Hamburg. Der Bundesliga-Aufsteiger hat offenbar seinen neuen Cheftrainer gefunden. Es gibt Ähnlichkeiten zu Fabian Hürzeler.

Am Sonntag hatten auf dem Fanfest auf dem Heiligengeistfeld wieder Tausende von Fußballanhängern besten Blick auf das Millerntor-Stadion des FC St. Pauli. Doch so intensiv sie auch hinschauten, weißer Rauch stieg nicht auf – auch nicht im übertragenen Sinne.

Nun hat ein neuer Cheftrainer für einen Aufsteiger sicherlich doch nicht so ganz die Bedeutung wie ein neuer Papst für die katholische Kirche, und auch die Verweildauer im Amt ist in aller Regel im Fußballgeschäft kürzer, was meist, aber eben auch nicht immer an der Unzufriedenheit oder Ungeduld der Clubführungen liegt, wie der FC St. Pauli gerade mit dem Abgang von Fabian Hürzeler erfahren musste.

Neuer Trainer: Alexander Blessin vor Unterschrift beim FC St. Pauli

Das Kleinholz für den weißen Rauch aber kann der FC St. Pauli offenbar schon mal anzünden. Seit Sonntag gilt Alexander Blessin als der große Favorit, um den offiziell seit gut einer Woche vakanten Cheftrainer-Posten zu bekleiden. Wie am Sonntag zuerst der belgische Transferjournalist Sacha Tavolieri berichtete, steht Blessin nach fortgeschrittenen Verhandlungen kurz davor, am Millerntor einen Zwei-Jahres-Vertrag zu unterschreiben. Dies deckt sich mit Informationen des Abendblatts.

Der 51-jährige Blessin steht seit Juli vergangenen Jahres beim belgischen Erstliga-Club Royale Union Saint-Gilloise und hat eine sehr erfolgreiche Saison hinter sich. Das Team aus der Region der Hauptstadt Brüssel wurde belgischer Pokalsieger und verpasste in der Ersten Liga am Ende nur um einen Punkt den Meistertitel, der letztlich an den FC Brügge ging.

Punktebilanz von Blessin erinnert an die von Fabian Hürzeler

Die Punktebilanz von Blessin in der abgelaufenen Saison erinnert an die von Hürzeler beim FC St. Pauli. Die reguläre Punktrunde hatte sein Team mit 70 Punkten aus 30 Spielen (Schnitt 2,33 Punkte) bei nur zwei Niederlagen sogar als Führender abgeschlossen.

Für die Meisterrunde der besten sechs Teams wurden die Punkte halbiert. In den zehn Spielen kam Saint-Gilloise nur noch auf eine ausgeglichene Bilanz von vier Siegen und vier Niederlagen bei zwei Unentschieden (zwölf Punkte) und musste Brügge noch vorbeiziehen lassen. Hürzeler war in der abgelaufenen Saison auf einen Schnitt von 2,03 Punkten gekommen.

FC St. Pauli muss erneut mit Tony Bloom verhandeln

Der aus dem Stuttgarter Bezirk Bad Cannstatt stammende Alexander Blessin hat beim belgischen Topclub noch einen bis zum Sommer 2025 laufenden Vertrag und muss demnächst aus diesem Arbeitsverhältnis herausgekauft werden. Die Ablöse dürfte allerdings weit niedriger ausfallen als die bis zu rund neun Millionen Euro, die der FC St. Pauli aus Brighton auf seinem Konto erwartet.

Mehr zum Thema

Kurios ist dabei, dass Brightons Präsident und Besitzer Tony Bloom seit 2018 auch Mehrheitseigentümer von Saint-Gilloise ist. In gewisser Weise fließt, wenn der Deal zustande kommt, ein Teil der Ablöse aus Brighton wieder an Bloom zurück.

Hohe Übereinstimmung im Spielstil von Blessin und Hürzeler

Dass Blessin bei Saint-Gilloise in einem Club arbeitete, der bei der Kaderzusammenstellung sehr stark auf ein datenbasiertes Scouting setzt, dürfte auch bei St. Paulis Entscheidung für ihn eine größere Rolle gespielt haben. Auch die bevorzugte, ballbesitzorientierte Spielweise ähnelt dem von Hürzeler praktizierten Stil, auch wenn sich dieser in der Bundesliga zumindest gegen einige Topgegner kaum so realisieren lassen kann, wie dies gegen die meisten Zweitligisten möglich war.

Blessin gilt wie Hürzeler auf jeden Fall sehr taktikorientiert, penibel und ehrgeizig. Das Global Soccer Network (GSN) hat die Übereinstimmung in Sachen Anforderungsprofile für Spieler, Kaderzusammenstellung und Spielweise gegenüber Hürzeler auf 90,93 Prozent eingeschätzt, was einen vergleichsweise sehr hohen Wert darstellt.

St. Paulis Wunschkandidat war früher Bundesliga-Stürmer

So setzt auch Blessin in der Defensive auf eine Dreier-/Fünferkette und damit die von Hürzeler praktisch durchweg praktizierte Grundordnung. Damit dürfte sich also für die drei bisher gesetzten Innenverteidiger Hauke Wahl, Eric Smith und Karol Mets nicht viel ändern.

Der 1,91 Meter große Alexander Blessin wurde als aktiver Spieler meist auf der Mittelstürmer-Position eingesetzt und kam in der Saison 1998/99 beim VfB Stuttgart auf sieben Bundesligaeinsätze sowie je ein Spiel im Uefa-Cup und im DFB-Pokal. Als Trainer startete er seine Laufbahn bei seinem Heimatclub SV Bonlanden als Co-Trainer, ehe er von 2012 an acht Jahre lang bei RB Leipzig im Nachwuchsbereich arbeitete und verschiedene U-Mannschaften verantwortlich betreute.

Neuer Trainer soll kein Feuerwehrmann sein

Über KV Ostende und Genua CFC kam er vor einem Jahr zu Saint-Gilloise. Jetzt soll er am Millerntor heimisch werden.

Weißen Rauch wird der FC St. Pauli im Übrigen wohl doch nicht aus der Geschäftsstelle im Millerntor-Stadion aufsteigen lassen, wenn er denn offenbar sehr zeitnah die Lösung in der Trainerfrage präsentieren kann. Da wäre die Gefahr zu groß, dass jemand Alarm auslöst. Und ein Feuerwehrmann soll der Neue an der Seitenlinie ja auf keinen Fall sein, sondern im Idealfall eine Lösung für viele Jahre.