Hamburg. Wissenschaftler und Präsident Göttlich sehen den Club in Sachen Markenstärke auf den Europapokalplätzen. Wieso das auch die DFL freut.

Athens ist eine beschauliche Kleinstadt im Südosten des US-Bundesstaats Ohio. Etwas mehr als 20.000 Einwohner, ein Großteil davon Studenten der Ohio University. Als Sportfan interessiert man sich hier vor allem für American Football, zweieinhalb Autostunden entfernt spielen die Cincinnati Bengals in der NFL, etwas näher wäre noch das Eishockey-Team Columbus Blue Jackets, das in der Eliteliga NHL antritt. Fußball? Eine Randsportart. Und der FC St. Pauli? Was soll das sein? Den kennt sicher niemand.

Falsch gedacht. „Als ich 2014 Studierenden an der Ohio University in meiner Sportmanagement-Vorlesung den Totenkopf gezeigt habe, kam schnell die Assoziation mit dem FC St. Pauli auf“, sagt Tim Ströbel. Logisch, so der Professor für Marketing und Sportmanagement an der Universität Bayreuth, „Clubs wie Bayern München und Borussia Dortmund haben eine größere Reichweite und decken mehr Märkte ab. Spannend ist aber, dass auch der FC St. Pauli international kein unbeschriebenes Blatt ist.“

FC St. Pauli: Göttlich sieht Kiezclub als „ein Aushängeschild“

In Deutschland zählen die Kiezkicker seit vielen Jahren zu den größten Sportmarken. „Wir sind eine der Top-6-Marken im deutschen Profifußball“, sagt auch Präsident Oke Göttlich. „Der FC St. Pauli ist ein Aushängeschild.“

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Was das bringt? „Zugespitzt generiert eine starke Marke über Ticketing, Vereinsmitgliedschaften und Merchandising auch Einnahmen, wenn es sportlich mal nicht so gut läuft. Das ist ein sehr angenehmer Risikopuffer für den jeweiligen Club“, sagt David Woisetschläger. Zudem habe man als starke Marke eine bessere Verhandlungsposition bei TV-Verträgen und sei attraktiv für Sponsoren.

St. Pauli im Marken-Ranking auf den Europokalplätzen

Der Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig erforschte bis 2019 in mehreren Studien die Markenlandschaft im deutschen Profifußball. Das Ergebnis: „In den Befragungen, die wir im Laufe der Jahre durchgeführt haben, ist St. Pauli in Bezug auf die Markenstärke durchgängig auf den Europapokalplätzen gelandet“, sagt Woisetschläger. Dies liege an Faktoren wie der politischen Haltung, Authentizität der Verantwortlichen oder auch einer Form des Rebellismus. Der Totenkopf als Ausdruck einer inneren Haltung.

Auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) wird St. Paulis Aufstieg in die Bundesliga freuen, ist sich Woisetschläger sicher. „In der Bundesliga sind mittlerweile einige graue Mäuse vertreten. Deshalb denke ich, dass St. Pauli die Attraktivität der Liga steigern wird“, sagt er.

Kiezkicker arbeiten mit Universität Bayreuth zusammen

Die Kiezkicker selbst haben ebenfalls längst erkannt, dass die öffentliche Wahrnehmung des Clubs viele Vorteile mit sich bringt. „Wir sind eine Adresse, bei der Leute wirklich Interesse haben, zu uns zu kommen“, sagt Präsident Göttlich. Um die eigene Marke künftig weiter zu stärken, läuft bei St. Pauli seit 2022 ein großangelegtes Forschungsprojekt.

Fussball
Das Totenkopf-Logo ist auf vielen Merchandising-Produkten zu sehen. © WITTERS | ValeriaWitters

Die Initiative ging dabei von Tim Ströbel aus, der im Jahr 2021 Kontakt mit dem Club aufnahm. St. Paulis Marketingchef Martin Drust war sofort begeistert, ohnehin wollte der Club bis zu seinem 125. Geburtstag im Jahr 2035 eine langfristig angelegte Markenstrategie entwickeln. Seit 2022 führt Ströbel mit seinem Doktoranden Lars Brand verschiedene Interview-Studien im Club und dessen Umfeld, Workshops mit Club-Beteiligten sowie Diskussionsrunden mit der Vereinsführung durch.

Forschungs-Ergebnisse wurden teilweise bereits veröffentlicht

„Ein Ziel unseres Forschungsprojekts ist, herauszufinden, welche Akteure auf welchen Plattformen Einfluss auf die Marke haben“, sagt Ströbel. Zeitnah soll noch eine größere quantitative Befragung durchgeführt werden, ehe das Projekt zum Abschluss kommt. Erste Ergebnisse konnte Ströbel bereits unter anderem auf internationalen Kongressen präsentieren.

„Der Club tut gut daran, weiter den partizipativen Charakter zu leben und möglichst viele Menschen einzubinden. Die Bundesliga bietet jetzt zudem eine große Chance, Inhalte der Marke auf einer noch größeren Plattform zu kommunizieren“, sagt Ströbel.

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Der Fankongress im November 2023, bei dem sich Vereinsgremien, Sponsoren, Mitarbeiter und Fans des Clubs austauschen konnten, entstand ebenfalls aus dem Forschungsprojekt. „Der Club macht es sich nicht leicht, Entscheidungen werden in der Regel nicht von einer Person aus dem Bauch heraus getroffen. Stattdessen diskutiert man viele Dinge in großen Gremien und versucht, möglichst viele Menschen einzubinden. Das ist sehr aufwendig, kostet Zeit und Energie, trägt aber zu einer starken Marke bei“, sagt Ströbel. Sodass sogar Studenten in Ohio den Totenkopf kennen.