Hamburg. Der Club geht bei der Gegneranalyse in dieser Saison neue Wege und will unberechenbarer sein. Was der HSV verändert hat.

Die Videoanalyse des HSV wird sich in dieser Woche kurzfristig verändern. Zwei Tage vor dem Spiel steht bei Trainer Steffen Baumgart eigentlich die Gegnerbesprechung an. Doch die Hamburger wurden vor der Erstrundenpartie im DFB-Pokal am Sonntag (18 Uhr) beim SV Meppen von einem Trainerwechsel überrascht. Der Regionalligist hat nach nur drei Spieltagen seinen Trainer Adrian Alipour (45) entlassen. Nachfolger Lucas Beniermann (34) kommt aus dem eigenen Nachwuchs des Vereins und stellt die Gegneranalysten des HSV vor eine neue Herausforderung.

Gefragt ist nun vor allem Eduard Riesen. Der 31 Jahre alte Spielanalyst des HSV, der schon seit drei Jahren für den Club arbeitet, hat seit dieser Saison mehr Verantwortung in der Vorbereitung auf den kommenden Gegner übertragen bekommen. Das liegt vor allem auch daran, dass die Analyse des Gegners seit dieser Saison einen größeren Schwerpunkt der Spielvorbereitung beim HSV einnimmt.

Der von Ex-Tainer Tim Walter über zweieinhalb Jahre geprägte Satz „Wir bleiben bei uns“ ist reif für das HSV-Museum. Der HSV bleibt jetzt nicht bei sich. Er analysiert die Stärken und Schwächen des Gegners und entwirft daraufhin seinen Matchplan. „Mir gefällt die Flexibilität gut, dass wir uns auf verschiedene Gegner und verschiedene Arten einstellen, auch mal tiefer verteidigen und auch mal dem Gegner den Ball überlassen“, sagte Sportdirektor Claus Costa nach dem 1:1 gegen Hertha BSC am Sonnabend.

HSV hat drei Videositzungen in der Woche

Costa und auch Sportvorstand Stefan Kuntz sind in jeder der drei Videositzungen dabei, die beim HSV zum normalen Ablauf einer Trainingswoche gehören. In der ersten Analyse geht es um das jeweils letzte Spiel und die Aufarbeitung der guten und schlechten Aktionen und Spielphasen. Im zweiten Teil der Woche gibt es dann zwei weitere Analysen. Eine, die sich mit dem kommenden Gegner beschäftigt und eine weitere, in der das eigene Spiel im Ballbesitz geplant wird.

Der HSV nutzt dafür das sogenannte Scouting Feed, also die Vogelperspektive des gesamten Spielfelds. Die Software Wyscout kommt dagegen vor allem für das Videoscouting von möglichen Neuzugängen zum Einsatz.

Geleitet werden die Videositzungen beim HSV neben Spielanalyst Riesen durch die Co-Trainer Merlin Polzin und René Wagner. Beide Assistenten von Baumgart haben ihre eigenen Schwerpunkte. Sie alle sitzen zusammen in einem Großraumbüro, seit Baumgart Trainer beim HSV ist. Auch Loic Favé, in der vergangenen Saison noch Co-Trainer unter Baumgart und nun Chefcoach der U21, hat hier seinen Arbeitsplatz. Favé soll weiterhin ein wichtiger Teil der HSV-Profis sein. Seit dieser Saison lässt Baumgart im Training einmal pro Woche gegen die U21 spielen, die jeweils die voraussichtliche Spielweise des kommenden Gegners simuliert.

Baumgart tut das, was an Tim Walter kritisiert wurde

Der HSV will es den Gegnern in dieser Saison deutlich schwerer machen, sich auf die Hamburger vorzubereiten. Das war unter Walter noch anders. Unter dem neuen Coach von Hull City gab es nur eine Spielidee. Das Vertrauen in die eigene Philosophie war einerseits die große Stärke des Walter-Fußballs. Gleichzeitig wurde dem 48-Jährigen immer wieder angelastet, dass er nicht auf Spielphasen reagiere oder sich auf die Stärken des Gegners anpasse.

Schon am ersten Spieltag wurde der HSV für seine neue Variabilität belohnt. Die Hamburger überraschten den 1. FC Köln mit einer für Baumgart ungewohnt defensiven Spielweise. Der HSV war vorbereitet auf ein schnelles Umschaltspiel und den Fokus auf das Gewinnen der zweiten Bälle. Er versuchte, Köln keine Räume in die Tiefe anzubieten und stellte den FC damit vor große Probleme. Der Matchplan ging auf.

Der Matchplan des HSV ging nur jeweils eine Halbzeit lang auf

Auch gegen Hertha hatte sich der HSV eine Idee überlegt. Um das mannorienterte Verteidigen der Berliner aufzulösen, lockte der HSV den Gegner mit vielen Positionswechseln aus der Grundstruktur. Insbesondere Jonas Meffert und Daniel Elfadli tauchten immer wieder die Rollen, aber auch Adam Karabec und Ludovit Reis bewegten sich ständig in neue Räume. „Wir wollten Hertha in die Bewegung kriegen und das haben wir geschafft“, sagte Baumgart über seinen Plan.

Das Problem: Der Plan ging in der zweiten Halbzeit nicht mehr auf. Weil eben auch der Gegner Ideen hat. Hertha stellte zur Halbzeit taktisch etwas um und ging zudem mehr ins Risiko. Der HSV machte zu wenig aus den Ballgewinnen, spielte zu passiv und nicht mehr mutig genug und kassierte am Ende den verdienten Ausgleich.

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Für den HSV geht es in den kommenden Wochen und Monaten darum, seinen eigenen Stil im Ballbesitz weiter zu verbessern und gleichzeitig auf den Matchplan der Gegner zu reagieren. Und für Spielanalyst Eduard Riesen und sein Team stehen in dieser Woche ein paar Extrastunden an, um die letzten U-17-Spiele des SV Meppen zu studieren. Schließlich guckt der HSV nicht mehr nur noch auf sich. Auch nicht vor einem Spiel gegen einen Viertligisten.