Scheffau am Wilden Kaiser. Bis 2017 spielte der 24-Jährige noch gemeinsam mit Abendblatt-Reporter Maximilian Bronner in Buxtehude. Ein Wiedersehens-Interview.

Elias Saad (24) grinst schon verschmitzt, als er nach dem Mittagessen in einem Konferenzraum des Hotels Kaiser Platz nimmt. Bis zum Sommer 2017 spielte der gebürtige Wilhelmsburger noch mit Abendblatt-Reporter Maximilian Bronner gemeinsam in der A-Jugend des Buxtehuder SV, nun trafen sich beide im Trainingslager im österreichischen Scheffau wieder. Der eine kickt mittlerweile beim ASC Cranz-Estebrügge, der andere beim FC St. Pauli.

Hamburger Abendblatt: Elias, normalerweise werden Interviewpartner beim Abendblatt gesiezt, ich glaube aber, dass wir uns das sparen können. Vor ein paar Jahren haben wir noch zusammengespielt, mittlerweile trennen uns sieben Ligen. Was habe ich bitte schön falsch gemacht?

Elias Saad: Puh, das kann ich dir nicht sagen. (lacht) Ich würde auch nicht behaupten, dass ich alles ausschließlich richtig gemacht habe. Grundsätzlich bin ich aber immer dabeigeblieben, mit viel Wille und viel Glück hat es bei mir geklappt.

Auch wenn du – im Gegensatz zu mir – drangeblieben bist, wirst du 2017 doch nicht ernsthaft eine Profikarriere im Auge gehabt haben, oder?

Nein, auf gar keinen Fall. Sogar bis vor zwei Jahren habe ich nicht daran geglaubt, dass ich jetzt hier bei St. Pauli spielen könnte. Zu Beginn der Saison 2022/23 habe ich mir bei Eintracht Norderstedt aber schon das Ziel gesetzt, in den Profifußball zu kommen. Als ich dann eine gute Hinrunde in der Regionalliga Nord gespielt habe, hat sich St. Pauli bei mir gemeldet. Das Schicksal wollte es wohl so – und ich kann sagen, dass ich extrem glücklich darüber bin.

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Elias Saad (24) spielt seit eineinhalb Jahren beim FC St. Pauli. © WITTERS | LeonieHorky

Dabei musstest du in Buxtehude nach der A-Jugend erst mal ein paar Spiele bei der zweiten Herren-Mannschaft in der Kreisliga machen…

Ich sollte mich damals erst an den Herrenfußball gewöhnen, haben die Trainer gesagt. Ich bin aber grundsätzlich ein Typ, der es einfach genießt, Fußball spielen zu können. Deshalb war mir damals auch die Liga egal. Und wenn der Trainer damals zu mir gesagt hat, dass es für die erste Mannschaft in der Landesliga nicht reicht, habe ich halt bei der Zweiten ausgeholfen.

Man sagt häufig über Profifußballer, dass sie in der Jugend immer mehr trainiert haben als alle anderen. Die zwei Einheiten pro Woche in der A-Jugend von Buxtehude passen da nicht ganz ins Bild…

(lacht) Das stimmt – und ich muss auch sagen, dass ich damals in jeder zweiten Woche mindestens ein Training abgesagt habe, weil ich in der Schule Theater hatte oder irgendwas anderes war. Mir hat das damals aber so gefallen, weil ich dadurch eine ganz normale Kindheit und Jugendzeit hatte. Viele andere Profis konnten das nicht so genießen, weil sie schon früh in ihrem Leben jeden Tag trainiert und Druck gespürt haben. Bis ich 21 war hatte ich gar keinen Druck.

Mittlerweile sind wir ungefähr gleich groß, aber viele Leute wissen gar nicht, dass du in der Jugend eigentlich immer mit Abstand der kleinste Spieler auf dem Platz warst. Die Trikots waren dir eigentlich immer zwei Nummern zu groß.

Das stimmt, aber ich glaube, dass mir das sehr weitergeholfen hat. Obwohl die Gegner das gleiche Alter hatten wie ich, habe ich so gelernt, wie ich mich gegen größere und stärkere Spieler durchsetzen kann. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich zwar jemanden ausdribbeln konnte, ich aber spätestens zehn Meter später wieder eingeholt wurde, weil ich viel langsamer war. Erst als ich beim Übergang von der A-Jugend in den Herrenbereich einen Wachstumsschub bekommen habe, habe ich innerhalb eines Jahres Entwicklungsschritte gemacht, für die andere vielleicht vier oder fünf Jahre benötigen. Ich glaube auch, dass das der Hauptgrund dafür war, wieso ich mich von Liga zu Liga hocharbeiten konnte.

An dieser Stelle muss ich auch einmal unseren Ex-Trainer Wolfgang Nitschke zitieren, der beim Training ab und zu gebrüllt hat: „Wieso ist Elias immer noch am Ball?! Der ist so groß wie eine Thermoskanne und ihr schafft es nicht, ihm den abzunehmen!“

(lacht) An den Spruch mit der Thermoskanne kann ich mich gar nicht mehr erinnern, aber Wolfgang war schon ein geiler Typ. Ich habe ihn als Trainer sehr gemocht.

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Früher trainierte Elias Saad ein- bis zweimal pro Woche, mittlerweile ein- bis zweimal pro Tag. © WITTERS | LeonieHorky

Wann hast du verstanden, dass du auch aktiv mit Krafttraining machen musst, um auf dem Platz besser zu werden?

Das war erst zu der Zeit, als ich 2021 nach Norderstedt gewechselt bin. Wenn man in der Regionalliga gegen Ex-Profis oder auch Jungprofis spielt, merkt man, dass der körperliche Aspekt sehr wichtig ist. Vorher wusste ich das nicht – und habe dementsprechend auch nie Krafttraining gemacht. Irgendwann kamen dann die Trainer zu mir und haben gesagt, dass es so langsam Zeit sei, damit anzufangen. (schmunzelt) Ich habe dann schnell gemerkt, dass mich das besser gemacht hat.

Bei deiner vorherigen Station Barmbek-Uhlenhorst, wo du 2019 hin gewechselt bist, gab es statt Krafttrainings erst mal eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann. War das deinen Eltern wichtig?

Sie haben das nicht verlangt, wollten aber natürlich gerne, dass ich irgendetwas mache. Ich persönlich wollte mein eigenes Geld verdienen. Ich war dann zur Ausbildung bei einer privaten Auto-Bank, die Finanzierungen und Leasings für Kunden angeboten hat. Dort habe ich einerseits gemerkt, dass ich nicht der Typ bin, um acht Stunden am Tag im Büro zu sitzen, andererseits aber auch gelernt, was es bedeutet, jeden Tag für verhältnismäßig wenig Geld arbeiten zu gehen. Dass ich jetzt etwas mehr Geld verdiene, schätze ich deshalb umso mehr.

Hast du dich sofort als Profi gesehen, als du im Januar 2023 den Vertrag bei St. Pauli unterschrieben hast?

Kurz nach der Unterschrift habe ich das schon gedacht, was im Nachhinein aber etwas naiv war. (lacht) Erst nach ein paar Monaten habe ich gemerkt, dass ich im Gegensatz zu den anderen Spielern kaum etwas vorzuweisen hatte. Anfangs habe ich mich auch nicht mal in der Kabine der Profis umgezogen, sondern erst, als ich am Spieltag im Profikader stand. Diese Regelung finde ich auch sinnvoll, weil das jungen Spielern zeigt, dass sie nicht sofort angekommen sind, nur weil sie einen Vertrag unterschrieben haben. Ich musste mir den Respekt der anderen Spieler erst erarbeiten. Richtig angekommen habe ich mich gefühlt, als ich beim Stadtderby im Volksparkstadion mein erstes Tor geschossen habe.

Wie schnell ist dann auch das Problem von falschen Freunden aufgetreten?

Davon kann wahrscheinlich jeder Profi viele Geschichten erzählen. Bei mir war es vor allem die Zeit nach dem Tor gegen den HSV, als mir Menschen geschrieben haben, von denen ich jahrelang nichts gehört habe, die sich aber plötzlich wieder für mich interessierten. Ich kann das aber gut einordnen, meine echten und engsten Freunde sind die Jungs aus meiner Kindheit.

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Elias Saad (l.) im Gespräch mit Abendblatt-Reporter Maximilian Bronner. © WITTERS | LeonieHorky

Du hast jetzt drei Länderspiele für Tunesien gemacht und spielst jetzt bald gegen Topstars wie Harry Kane. Denkst du manchmal auch darüber nach, was gewesen wäre, wenn Fabian Hürzeler dir im April 2023 nicht zum Profidebüt verholfen hätte?

Sehr oft sogar, ich hatte mit ihm schon großes Glück. Wenn ich damals einen altmodischen Trainer gehabt hätte, der von mir verlangt hätte, dass ich mit Tempo bis zur Grundlinie runter gehe und flanke, wäre es wahrscheinlich schwer für mich geworden. Fabi wusste genau, wie er meine Stärken zur Geltung bringen kann. Er hat mir gleichzeitig aber auch beigebracht, was es bedeutet, Profi zu sein. Wenn ich mal eine Woche nicht im Fitnessstudio war, hat er mir deutlich gesagt, dass das so nicht geht. Auch von den anderen Spielern habe ich mir viele Sachen abgeguckt. Jojo (Eggestein, d. Red.) ist zum Beispiel extrem professionell, der geht jeden Tag nach dem Training noch in den Kraftraum. An ihm orientiere ich mich.

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Deine Entwicklung ist auch anderen Vereinen nicht verborgen geblieben, wie man hört. Müssen sich die Fans Sorgen machen, dass du St. Pauli in naher Zukunft verlässt?

In naher Zukunft steht für mich erst mal ein Umzug innerhalb der Stadt an. Ich konzentriere mich zudem voll auf die Bundesliga mit St. Pauli, habe keine Pläne, den Verein zu verlassen. Andererseits kann man nie zu 100 Prozent sagen, was die Zukunft bringt, ich weiß aber, dass ich mich bei St. Pauli unglaublich wohl fühle. Und das ist auch etwas, was mir persönlich sehr wichtig ist. Wenn ich woanders hingehen würde, müsste ich mich erst wieder neu beweisen und eingewöhnen. Hier bin ich hingegen schon top integriert. Ich glaube, dass es der perfekte Schritt für mich ist, jetzt mit St. Pauli in die Erste Liga zu gehen.