Hamburg. Seit der Relegation 2015 gab es eine Rivalität zwischen den KSC- und den HSV-Fans. Das könnte sich jetzt durch eine Aktion ändern.
Ole Schmieder wird auf eine kurze Nacht zurückschauen, wenn der Mitarbeiter des HSV-Fanprojekts am Sonntag ein Interview zusammen mit seinen Kollegen des Karlsruher SC führt. Schmieder steigt zusammen mit rund 900 HSV-Fans in der Nacht zu Sonntag um 1 Uhr in Harburg in den organisierten Sonderzug, um zum Auswärtsspiel des HSV beim KSC (13.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) zu reisen.
Noch vor dem Spiel am Sonntag steht für Schmieder ein Termin mit einem Reporter des „Guardian“ an. Die renommierte Tageszeitung aus England will über einen Fall berichten, der zuletzt bundesweit für Schlagzeilen sorgte und der auch die Fanszene des HSV beschäftigte. Und über den Schmieder im Abendblatt sagt: „Die Haltung der Mitarbeitenden des KSC-Fanprojekts war sehr wichtig für alle Fanprojekte in Deutschland.“
Pyroaktion des KSC sorgt für gerichtliche Folgen
Doch worum geht es eigentlich? Rückblick: Im November 2022 hatten KSC-Fans vor dem Heimspiel gegen den FC St. Pauli eine große Choreographie zum 20-jährigen Bestehen einer Ultragruppe durchgeführt. Durch den Einsatz von Rauchtöpfen wurden mindestens elf Personen im Stadion verletzt, darunter ein Kind.
Die Staatsanwaltschaft ermittelte. Mehrere KSC-Fans wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Im Zuge der Ermittlungen wurden auch die drei Mitarbeiter des Karlsruher Fanprojekts als Zeugen angehört. Alle drei verweigerten aber die Aussage, weil sie das Vertrauensverhältnis zu ihrer Fanszene schützen wollten. Vor einem Monat verurteilte das Karlsruher Amtsgericht die Sozialarbeiter des Fanprojekts wegen versuchter Strafvereitelung zu Geldstrafen in Höhe von 4050, 5400 sowie 6300 Euro.
HSV-Ultras solidarisierten sich mit dem KSC
In der Szene sorgte dieses Urteil für Aufsehen. Es kam zu verschiedenen Solidarisierungsaktionen. Vor dem Heimspiel des HSV vor drei Wochen gegen den 1. FC Nürnberg setzte auch die aktive Fanszene auf der Nordtribüne im Volksparkstadion ein Zeichen. „Solidarität mit dem Fanprojekt KA“ stand auf einem Banner, das die Ultragruppe „Forza“ während der ersten Halbzeit gegen Nürnberg hochhielt.
Eine Aktion, die auch in Karlsruhe angekommen sein dürfte. „Die Solidarisierung unserer aktiven Fanszene mit dem Fanprojekt des KSC wird bei den Karlsruher Fans mit Sicherheit positiv zur Kenntnis genommen worden sein“, sagt Ole Schmieder. Das Vorgehen könnte sich auch positiv auf die Rivalität zwischen den KSC- und HSV-Fans auswirken.
Rivalität zwischen KSC und HSV mit verschiedenen Kapiteln
Seit der Relegation 2015 ist der HSV in Karlsruhe kein allzu gern gesehener Gast. Beim ersten Treffen danach im August 2019 wurde HSV-Profi Bakery Jatta von den KSC-Fans ausgepfiffen. Vor zwei Jahren provozierten die KSC-Ultras die HSV-Fans, als sie vor dem Auswärtsspiel in Hamburg ankündigten, sich auf der Reeperbahn im Gebiet der HSV-Fans treffen zu wollen.
Die hitzige Stimmung während der Spiele in Karlsruhe spitzte sich zudem in der HSV-Amtszeit des früheren Karlsruhers Tim Walter zu, der sich im Frühjahr 2023 mit den KSC-Zuschauern anlegte und die Rote Karte sah.
Rivalität der Fans könnte sich weiter entspannen
Doch schon beim bislang letzten Gastspiel des HSV ging es deutlich ruhiger zu. „Unseren Beobachtungen nach hat sich die Rivalität zwischen den HSV- und KSC-Fans normalisiert“, sagt auch Schmieder vom HSV-Fanprojekt. Er lobt zudem die Organisation der An- und Abreise der Gästefans im Karlsruher Wildparkstadion.
Das HSV-Fanprojekt gehört wie auch das des KSC zu den ältesten in der Szene. Dabei handelt es sich um Projekte, deren Mitarbeiter als Vermittler zwischen den Fanszenen und der Polizei oder Ordnungsdienste fungieren und insbesondere jugendlichen Fußballfans beratend und unterstützend zur Seite stehen und durch ihre vertrauliche Kommunikation mit den aktiven Fanszenen deeskalierend wirken.
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Nach dem Fall Karlsruhe haben auch die Mitarbeiter des HSV-Fanprojekt eine Skepsis in der eigenen Fanszene beobachtet. Ihre Haltung ist aber klar: In einem vergleichbaren Fall würden die Sozialarbeiter des HSV-Fanprojekts genauso handeln wie ihre Kollegen aus Karlsruhe.