Hamburg. Personelle Probleme plagen den Bundesliga-Aufsteiger vor den harten Tagen in den Alpen. Doch es gibt auch Anlass zu Hoffnung.

Einen ganz kurzen Heimatbesuch gönnte sich Alexander Blessin dann doch noch. Nach dem Testspiel gegen den Bremer SV (3:1) im holsteinischen Malente ließ er sich am späten Sonnabendnachmittag schnell nach Hamburg chauffieren, um vorbildlich per Bahn zu seiner Familie nach Stuttgart zu reisen. Der immer noch neue Trainer des FC St. Pauli ist aber von diesem Montag an schon wieder gefordert, sein Bundesliga-Aufsteigerteam im Trainingslager in Scheffau am Wilden Kaiser in Tirol weiter in die nötige physische und taktische Verfassung zu bringen.

FC St. Pauli ist für elf Tage im Trainingslager

Wenn die Mannschaft an diesem Montagmorgen mit dem Eurowings-Flug 4345 Richtung Salzburg abhebt, werden auch einige Sorgen mit an Bord sein. Aktuell sind es gleich fünf Leistungsträger, die maßgeblich für den Aufstieg und die Meisterschaft in der vergangenen Saison beteiligt waren, die nicht einsatzfähig sind.

Hatten schon in der abgelaufenen, ersten Trainingswoche Torhüter Nikola Vasilj (Knieprobleme) und Außenverteidiger Manolis Saliakas (muskuläre Probleme) gar nicht sowie Außenverteidiger Philipp Treu (nach auskuriertem Wadenbeinbruch) nur teilweise auf dem Rasen trainieren können, so traf es jetzt in Malente zwei Führungskräfte des Teams: Jackson Irvine und Eric Smith.

Irvines großer Zeh zeigte nach innen statt nach vorn

Schon in der fünften Minute war ein Gegenspieler Kapitän Irvine so vehement auf den linken Fuß getreten, dass der große Zeh ausgerenkt wurde, wie sich beim näheren Betrachten der äußerst schmerzhaften Verletzung herausstellte. Schon der Anblick des nach innen links statt nach vorn zeigenden Zehs konnte bei den Augenzeugen Schmerzen hervorrufen.

Als sich Irvine bei der ersten Behandlung am Spielfeldrand durch Physio- und Reha-Chef James Morgan vor Schmerzen die Hände vor das Gesicht hielt und aufschrie, war Schlimmstes zu befürchten. Später in der Kabine wurde der Zeh wieder eingerenkt, Irvine kam in Badelatschen zurück an die Spielerbank und war sogar schon wieder zu Scherzen aufgelegt.

Blessin über Kapitän Irvine: „Ein harter Hund“

„Jackson ist ein harter Hund“, sagte später Trainer Blessin und wusste aus eigener Erfahrung zu berichten, dass Ausrenkungen immer besonders schmerzhaft seien, aber nicht sonderlich folgenschwer. „Ich habe mir einmal die Schulter ausgekugelt, da war bei mir das Schmerzlevel auf zehn von zehn“, sagte er.

Da bei Irvine vermutlich nur die Gelenkkapsel leicht angegriffen ist, aber kein Bruch vorliegt, deutet viel darauf hin, dass die Verletzung weniger folgenschwer ist, als es zunächst anzunehmen war. „Ich glaube, mit einem Tape um den Zeh kann er relativ schnell wieder zurückkommen“, sagte Blessin.

Irvine wurde sogar von L‘Équipe für eine Story angefragt

Ein schnelles Comeback ohne größeren physischen Substanzverlust wäre allein aus sportlicher Sicht sehr wünschenswert, weil der WM-erprobte Nationalspieler Australiens zweifellos auch in der Bundesliga ein wichtiger Faktor für St. Pauli sein kann. Darüber hinaus aber ist das mediale Interesse am Kapitän mit dem Bundesliga-Aufstieg noch einmal gerade bei überregionalen und internationalen Medien spürbar gewachsen. Zuletzt fragte sogar die renommierte französische Sportzeitung „L’Équipe“ für eine große Story einen Termin mit Irvine an.

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Wie Irvine stand in Malente auch Abwehrchef Eric Smith nur wenige Minuten auf dem Rasen. Zur zweiten Hälfte ins Spiel gekommen, fasste er sich schnell an den hinteren Bereich des rechten Oberschenkels und ließ sich auswechseln. Die Schwere der offenkundigen Muskelblessur ist noch nicht absehbar. Aber auch beim Schweden setzt Trainer Blessin auf das Prinzip Hoffnung. „Er kennt seinen Körper und hat etwas gespürt. Ich denke nicht, dass es eine Ruptur ist. Er ist da sensibel. Wenn irgendwo ein Zipperlein auftaucht, ist es mir lieber, wenn man den Spieler dann sofort auswechselt. Was man als Trainer überhaupt nicht will, ist ein längerer Ausfall von Spielern“, sagte Blessin.

St. Pauli hat bisher erst zwei Zugänge verpflichtet

Ins Trainingslager kommen jetzt auch mehrere Nachwuchsspieler mit, die sonst in der U-23- und U-19-Mannschaft zu Hause sind. Dies sei auch notwendig, damit gelegentliche Trainingsspiele mit elf gegen elf möglich seien, erläuterte der Trainer. Von einer schnellen Vergrößerung des zur Verfügung stehenden Kaders durch leistungsstarke Zugänge geht Blessin also offenbar nicht aus.

Dabei wäre das elftägige Trainingslager die beste Gelegenheit für neue Spieler, die Teamkollegen und vor allem die vom neuen Trainer geforderten taktischen Abläufe zu verinnerlichen. Bisher hat St. Pauli nur Mittelfeldspieler Robert Wagner (20) als Leihgabe des SC Freiburg und Torwart Ben Voll von Viktoria Köln als neue Spieler verpflichtet. Beide boten gegen den Bremer SV eine ansprechende Leistung, was neben den drei Treffern ein positiver Aspekt des ersten Testspiels war.