Hamburg. Innerhalb von wenigen Tagen müssen die Hamburger nach Elversberg und Freiburg. Warum sich das Team entschieden hat, zweimal zu fliegen.

Um 4.30 Uhr steigt Ralf Borchert am Sonnabend in Blankenburg ins Auto. Ziel der 550 Kilometer langen Strecke: Der 13.880-Einwohner-Ort Spiesen-Elversberg im Landkreis Neunkirchen. Dort tritt um 13 Uhr (Sky und Liveticker auf abendblatt.de) der HSV im Zweitligaspiel bei der SV Elversberg an. Borchert fährt mit einem Kollegen seines Fanclubs „Nordharz“ ins Saarland und am Sonntag zurück nach Sachsen-Anhalt.

Eine lange HSV-Pause hat der 54-Jährige danach nicht. Am Mittwoch geht es bereits weiter nach Freiburg. Wieder mit dem Auto. Wieder zum Auswärtsspiel des HSV, der nur vier Tage nach der Elversberg-Reise schon wieder im DFB-Pokal beim Bundesligisten SC Freiburg (18 Uhr) spielt. „Es ist einfach Liebe“, sagt Borchert auf die Frage, warum er seit mehr als 30 Jahren fast alle Auswärtsspiele des HSV begleitet.

Am Dienstag geht es für viele HSV-Fans schon weiter

Borchert ist nicht der einzige HSV-Fan, der den Langstrecken-Doppelpack auf sich nimmt. Eine noch längere Anfahrt hat Ole Gröner aus Uetersen in Schleswig-Holstein vor sich. Gemeinsam mit fünf Freunden seines Fanclubs „Jenseits vom Tresen“ startet der 40-Jährige schon am Freitag, um am Sonnabend pünktlich beim Spiel zu sein. Nach der Rückkehr geht es am Dienstag weiter mit dem Flugzeug nach Basel, von dort am Spieltag mit dem Zug nach Freiburg und am Donnerstag während des Feiertags mit der Bahn zurück nach Hamburg. Rund 3000 Kilometer in vier Tagen für den HSV.

Ole Gröner (l.) und die Fans des OFC „Jenseits vom Tresen“ haben im Volksparkstadion ihr Banner dort hängen, wo früher die Stadionuhr montiert war.
Ole Gröner (l.) und die Fans des OFC „Jenseits vom Tresen“ haben im Volksparkstadion ihr Banner dort hängen, wo früher die Stadionuhr montiert war.

„Elversberg, Freiburg und Ulm sind die letzten drei Stadien, die mir in der Ersten und Zweiten Liga noch fehlen“, sagt Gröner. Er bezeichnet sich selbst als HSV-Vielfahrer. Um sich Allesfahrer nennen zu dürfen, müsste er tatsächlich auch ALLE Spiele sehen. Das schafft Gröner aber genauso wenig wie Ralf Borchert, der es auf rund 32 Spiele pro Saison bringt. „Ich bin mit dem HSV verheiratet“, sagt Borchert, der aber auch eine richtige Ehe führt. „Meine Frau muss viel Verständnis aufbringen. Ohne sie wäre das nicht möglich.“

1600 HSV-Fans sind am Sonnabend in Elversberg dabei. Es ist bedingt durch die frühe Anstoßzeit die komplizierteste Anreise der Saison für alle Hamburger Anhänger. Wer am Spieltag auf die Bahn setzt, muss in Hamburg um 4.15 Uhr in den Zug steigen und bei zwei Umstiegen auf Pünktlichkeit hoffen.

HSV-Profis zweimal in vier Tagen mit dem Flugzeug unterwegs

Auch für die Mannschaft wird es eine intensive Reisewoche. Der HSV flog am Freitagnachmittag mit Danish Air nach Saarbrücken und fliegt nach dem Spiel von Frankfurt aus zurück nach Hause. Am Dienstag geht es dann mit einer Chartermaschine nach Freiburg. Ob der HSV nach dem Pokalspiel am Mittwoch noch bis Hamburg fliegen kann oder nur bis Hannover, hängt davon ab, ob das Spiel in die Verlängerung geht. Die Verantwortlichen hatten überlegt, ob sie zwischen den zwei Spielen im Süden bleiben, entschieden sich nach Rücksprache mit der Mannschaft aber dafür, mehr Zeit zu Hause zu verbringen.

Die HSV-Fans dagegen kennen keine Belastungssteuerung. Insbesondere Ralf Borchert nicht. Der Familienvater arbeitet seit 1997 ehrenamtlich für den HSV als regionaler Fanclubbetreuer. Mittlerweile ist er in der Mitgliederbetreuung einer von elf sogenannten HSV-Lotsen und damit Ansprechpartner für die Fanclubs in Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Bis zu zwei Stunden täglich arbeitet er neben seinem Vollzeitjob für den HSV. Auch bei den Auswärtsfahrten ist er vor Ort für Fragen der Anhänger verantwortlich.

Als Herausforderung hat sich für ihn die zunehmende Zahl der offiziellen Fanclubs erwiesen. Die OFCs bekommen normalerweise ein größeres Kontingent an Tickets – nicht aber in kleinen Stadien wie Elversberg (10.000 Zuschauer). Auch die Organisation von gemeinsamen Busfahrten zu Auswärtsspielen wird immer schwieriger. Borchert hofft daher endlich auf den Aufstieg, da sich die Ticketnachfrage durch die Mehrzahl an größeren Stadien dann entspannen würde.

HSV-Fans hoffen auf Entspannung der Ticket-Situation bei Aufstieg

Dafür braucht es in Elversberg einen Sieg. Vor einem Jahr hatte der HSV beim Aufsteiger mit 1:2 verloren. „In diesen Spielen besteht immer die Gefahr der Hochnäsigkeit. Ich hoffe, dass die Maßgabe des Trainers wirkt“, sagt Borchert, der schon seit 1976 HSV-Fan ist, durch das Leben in der DDR bis zur Wiedervereinigung aber nie die Chance hatte, ein HSV-Spiel live zu sehen.

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Auch Ole Gröner hofft in Elversberg auf einen mental veränderten HSV. „Elversberg ist eines der Schlüsselspiele. Wenn wir das gewinnen, hat Baumgart die Mannschaft richtig eingestellt“, sagt Gröner, der vom Aufstieg überzeugt ist: „Dieses Jahr sind wir fällig.“

Dafür muss der HSV aber nicht nur in Elversberg siegen, sondern im Dezember auch in Ulm. Auswärts bei den Aufsteigern (nur ein Punkt) haben die Hamburger in der vergangenen Saison den Aufstieg verspielt. Auch Gröner nimmt die 700 Kilometer dann wieder auf sich. Und kann sich dann zumindest Alle-Stadien-Fahrer nennen.

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