Hamburg. Die umgekrempelte Mannschaft schöpft beim 1:1 gegen Holstein Kiel neue Hoffnung auf den Klassenverbleib in der 2. Bundesliga.
Daniel Buballa klang schon fast euphorisch, als er nach dem 1:1 (0:0) gegen Holstein Kiel am Mikrofon Rede und Antwort stand. „Diese Energie, dieses Teamgefühl, das heute auf dem Platz entstanden ist, das brauchen wir“, sagte der 30 Jahre alte Verteidiger des FC St. Pauli.
Hatte auch er in den vergangenen Wochen mit Patzern zu den Niederlagen in Braunschweig (1:2) und gegen Düsseldorf (0:3) beigetragen, so legte er jetzt im Nordderby wieder eine deutlich positivere Körpersprache an den Tag und erwies sich in der Innenverteidigung überwiegend als stabiler Faktor.
Auch Buballas Mitspieler lebten nach der langen Tristesse endlich wieder auf, trauten sich etwas zu und gewannen durch gelungene Aktionen ihr Selbstvertrauen zurück, das zuletzt geschwunden war. „Wir haben eine Mannschaftsleistung gesehen, die Mut für die Zukunft macht. Das gilt für alle von der Eins bis zur Elf und für alle, die reingekommen sind“, urteilte auch St. Paulis erkennbar positiver gestimmter Trainer Timo Schultz, obwohl sein Team immer noch Tabellenvorletzter der Zweiten Liga ist.
St. Paulis Neue setzen frische Impulse
Am Ende waren sich alle darin einig, dass die Leistungssteigerung ursächlich mit dem Startelfeinsatz der erst in der vergangenen Woche verpflichteten Dejan Stojanovic für das Tor und Omar Marmoush für den Angriff sowie der Rückkehr von Mittelstürmer Guido Burgstaller in die Anfangsformation nach fast drei Monaten zusammenhing. Die frischen Impulse durch dieses Trio waren nicht zu übersehen und überhören.
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Ganz besonders auffällig war dabei, wie der 21 Jahre junge, vom VfL Wolfsburg ausgeliehene Marmoush immer wieder den Ball forderte, sich Solos zutraute, aber auch Mitspieler einsetzte. „Omar ist ein extrem wirbelnder Spieler, hat ein tolles offensives Eins-gegen-Eins und einen starken Abschluss“, urteilte Timo Schultz. Letzteres bewies Marmoush mit seinem fulminanten Direktschuss aus halbrechter Position zur 1:0-Führung (52.).
Auch Buballa war von seinem neuen Teamkollegen begeistert. „Omar war immer ballsicher, immer aggressiv, hat die Entscheidung im Dribbling gesucht und kommt zu einem wunderschönen Tor. Dann hatte er das 2:0 auf dem Fuß. Es ist ein bisschen ärgerlich, dass er den nicht auch gemacht hat“, sagte er und sprach Marmoushs noch etwas spektakulärere Szene an. Sechs Minuten nach seinem Tor düpierte er mit einer schnellen Wendung zwei Gegenspieler und strebte allein auf das Kieler Tor zu. Beim Abschluss aber traf er die rechte Schulter von Holstein-Keeper Ioannis Gelios.
Burgstallers Wert für St. Pauli deutlich erkennbar
„Das wäre das i-Tüpfelchen gewesen. Davor macht Omar einen Wahnsinns-Move. Den muss ich mir gleich noch mal anschauen“, schwärmte auch Trainer Schultz. Wichtiger aber ist dem Coach bei Marmoush noch etwas anderes. „Dieses Unbekümmerte, das den anderen Jungs gerade wegen der Situation und der vergangenen Spiele abgeht, hat er noch. Das soll er sich auch bewahren. Ich hatte sogar das Gefühl, dass er ein paar von uns damit angesteckt hat“, sagte er über den Ägypter, mahnte aber auch: „Er ist ein sehr junger Spieler, der am Boden bleiben, fleißig trainieren und diese Leistung bestätigen muss.“
Zehn Jahre älter als Marmoush ist Rückkehrer Guido Burgstaller (31), den Schultz überraschend in der Startelf aufgeboten hatte. „Eigentlich war es zu früh dafür. Burgi ist noch nicht 100 Prozent im Saft, aber selbst mit der Power, die er jetzt zur Verfügung hat, ist er für uns ein riesiger Mehrwert. Wie er die Bälle sichert, seine Ausstrahlung, wie er mit den Mitspielern redet, wie er den gegnerischen Verteidigern auf den Sack geht – das sind Sachen, die man von jungen Spielern so nicht erwarten kann“, sagte Schultz. „Ich hatte das Gefühl, dass die Spieler um ihn herum auch aufblühen durch seine Anwesenheit.“
Der Ex-Schalker ist dementsprechend auch ein wichtiger Faktor, um für eine lautere Kommunikation auf dem Platz zu sorgen. „Mit Stojanovic, Burgstaller und in ein, zwei Wochen auch mit James Lawrence sieht das schon ganz anders aus. Es ist für eine Mannschaft sehr wichtig, dass Stimmung auf dem Platz ist“, sagte Schultz.
FC St. Pauli in der Einzelkritik:
Bei aller Freude über die positive Entwicklung, dürfen die statistischen Fakten nicht verdrängt werden. Auch im 15. Saisonspiel kassierte das Millerntor-Team ein Gegentor. Diesmal nutzte Kiels Joshua Mees (62.) eine Unaufmerksamkeit in der Defensive. Zudem bedeutete das 1:1 das 13. sieglose Match in Folge. Damit stellte die Mannschaft einen neuen Negativrekord für den FC St. Pauli im Profifußball auf. Hinzu kommt, dass der SV Sandhausen als Tabellen-15. mit dem 4:0 gegen Heidenheim seinen Vorsprung auf St. Pauli auf vier Punkte vergrößerte. Zudem rückte Schlusslicht Würzburg mit dem 3:2 in Osnabrück bis auf zwei Punkte an St. Pauli heran.
Zweifellos sind St. Paulis massive Aktivitäten auf dem Transfermarkt in diesem Winter ein Eingeständnis der sportlichen Führung, beim personellen Umbruch im Sommer einige Fehleinschätzungen getroffen zu haben. In der neuen Konstellation werden es die im Sommer geholten Simon Makienok, Lukas Daschner und Afeez Aremu schwer haben, in die Startelf zu rücken.