Hamburg. Er war Torschütze, als der FC St. Pauli zum Weltpokalsiegerbesieger wurde. Was er heute dem Team rät, um den Rekordmeister zu ärgern.

Am Sonnabend werden sie wieder zu Tausenden zu sehen sein – die braunen T-Shirts mit dem für den FC St. Pauli wohl schönsten, jemals ersonnenen Wortungetüm: Weltpokalsiegerbesieger. Geschrieben im Halbkreis um das Vereinslogo und darunter die Jahreszahl 2002.

Ja, es ist verdammt lange her, dass dem FC St. Pauli genau am 6. Februar 2002 der Coup gelang, den amtierenden Deutschen Meister, Champions-League-Gewinner und eben auch Weltpokalsieger FC Bayern München im Millerntor-Stadion mit 2:1 zu bezwingen. Dieser Triumph konnte den Abstieg aus der Bundesliga am Saisonende nicht verhindern, ein Jahr später ging es sogar noch eine Etage tiefer in die damals drittklassige Regionalliga Nord, doch jenes Match war eben eines für die Geschichtsbücher des FC St. Pauli.

St. Paulis Bayern-Besieger sind auf dem T-Shirt verewigt

Auf den Shirts, die noch heute mit Erfolg und inzwischen für 24,95 Euro vertrieben werden, sind auf der Rückseite die Namen jener 13 Spieler, die an diesem Erfolg aktiv mitwirkten, für die Ewigkeit festgehalten. Einer davon ist Thomas Meggle, der mit seinem Treffer zur 1:0-Führung nach einer knappen halben Stunde die Grundlage für den Sieg legte.

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Thomas Meggle : „In den ersten 15, 20 Minuten brutal vorne draufgehen!“

Millerntalk - Die Seele des FC St. Pauli

Als gebürtiger Münchner, Bayern-Fan als Kind und später Jugendspieler sowie Anhänger des Lokalrivalen 1860 München war dieser Treffer und dieser Sieg für Meggle noch einmal mehr etwas ganz Besonderes. Im Abendblatt-Podcast „Millerntalk“ berichtet der heute 49 Jahre alte Meggle jetzt, dass er immer dann an jenen Februar-Abend erinnert wird, wenn er jemandem in der Stadt begegnet, der das beschriebene Shirt trägt. „Es war einfach ein unglaubliches Spiel in einer unbeschreiblichen Atmosphäre im alten Millerntor-Stadion“, schwärmt Meggle. „Es wurde ein Abend, mit dem so niemand gerechnet hatte.“

Meggle wird das Bayern-Spiel auf der Tribüne verfolgen

An diesem Sonnabend (15.30 Uhr) kommt es nun einmal wieder zum Gastspiel des FC Bayern München im Millerntor-Stadion. Dauerkarteninhaber Thomas Meggle, der nach seiner aktiven Karriere auch Co-Trainer, Cheftrainer und Sportchef bei St. Pauli war, wird das Spiel von seinem Tribünenplatz aus vergleichsweise entspannt verfolgen, sich zwischendurch ein Bierchen gönnen und nachher „in der sehr gut geführten Weinbar im Museum in der Gegengeraden“ mit Bekannten plaudern und den Spieltag ausklingen lassen.

Thomas Meggle (r.), hier im Duell mit Bayern Münchens Owen Hargreaves, brachte den FC St. Pauli am 6. Februar 2002 mit 1:0 in Führung.
Thomas Meggle (r.), hier im Duell mit Bayern Münchens Owen Hargreaves, brachte den FC St. Pauli am 6. Februar 2002 mit 1:0 in Führung. © Getty Images

Ob es dann wieder einen sensationellen Erfolg gegen die Bayern, die diesmal übrigens komplett titellos ans Millerntor kommen, zu feiern gibt, hält Meggle für noch unwahrscheinlicher als vor fast 23 Jahren. „Damals war die Mannschaft des FC Bayern über ihren Zenit hinaus und hatte auch schon vor dem Spiel bei uns ihre Probleme in der Bundesliga“, sagt er einordnend. Zudem sei die Schere zwischen den Topteams und denen in der unteren Tabellenhälfte seither noch deutlich weiter auseinandergegangen. „Damals wurde Bayern vielleicht alle zwei Jahre mal Meister, aber zwischendurch auch mal Stuttgart oder Bremen“; sagt er angesichts der erst in diesem Jahr gestoppten Serie von elf Meistertiteln in Folge.

Als Co-Trainer erlebte Meggle das 1:8 im Mai 2011

Wie ein Bundesligaspiel zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Bayern München auch ausgehen kann, hat Meggle schließlich neun Jahre nach dem 2:1-Triumph ebenfalls hautnah erleben müssen, als Co-Trainer von Holger Stanislawski in dessen letztem Heimspiel vor dem Wechsel nach Hoffenheim. Am 7. Mai 2011 überrannten die Münchner die Kiezkicker mit 8:1. Danach stand St. Pauli, wieder einmal, als Absteiger fest.

„Wenn die Bayern einmal ins Rollen kommen, sind sie kaum noch aufzuhalten“, sagt Meggle. Es sei ein bitteres Erlebnis gewesen. „Vor allem Stani hat mir da leidgetan“, sagt Meggle. Andererseits hätten ja auch andere Clubs gegen die Münchner gleich mehrmals derartige Abfuhren erlebt.

Meggles Idee: „Am Anfang brutal vorne draufgehen“

Was also ist für das aktuelle St.-Pauli-Team zu tun am Sonnabend, um das Spiel möglichst lange offen zu gestalten und die Stimmung im Stadion am Kochen zu halten? Meggle hat da eine Idee. „Ich bin immer ein großer Freund davon, einfach auch mal die ersten zehn, 15, 20 Minuten brutal vorne draufzugehen, brutales Risiko zu gehen, um den Gegner auch ein Stück weit zu verunsichern“, sagt er.

Aber dann muss er einräumen, dass ein solches Spielverhalten auch fürchterlich nach hinten losgehen kann: „Die Bayern sind natürlich fußballerisch so gut, dass sie Pressing-Situationen auflösen können. Das kann dir auch schon in den ersten 15 Minuten das Genick brechen.“

Bayerns Doppelbelastung als kleiner Vorteil für St. Pauli

Einen kleinen Vorteil sieht Meggle auch darin, dass die Bayern an diesem Mittwoch noch das Champions-League-Spiel gegen Benfica Lissabon bestreiten. „Wenn man drei Tage nach so einem Spiel bei einem Abstiegskandidaten, der von seinen Fans angepeitscht wird, antreten muss, und alle einen hohen Sieg erwarten, macht das nicht so richtig Spaß“, sagt er. Auch RB Leipzig habe man dies beim 0:0 vor einigen Wochen am Millerntor angemerkt. Da hatte das Team kurz zuvor in der Königsklasse gegen Atletico Madrid gespielt.

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Insgesamt aber hat Meggle auch großes Vertrauen, dass Trainer Alexander Blessin die passende Spielweise gegen die Bayern finden wird. Im Gegensatz zu vielen Fans war Blessin für Meggle kein unbeschriebenes Blatt, als er im Sommer als Ersatz für den nach Brighton gewechselten Fabian Hürzeler verpflichtet wurde. „Wir hatten sogar zwei, drei Schnittschnellen, als wir gegeneinander gespielt haben“, berichtet Meggle. „Er war trotz seiner Größe ein sehr, sehr guter, technisch feiner Fußballer.“ Und den einen oder anderen Kopfball habe er eben auch gewonnen.

St. Paulis Klassenerhalt? Meggle hat da eine mutige Wette

Bleibt die Frage, ob der FC St. Pauli mit Blessin, den er von Anfang an für eine sehr spannende Trainerpersonalie bei seinem Club hielt, endlich einmal wieder den Klassenerhalt nach einer Saison in der Bundesliga schafft. Das war zuletzt 1996 gelungen. Meggle hat sich in dieser Frage auf eine sehr mutige Wette eingelassen. „Ich habe direkt nach dem Aufstieg gesagt, dass St. Pauli Zehnter wird.“ Allerdings sei er damals noch davon ausgegangen, dass Fabian Hürzeler Trainer bleibt.