit Kompany die Innenverteidigung bildete. „Er war trotz seines jungen Alters immer sehr selbstbewusst und meinungsstark. Da hat er sich bei uns ab und zu auch die Hörner abgestoßen.“

Dass Kompany den Hamburgern sportlich weiterhelfen würde, war offensichtlich. Körperlich war der Neuzugang trotz seines jungen Alters bereits eine Macht, auch im Spiel mit dem Ball eine Bereicherung. „Er ist schon mit großen Vorschusslorbeeren gekommen. Man hat dann auch sofort sein überragendes Talent gesehen, nicht nur spielerisch, sondern auch was seine Mentalität betrifft“, sagt Reinhardt.

Kompany verfügte schon früh über eine große Meinungsstärke

Auch Beiersdorfer, der mittlerweile Sport-Geschäftsführer beim FC Ingolstadt ist, durfte sich im Nachhinein für den Transfer loben. „Vincent war schon sehr weit für sein Alter und hatte schon ausgeprägte Führungsqualitäten mit viel Charisma und Aura“, sagt der 60-Jährige. Obwohl sich Kompany in seiner ersten HSV-Saison bereits im Herbst verletzte, nur auf sechs Saisonspiele kam und erst in der folgenden Spielzeit über eine längere Phase überzeugen konnte, waren mehrere Topclubs an ihm dran. Im Sommer 2008 schlug schließlich Manchester City zu, wo Kompany im Anschluss fast seine gesamte Spielerkarriere verbrachte.

Ein Bild aus besseren HSV-Zeiten: Vincent Kompany, Paolo Guerrero und Bastian Reinhardt (v. l.).
Ein Bild aus besseren HSV-Zeiten: Vincent Kompany, Paolo Guerrero und Bastian Reinhardt (v. l.). © Imago Sport

„Wenn er noch ein bisschen länger bei uns geblieben wäre, hätte man wahrscheinlich sehen können, dass er zukünftig auch ein guter Trainer werden könnte. Überrascht hat mich sein Weg bei seiner Meinungsstärke nicht“, sagt Reinhardt. Kompanys Vater Pierre war Politiker, wurde 2018 bei der Kommunalwahl in der Brüsseler Gemeinde Ganshoren zum ersten schwarzen Bürgermeister Belgiens gewählt.

Bei Manchester City lernte er von Pep Guardiola

„Vincent ist ein Mensch, der sich artikuliert, wenn er das Gefühl hat, im Recht zu sein – egal, wer ihm gerade gegenübersteht. Das hat er vor allem von seinem Vater mitbekommen“, sagt Beiersdorfer. „Seine Stärke und seine Persönlichkeit hat er über die Jahre noch mehr ausspielen können.“ Bei City lernte Kompany vor allem von Trainer Pep Guardiola, ehe er zur Saison 2018/19 als Spielertrainer nach Anderlecht zurückkehrte. Über den FC Burnley landete Kompany in diesem Jahr schließlich beim FC Bayern.

„Wir sind zwar beide Trainer, bei mir ist es aber nicht diese internationale Karriere geworden. Darüber bin ich aber nicht unglücklich, es war immer mein Wunsch, im Nachwuchs als Trainer zu arbeiten“, sagt Reinhardt, der heute als Individual- und Toptalentetrainer beim HSV angestellt ist. „ Bei ihm ist es jetzt Bayern München – und ich traue ihm auf jeden Fall zu, dass er diese Aufgabe meistert.“

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„Meine Zeit in Hamburg war sehr wichtig und wunderschön“, sagt Kompany selbst. „Ich war jung, ich habe viel gelernt.“ Huub Stevens und Thomas Doll seien eine „harte Schule“ gewesen, für seine weitere Laufbahn aber „sehr wichtig“.

Während Beiersdorfer Kompany während dessen Zeit in Manchester mehrfach besuchte, traf Reinhardt seinen früheren Mitspieler zuletzt beim Abschiedsspiel von Rafael van der Vaart im Jahr 2019 in Hamburg wieder. „Ich gehe davon aus, dass wir uns in dieser Saison noch mal sehen. Ich habe ihn seit seinem Wechsel zu Bayern erst mal in Ruhe gelassen“, sagt Beiersdorfer.

Kompany spielt zum ersten Mal am Millerntor

Am Sonnabend muss sich Kompany zunächst einmal darauf konzentrieren, den FC St. Pauli zu schlagen. Während seiner Zeit beim HSV waren die Kiezkicker sportlich kein Konkurrent, es wird Kompanys erstes Mal am Millerntor. „Ich weiß, dass die Rivalität sehr groß ist“, sagt Kompany. „Ich habe noch viele Freunde in Hamburg, für die es wichtig ist, dass wir gegen St. Pauli ein Ergebnis holen. Für mich geht es aber nur um Bayern München.“

Also doch eine kleine Extra-Motivation? „Ich glaube, dass er lieber gegen den HSV spielen würde als gegen St. Pauli“, sagt Reinhardt und lacht. „Trotzdem wird er sich freuen, nach Hamburg zurückzukommen.“