Hamburg. Vor dem Duell seiner Herzensclubs spricht Ex-Profi Markus Thorandt über seine Emotionen und wem er ein bisschen mehr den Sieg wünscht.
Den Familienausflug am Sonntag hat Markus Thorandt seit Wochen fest eingeplant. Nur ganze fünf Kilometer müssen der frühere Abwehrspieler, seine Frau und die beiden Kinder zurücklegen, dann sind sie schon dort, wo sich Thorandts Herzensclubs von 15.30 Uhr an messen werden. In der Augsburger WWK-Arena treffen der heimische FCA und der FC St. Pauli zum ersten Duell seit gut 14 Jahren aufeinander – und das erstmals in der Bundesliga.
„Es ist schon so, dass da zwei Herzen in meiner Brust schlagen werden“, sagt Markus Thorandt (43) als Gast der neuesten Ausgabe des Abendblatt-Podcasts Millerntalk. Der eine Club, der FC Augsburg, ist nun einmal so etwas wie der Heimatverein des ehemaligen Verteidigers, der andere Club, der FC St. Pauli, bescherte ihm „meine sportlich schönste Zeit“, wie er sehr überzeugend sagt.
Bundesliga-Aufstieg mit dem FC St. Pauli schon im ersten Jahr
Im Sommer 2009 war Markus Thorandt nach drei Jahren beim TSV 1860 München ans Millerntor gekommen, der damalige Sportchef Helmut Schulte und Trainer Holger Stanislawski hatten den in Augsburg geborenen, bayrischen Schwaben von einem Wechsel in den Norden überzeugt. Es sollte für alle Beteiligten eine gute Entscheidung sein. Thorandt etablierte sich sofort als Stammkraft, und mit ihm als robusten Innenverteidiger, der auch auf der defensiven, rechten Seite spielen konnte, schaffte St. Pauli im Frühjahr 2010 auch gleich den Bundesliga-Aufstieg.
Auf dem Weg dahin gab es einen überaus wichtigen Meilenstein, an den sich Thorandt auch heute noch lebhaft erinnern kann. Am 12. April 2010 war es eines dieser bei den Fans ungeliebten, aber oft auch besonders stimmungsvollen Montagabendspiele, als der unmittelbare Aufstiegskonkurrent FC Augsburg am Millerntor mit 3:0 besiegt wurde. Das Fachmagazin Kicker benotete Thorandt damals mit einer 2,0, damit war er hinter dem Doppeltorschützen Marius Ebbers (1,0) zweitbester Spieler auf dem Platz. Sein Gegenspieler, ein gewisser Nando Rafael, hatte praktisch keinen Stich gesehen.
Bei St. Paulis 3:0 gegen Augsburg war Thorandt einer der Besten
„Es war ein sehr schönes Spiel und für mich auch eine Genugtuung, gegen meinen früheren Verein wirklich ein Topspiel abzuliefern, zu gewinnen und den Verfolger damit auf Distanz zu halten“, sagt Thorandt, der 1997 als 16-Jähriger zum FC Augsburg gegangen war und 2006 für drei Jahre zu 1860 München wechselte, ehe es ans Millerntor ging.
Während St. Pauli vier Wochen nach dem 3:0 gegen Augsburg in die Bundesliga aufgestiegen war, scheiterte der FCA als Tabellendritter in der folgenden Relegation am 1. FC Nürnberg. Ein Jahr später aber gelang den Schwaben der direkte Aufstieg, während der FC St. Pauli als Schlusslicht wieder aus der Bundesliga abstieg. Und so haben sich die Wege beider Clubs seither nie wieder gekreuzt, was sich am Sonntag nun wieder ändert.
Thorandt lobt die Kontinuität beim FC Augsburg
Auch Markus Thorandt, der dem FC St. Pauli bis 2015 treu blieb, ehe ihn eine hartnäckige Entzündung im Knie zum unfreiwilligen Karriereende zwang, hält es für eine außerordentliche Leistung, dass sich der FC Augsburg seit seinem erstmaligen Bundesliga-Aufstieg bis jetzt durchgehend in der höchsten Spielklasse halten konnte.
„Es gab schon Jahre, in denen man zittern und kämpfen musste. Aber den Verein zeichnet aus, dass man ruhig bleibt, eine extrem hohe Kontinuität mit Michael Ströll (seit 18 Jahren beim FCA tätig, die Red.) auf der Position des Geschäftsführers hat, der dort wirklich die Fäden zusammenhält, und mitunter auch den Trainern Zeit gibt, etwas zu entwickeln“, sagt Thorandt. „Es ist einfach ein ruhigeres Umfeld als in Großstädten, auch medial. Es kommt viel zusammen, was sie dort richtig gemacht haben, um jetzt 13 Jahre lang in der Bundesliga zu bleiben. Das haben in der Zeit nicht viele Vereine geschafft.“
Der FC St. Pauli ist fünfmal aus der Bundesliga wieder abgestiegen
Auch der FC St. Pauli war nach seinen ersten fünf Aufstiegen auch fast immer nur Gast in der Bundesliga, dreimal ging es direkt wieder runter in Liga zwei, die längste Phase im Oberhaus waren drei Jahre zwischen 1988 und 1991. Eine Ewigkeit ist das inzwischen her. Zwei Saisons waren es dann noch einmal von 1995 bis 1997.
Was also kann der FC St. Pauli diesmal nach seinem sechsten Bundesliga-Aufstieg vom FC Augsburg lernen, um sich von einem Aufsteiger zu einem Bundesligisten, wie es auch Sportchef Andreas Bornemann gern sagt, zu entwickeln? „Wichtig ist, das Selbstvertrauen zu bekommen, dass man sagt: Wir können die Liga halten“, sagt Thorandt. „Und du musst dich punktuell verstärken und den Kader verbreitern.“
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Um dafür das nötige Geld einzunehmen, hat Thorandt nach seinem Karriereende einige Jahre auch beim FC Augsburg gesorgt, als er im Team des Vermarkters Sportfive tätig war. Seit zwei Jahren aber hat er sich zumindest beruflich vom Fußball-Geschäft verabschiedet und arbeitet im Vertrieb für eine Firma, die Arbeitsbekleidung herstellt.
„St. Pauli braucht die Punkte ein bisschen nötiger“, sagt Thorandt
Bleibt die Frage, welches seiner beiden Fußballherzen denn am Sonntag intensiver schlagen wird, wenn er mit seiner Familie am Sonntag auf der Tribüne sitzt. Thorandt bleibt zunächst diplomatisch, legt sich dann aber doch fest: „Für mich ist das Wichtigste, dass am Ende beide Mannschaften in der Liga bleiben. Ich werde dem die Daumen mehr drücken, der die Punkte am Ende nötiger hat. Das ist wohl, glaube ich, der FC St. Pauli.“