Hamburg. Düsseldorfs Trainer scheiterte beim HSV auch an seinen wöchentlichen Umstellungen. Der aktuelle Kader verleitet zu ähnlichen Fehlern.

Der achte Spieltag der Saison 2020/21 war für Daniel Thioune ein schlechtes Omen. Der damalige HSV-Trainer kassierte im Volksparkstadion gegen den VfL Bochum (1:3) die erste Niederlage seiner Amtszeit. Angesichts seiner Aufstellung geriet Thioune in Erklärungsnot. Der Fußballlehrer hatte zum achten Mal in Folge seine Startelf und auch seinen Matchplan verändert. Und zum ersten Mal ging dieser Plan nach hinten los.

Thiounes wöchentliche Wechsel hatten einen Grund. Der große Kader sorgte für die Herausforderung, alle Spieler bei Laune zu halten. Akteure wie Sonny Kittel, Amadou Onana oder Josha Vagnoman mussten immer mal wieder auf die Bank. In der ersten Saisonhälfte gelang Thioune diese Moderation noch ganz gut. Irgendwann aber verzettelte er sich mit seinen Änderungen, verlor teilweise den Rückhalt in der Kabine und am Ende auch zu viele Spiele. Drei Spieltage vor Saisonende wurde er freigestellt.

Bringt Baumgart wieder Katterbach und Sahiti?

Dreieinhalb Jahre später steht Thiounes Nach-Nachfolger Steffen Baumgart vor ähnlichen Herausforderungen, die zu ähnlichen Fehlern verleiten. Der aktuelle HSV-Trainer will sich wie Thioune zu seiner Zeit im Volkspark vor allem an der Spielweise des Gegners orientieren und seine Aufstellungen entsprechend anpassen. So kam es, dass Baumgart gegen den SC Paderborn mit Emir Sahiti und Noah Katterbach auf den Flügelpositionen überraschte, obwohl insbesondere auf Linksaußen zuvor Fabio Baldé und Jean-Luc Dompé überzeugten.

Baumgarts Plan ging nur bedingt auf. Die vielen Veränderungen wurden anschließend ein Thema, weil der HSV das Spiel nicht gewann und in der ersten Halbzeit nicht überzeugte. Hätte der Treffer von Robert Glatzel in der Nachspielzeit zum 3:2 gezählt, wäre vermutlich wieder über die Qualität des Kaders und die Stärke durch Einwechslungen gesprochen worden. So gingen angesichts des dritten Unentschiedens im siebten Spiel viele Beobachter eher der Frage nach, warum Spieler wie Dompé oder Ludovit Reis nicht von Beginn an spielen?

Thioune hat seine Philosophie in Düsseldorf verändert

Vor dem achten Spieltag steht Baumgart nun wieder vor ähnlichen Entscheidungen wie Thioune zum selben Zeitpunkt vor vier Jahren. Passenderweise spielt der HSV am Sonntag bei Tabellenführer Fortuna Düsseldorf – mit Trainer Thioune. Der Ex-HSV-Coach verfolgt bei der Fortuna mittlerweile eine andere Philosophie als noch in Hamburg. Damals sagte er zu Saisonbeginn im Gespräch mit dem Abendblatt: „Wer sich meine Zeit in Osnabrück genauer anguckt, kann erkennen, dass ich nicht unbedingt der Never-change-a-winning-Team-Trainer bin.“

Nachdem er in Hamburg am Ende auch über die Always-change-a-winning-Team-Philosophie stolperte, lässt er nun wöchentlich seine Stammelf spielen. Zuletzt ließ er bis vor einer Woche dreimal in Folge dieselbe Formation auflaufen. Mit fünf Siegen und zwei Unentschieden ist Düsseldorf Spitzenreiter.

Baumgart mit indirektem Gruß an Thioune

Allerdings bleibt abzuwarten, ob Thioune mit der Fortuna diese Konstanz halten kann. Baumgart grüßte seinen Trainerkollegen am Wochenende indirekt, als er über die aktuelle Tabellensituation sagte: „Ich habe Jahre erlebt, da ist der HSV vorneweg marschiert und ist am Ende abgekackt.“ Thioune, der mit dem HSV 2020 die ersten fünf Spiele gewann, die Hinrunde als Herbstmeister mit vier Punkten Vorsprung auf Platz drei abschloss und am Ende Vierter wurde, durfte sich angesprochen fühlen. Baumgart hätte sich aber auch selbst meinen können. In der vergangenen Saison übernahm er den HSV am 22. Spieltag als Dritter mit vier Punkten Rückstand auf Kiel. Nach 34 Spielen lag der HSV als Vierter zehn Punkte hinter dem Aufsteiger.

Baumgart muss nun vor dem Duell in Düsseldorf alles darauf ausrichten, das Spiel mit der bestmöglichen Aufstellung zu gewinnen. Wer die besten elf Spieler für das Wochenende sind, ist aber nicht leicht zu beantworten. Zudem weiß auch Baumgart, dass er nachvollziehbare Antworten finden muss, um Spieler nicht gegen sich aufzubringen. Bestes Beispiel ist neben Dompé Vizekapitän Ludovit Reis, der zuletzt viermal in Folge auf der Bank saß.

Baumgart erklärt, warum Reis nur auf der Bank sitzt

Baumgart begründete die Reis-Personalie mit dem Leistungsprinzip. „Nachdem er eine nicht so gute Vorbereitung gespielt hat, hatte er drei Spiele, in denen er nicht so zum Zuge kam. Das gehört zu einem jungen Spieler dazu. Er geht durch Phasen“, sagte der HSV-Trainer nach dem Paderborn-Spiel. „Wir haben eine sehr hohe Konkurrenz, die wir davor nicht hatten. Deswegen musst Du dir den Platz erkämpfen.“

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Klar ist, dass der breite Kader für den HSV Vor- und Nachteile hat, wie Jonas Meffert am Sonntag bei NDR 90,3 bestätigte. „Die Qualität im Training ist so hoch, wie ich es hier in drei Jahren noch nicht erlebt habe“, sagte der Mittelfeldspieler, der neben Miro Muheim und Dennis Hadzikadunic als einziger HSV-Spieler bislang in allen sieben Spielen in der Startelf stand.

Der kommende Gegner Düsseldorf hat da bislang eine deutlich größere Startelfkonstanz und in der Eigenwahrnehmung eine nicht schlechtere Kaderbreite als der HSV. Thioune weiß aus seiner Zeit aber vor allem eines: Richtig machst du es nur, wenn du Spiele gewinnst