Köln. Der HSV gewinnt bei der teuersten Mannschaft der Liga, doch nicht alle sind zufrieden. Eine Einordnung des Auftaktsieges.
Als der Schlusspfiff am späten Freitagabend ertönte, verhielt sich Steffen Baumgart so, als würde die Partie noch laufen. Der Trainer des HSV blieb zunächst in seiner gewohnt gebückten Stellung, in der er stets die Spiele verfolgt, ehe er die Position unter der Last des auf ihn gesprungenen Sportdirektors Claus Costa nicht mehr halten konnte. Während der Kaderplaner vor lauter Euphorie über den 2:1-Auftaktsieg dem Coach um den Hals fiel, verzichtete Baumgart auf einen Jubel – sehr wahrscheinlich aus Respekt vor seinem unterlegenen Ex-Club, dem 1. FC Köln.
HSV siegt in Köln: Darüber diskutieren die Fans
Dabei hätte auch Baumgart allen Grund für einen kleinen Freudentanz gehabt. Schließlich ist er der Architekt einer HSV-untypischen Spielweise, die als Grundlage für den Startsieg diente. Und trotzdem wird unter vielen Fans gerade die sehr defensiv geprägte Spielweise diskutiert. „Können die Hamburger mit einer derart tief stehenden Grundausrichtung aufsteigen?“, fragen sich so manche Anhänger, aber auch langjährige Beobachter des Clubs.
Baumgart setzte gegen den Ball auf eine Fünferkette mit Jonas Meffert im Zentrum und Bakery Jatta rechts hinten. „Das war der Matchplan vom Trainerteam, der zu 100 Prozent aufgegangen ist“, lobte Meffert, der erst das zweite Mal in seiner Karriere die Rolle im Abwehrzentrum ausfüllte, nachdem Co-Trainer Merlin Polzin ihn bereits im Februar in seiner Partie als Interimscoach in Rostock (2:2) dort positioniert hatte. „Vielleicht ist es nicht meine absolute Lieblingsposition, aber Elfadli hat es mir sehr leicht gemacht. Wir haben uns sehr gut ergänzt.“
Im Defensivverbund mit Neuzugang Daniel Elfadli schaltete Meffert seine Staubsaugerfunktion einen Gang höher. Hinzu kam die leidenschaftliche Zweikampfführung der beiden Innenverteidiger Dennis Hadzikadunic und Sebastian Schonlau. Und selbst die als vermeintliche Zehner aufgestellten Ludovit Reis und Adam Karabec verteidigten munter mit, um das Zentrum dichtzumachen.
Warum der HSV in Köln so tief stand
„Die Idee war, mit dieser Spielweise Kölns Stärken im Gegenpressing aus dem Spiel zu nehmen. Wir wollten ihnen einfach mal den Ball geben, weil wir uns erhofften, dass sie nicht die größten Ideen haben“, erklärte Kapitän Schonlau die taktische Herangehensweise, die dazu führte, dass der HSV 160 Pässe weniger spielte als der Gegner (382 zu 543), deutlich weniger Ballbesitz hatte (43 Prozent) und seltener aufs Tor schoss (26 zu 9). „Das war komplett so gewollt“, sagte Baumgart, der die tiefergehenden Worte seinen Spielern überließ.
„Unser Plan basierte auf der ausgemachten Schwäche des Gegners“, sagte Meffert. Der Plan sah vor, Köln keine Räume im Zentrum anzubieten, sondern auf die Außenbahn zu drängen. Damit zwang der HSV den Gegner zu Flanken, wohl wissend im Zentrum die Lufthoheit zu erlangen. „Es war okay für uns, dass sie auf den Außen den Ball hatten“, sagte Schonlau. „Wir haben zentral vorm Tor viele Bälle verteidigt.“
Der Plan ging auf. Von den 26 Schüssen der Gastgeber kamen gerade einmal vier aufs Tor. Zum Vergleich: Beim HSV waren es sechs von neun. Und trotzdem hat nicht jeder Beobachter Gefallen an der neuen Spielweise gefunden. Nach einer überzeugenden ersten Hälfte verloren die Hamburger nach dem Seitenwechsel zu schnell den Ball und sorgten kaum noch für Entlastungsangriffe. „Köln hatte zu häufig den Ball, wir brauchen mehr Kontrolle“, räumte Schonlau ein und ergänzte treffend: „Das ist heute aber egal.“
HSV gewinnt, aber Baumgart ist „verärgert“
Auch Meffert erwähnte selbstkritisch, dass die zweite Halbzeit bei eigenem Ballbesitz „nicht gut“ war und eine mutigere Spielweise optimaler gewesen wäre. Zur gleichen Erkenntnis kam auch sein Trainer. „Ich bin ein bisschen verärgert, dass wir in der zweiten Halbzeit das Fußballspielen eingestellt haben. Trotzdem haben es die Jungs überragend verteidigt“, sagte Baumgart. „Wir wissen schon, dass wir einige Dinge nicht so gut gemacht haben. Ein paar Sachen müssen wir in der laufenden Saison anpassen und besser machen.“
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Die Kritik an der Spielweise wäre zweifellos größer ausgefallen, wenn sein Plan schiefgegangen wäre. So aber macht Erfolg eben auch sexy, vor allem gegen den teuersten Kader der Liga. 69,7 Millionen Euro soll die Kölner Mannschaft wert sein, der HSV kommt gerade einmal auf knapp mehr als die Hälfte dieser Summe (38 Millionen Euro). Baumgart ahnte deshalb, dass die Hanseaten über die Zweikämpfe ins Spiel finden müssen. Seine Spieler setzten diese Vorgabe um, entschieden 57 Prozent der direkten Duelle für sich.
Es ist eine Zahl, die am Freitagabend mehr wert war als die bloße Anzahl von Torschüssen. Und auch die immer noch kritischen Anhänger und Beobachter müssen sich keine Sorgen machen, denn speziell in den Heimspielen verspricht der HSV eine offensivere Ausrichtung. „Wir wollen taktisch variabel sein. Über die Saison gesehen werden wir einen dominierenden Spielstil pflegen, für den wir häufig den Ball haben wollen“, prognostizierte Schonlau. „Wir wollen unser Spiel um eine andere Facette bereichern. Gegen Köln war das ein guter Anfang.“ Wer siegt, hat nun mal recht.