Hamburg. Der stürmische FC St. Pauli untermauert beim 2:0 gegen Tabellenführer Regensburg seine Ambitionen, ganz oben mitzuspielen.
Der Arbeitstag von Timo Schultz war kaum beendet, da begann für den 44-Jährigen der wirklich spaßige Teil des Sonntags. Gemeinsam mit Ehefrau Mareelke, den Töchtern Frieda und Hannah sowie Sohn Paul ging es auf den Dom. „Jedes Kind durfte sich ein Karussell aussuchen. Meine Tochter Hannah will in die Wilde Maus, Frieda ins Kettenkarussell, und bei Paul muss ich mal sehen. Bei hohen Fahrgeschäften bin ich als Ostfriese aber raus“, scherzte der Trainer des FC St. Pauli nach dem verdienten 2:0 (0:0)-Sieg seiner Mannschaft gegen Jahn Regensburg.
Im Millerntor-Stadion veranstaltete seine Mannschaft in den 90 Minuten zuvor eine fußballerische Version der Wilden Maus. Allen voran die überragenden Daniel-Kofi Kyereh (25) und Guido Burgstaller (32), der in der 74. und 89. Minute mit seinen beiden Toren den dritten Heimsieg der Saison perfekt machte, sorgten auf den Rängen für Standing Ovationen. Als das deutsch-ghanaisch-österreichische Duo in der Nachspielzeit gemeinsam ausgewechselt wurde, hielt es keinen der 10.003 zugelassenen Zuschauer mehr auf den Sitzen.
FC St. Pauli: Burgstaller als „Fußballgott“ gefeiert
Burgstaller wurde sogar die seltene Ehre zuteil, als „Fußballgott“ gefeiert zu werden. „Ich kann mich bei Kofi nur bedanken. Wenn man als Stürmer solche Mitspieler hat, ist es immer schön. Es macht richtig Spaß, mit ihm zu kicken“, verteilte Burgstaller ein Lob an seinen kongenialen Partner, der die netten Worte prompt returnierte. „Zum Zusammenspiel mit Guido muss ich nicht viel sagen, man sieht’s ja. Wir verstehen uns richtig gut, wir haben nach dem Spiel aber schon gesagt, dass wir noch mehr Tore hätten schießen können, gerade in der ersten Halbzeit“, sagte Kyereh, der bei nahezu jedem Angriff seine Füße im Spiel hatte.
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Doch es war nicht nur das Offensiv-Duo, das gegen Regensburg herausstach. Über die gesamte Spieldauer dominierte St. Pauli im Kollektiv, war von Minute eins an griffig in den Zweikämpfen und setzte den Spitzenreiter praktisch über die gesamte Spieldauer unter Stress. War das Angriffsspiel zuletzt immer etwas linkslastig, erspielte sich das Schultz-Team am Sonntag über beide Flügel und durchs Zentrum eine Vielzahl an guten Einschussgelegenheiten. Allein die etwas fahrige Chancenverwertung sorgte dafür, dass es am Ende doch noch ein Geduldsspiel wurde.
Timo Schultz: „Es war eine sehr reife Leistung"
„Es war eine sehr reife Leistung. Im Spiel mit dem Ball haben wir es immer wieder geschafft, die Seite zu wechseln und gefährlich zu werden“, schwärmte Schultz, der sich aber auch über das dritte Zu-Null-Spiel der Saison freute. „Gegen den Ball, gerade im Moment eines Ballverlustes, haben wir es immer wieder geschafft, sofort ins Gegenpressing zu gehen. Damit haben wir Regensburg heute den Zahn gezogen.“
Vor allem aber wurde einmal mehr deutlich, dass St. Pauli in dieser Saison eine hohe Widerstandsfähigkeit besitzt. Weder die 1:3-Niederlage am vergangenen Wochenende in Paderborn, noch die Personalsorgen werfen die Mannschaft, die ohne sieben gesperrte oder verletzte Profis antreten musste, zurück. Jüngstes Beispiel: Beim Warmmachen verletzte sich Mittelfeldspieler Eric Smith (23) beim letzten Torschuss an den Adduktoren.
Trainer Schultz will Kader vorerst nicht verändern
Für ihn kam Afeez Aremu (21) in die Partie und zeigte als Abfangjäger vor der Abwehr seine beste Leistung im St.-Pauli-Trikot. Genau wegen dieser vorhandenen Tiefe im Kader kündigte Trainer Schultz an, dass bis zum Ende das Transferfensters am Dienstag wenig passieren wird. Ein dritter Torhüter soll noch verpflichtet werden.
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Zudem kann Luis Coordes, der in den sportlichen Planungen keine Rolle mehr spielt, den Verein verlassen. Sollte sich auf der Zugangsseite aber spontan doch noch eine interessante Option auftun, wäre St. Pauli nicht abgeneigt „Vielleicht betreiben wir noch Feintuning, um den Kader noch ausgewogener zu gestalten, aber ich bin sehr zufrieden“, erklärte Schultz, wohlwissend, dass sein Team bereits als Spitzenmannschaft wahrgenommen wird.
St. Pauli steht in zweiter Runde des DFB-Pokals
Auch wenn St. Pauli sich öffentlich noch ziert, sich zum Thema Aufstiegskampf zu bekennen, weiß jeder im Verein, dass es mit solchen Topleistungen schwierig wird, sich gegen das Label „Topteam“ zu wehren. Fünf Spiele, zehn Punkte, Platz vier – begeisternde Heimauftritte gegen Holstein Kiel (3:0), den HSV (3:2) und nun Regensburg. Darüber hinaus steht der Verein in der zweiten Runde des DFB-Pokals. St. Pauli hat sich in der Frühphase der Saison als eingespielte und homogene Mannschaft in der Spitzengruppe der Zweiten Liga etabliert.
„Das ist ein guter Start. Man sieht aber, dass in dieser Liga jeder jeden schlagen kann. Heute hatten wir einen guten Tag, und die Regensburger waren vielleicht nicht an ihrem Leistungslimit, und dann gewinnen wir das. Im nächsten Spiel in Hannover kann das auch schon wieder anders laufen“, bilanzierte Schultz. In der anstehenden zweiwöchigen Länderspielpause sollen die Profis erst einmal die Akkus aufladen oder bei der Zweiten Mannschaft spielen.
FC St. Pauli: Timo Schultz will „den Sieg genießen“
Weil das Regionalliga-Team von Trainer Joachim Philippkowski (60) zwei Spiele hat, verzichtet Schultz auf den obligatorischen Test. „Jetzt gehört es dazu, den Sieg zu genießen“, sagte Schultz. Es klingt, als würde den Konkurrenten in den kommenden Wochen noch die eine oder andere sportliche Achterbahnfahrt auf St. Pauli bevorstehen.
Die Statistik:
- St. Pauli: Vasilj - Wieckhoff (67. Viet), Medic, Lawrence, Paqarada (90.+2 Ritzka) - Aremu - Becker (68. Benatelli), Hartel - Kyereh (90. Irvine) - Burgstaller (90. Dittgen), Makienok. - Trainer: Schultz
- Regensburg: Meyer - Faber (87. Saller), Breitkreuz, Kennedy, Wekesser - Gimber, Besuschkow (46. Boukhalfa) - Beste (82. Caliskaner), Singh (82. Makridis) - Zwarts (58. George), Albers. - Trainer: Selimbegovic
- Schiedsrichter: Sven Waschitzki (Essen)
- Tore: 1:0 Burgstaller (74.), 2:0 Burgstaller (88.)
- Zuschauer: 10.003
- Gelbe Karten: Burgstaller - Singh (2)
- Torschüsse: 22:8
- Ecken: 11:4
- Ballbesitz: 54:46 %
- Zweikämpfe: 104:110