Schneverdingen. HSV-Stürmer Glatzel über die Gründe seines Verbleibs, die Rolle von Kuntz und Übernachtungspartys seiner Tochter.

Robert Glatzel durfte es am Donnerstag ruhiger angehen lassen. Nach drei von Muskelkater geprägten Tagen stand für die Profis des HSV in Schneverdingen eine Yoga-Einheit auf dem Programm, ehe ein Teamevent folgte. Zuvor traf sich der Stürmer mit dem Abendblatt, um über seinen Verbleib zu sprechen.

Hamburger Abendblatt: Robert Glatzel, wie viele Mitspieler haben sich am 15. Juni bei Ihnen gemeldet?

Robert Glatzel: Mehrere Jungs aus der Mannschaft haben mir geschrieben und sich extrem gefreut.

Es war der Tag, an dem Ihre Ausstiegsklausel auslief. Sie hatten sich schon am Abend vorher bei Stefan Kuntz gemeldet und ihn über Ihren Verbleib informiert, obwohl Sie Angebote aus der Bundesliga hatten. Was waren die Gründe für Ihre Entscheidung?

Glatzel: Ich habe eine Heimat beim HSV gefunden und fühle mich hier sehr wohl. Der Club ist mir ans Herz gewachsen. Ich muss aber auch ehrlich sagen, dass ich aus der Bundesliga nicht die Angebote hatte, für die ich alles aufgegeben hätte, was mich mit Hamburg verbindet. Ich erlebe hier die glücklichste Zeit meiner Karriere, der Zusammenhalt des Teams ist herausragend.

HSV-Stürmer Glatzel: Bei Vuskovic wird er emotional

Ein Zeichen für Ihren Zusammenhalt ist der Umgang mit dem wegen Dopings gesperrten Mario Vuskovic.

Glatzel: Wir stehen permanent im Kontakt und sehen uns, wenn er nach Hamburg kommt. Keiner von uns lässt ihn hängen, wir unterstützen ihn so gut es geht. Er ist nach wie vor einer von uns. Sein Schicksal ist eigentlich gar nicht zu begreifen. Man kann nur versuchen, sich in ihn hineinzuversetzen, um seine Gefühle zu verstehen.

Momentan wartet Vuskovic auf das Urteil vom Cas. Wie erleben Sie ihn in dieser für ihn schwierigen Phase der Ungewissheit?

Glatzel: Er leidet nach wie vor. Gerade anfangs ging es ihm nicht gut, da ist er durch die Hölle gegangen. Ihm wurde das genommen, was er am meisten liebt: der Fußball.

Glatzel: Kuntz an hohen Anteil an meinem Verbleib

Ihr Zusammenhalt wird auch von Stefan Kuntz vorgelebt, der um Sie gekämpft hat.

Glatzel: Gerade das persönliche Gespräch im Volkspark, als er mir seine Idee aufzeigte und auch einen Plan veranschaulichte, wie ich mich verbessern kann, hat mir imponiert. Er hat mich ermutigt, die Mannschaft mit meiner Erfahrung noch mehr zu führen. Stefan Kuntz hat einen hohen Anteil daran, dass ich bleibe.

Sie haben auch fünfmal mit ihm telefoniert.

Glatzel: Der Inhalt bleibt zwar vertraulich, aber ich kann sagen, dass wir sehr ins Detail gegangen sind, weil es mir wichtig ist, dass wir auch nach dem Neustart mit dem Trainer- und Vorstandswechsel ambitioniert bleiben. Wir müssen um den Aufstieg spielen! Darin sind wir uns alle einig.

Es gab Gerüchte, Steffen Baumgart hätte sich weniger um Sie bemüht. Stimmt das?

Glatzel: Es wird immer viel erzählt. In dem Fall habe ich aber mehr mit Stefan Kuntz gesprochen.

Glatzel: Im Urlaub rief sein Berater an ...

Wozu haben Ihre beiden wichtigsten Ansprechpartner, Ihr Vater Seium und Ihre Frau Natasa, Ihnen geraten?

Glatzel: Natasa wollte gerne in Hamburg bleiben, aber sie hat auch immer gesagt, dass ich auf mein Herz hören soll, diese Entscheidung selbst treffen muss und sie mir nicht hineinreden will. Sie steht immer hinter mir, egal was kommt. Bei meinem Vater war es ähnlich. Ihm war klar, dass ich eine verantwortungsvolle Wahl für meine Familie treffen werde.

Sie sind direkt nach dem letzten Saisonspiel gegen Nürnberg (4:1) mit Ihrer Familie nach Thailand geflogen. Wie ging es dann weiter?

Glatzel: Ich habe erst einmal versucht, so gut wie möglich abzuschalten und den Urlaub zu genießen. Das klappte aber nur bedingt, weil ich vor dieser extrem wichtigen Entscheidung stand. Es drehte sich fast täglich um meine Zukunft. Mein Berater Sascha Breese rief an oder schrieb mir eine WhatsApp-Nachricht über den neusten Stand der Verhandlungen mit anderen Vereinen. Im Anschluss habe ich mich sofort mit meiner Frau darüber ausgetauscht und evaluiert, was ich an dieser möglichen neuen Herausforderung gut finde und was nicht.

Augsburg? Stuttgart? Glatzel klärt auf

Augsburg hatte sich intensiv um Sie bemüht, aber auch Stuttgart und Heidenheim sollen interessiert gewesen sein.

Glatzel: Ein bisschen was ist dran an den Berichten, aber es stimmte nicht alles. Ich wurde zum Beispiel mit Werder Bremen in Verbindung gebracht, doch an diesem Gerücht war überhaupt nichts dran, und einen Wechsel dorthin würde ich auch sofort ausschließen wegen meiner Verbundenheit zum HSV.

Eine Boulevardzeitung hatte Ihren Wechsel bereits unmittelbar nach der Saison herbeigeschrieben. Mal Hand aufs Herz: Gab es eine Phase, in der Sie einem Wechsel näher waren als einem Verbleib?

Glatzel: Nein, definitiv nicht. Vor zwei Jahren hatte ich mich konkret mit einem Wechsel zu Schalke beschäftigt, aber diesmal war es anders.

HSV: Glatzels Tochter Elea flehte ihn an

Welche Rolle spielte Ihre Tochter Elea (7), die vor einem Jahr eingeschult wurde?

Glatzel: Es war mir sehr wichtig, sie nicht um jeden Preis für eine vermeintlich bessere Karrierestation aus ihrem gewohnten Umfeld herauszureißen. Es hätte schon ein Verein kommen müssen, bei dem ich mir vom Gesamtpaket viel mehr versprochen hätte als beim HSV. Das war aber nicht der Fall.

Haben Sie Elea gefragt, ob sie sich einen Umzug vorstellen könnte?

Glatzel: (lacht) So konkret habe ich nicht mit ihr darüber gesprochen, aber sie hat mitbekommen, worum es für mich ging. Sie hat mich häufig angefleht, dass wir auf keinen Fall weggehen sollen.

Welche Gefühle hat das ausgelöst?

Glatzel: Ich fand ihre Reaktion wirklich süß, weiß sie aber auch einzuordnen. Sie ist erst sieben Jahre alt. Den einen Tag wünscht sie sich ein Meerschweinchen, den anderen ein Pferd (lacht). Wir haben uns als Familie auch für ihre Entwicklung in Hamburg entschieden.

Eleas Schule hat zwar auch noch kein Meerschweinchen bekommen, behält aber ihren wichtigsten ehrenamtlichen Sportlehrer.

Glatzel: Tatsächlich war ich im Rahmen einer Sportwoche als Fußballlehrer bei ihr an der Schule im Einsatz. Es war richtig cool, mit den Kids zu kicken. Auch bei Elternabenden bin ich aktiv und bringe mich ein. Das wird auch weiterhin so bleiben.

Glatzel über Übernachtungspartys seiner Töchter

Sie haben mit Ihrer Familie Ihren Lebensmittelpunkt in Eimsbüttel und sind dort verwurzelt. Wie viele euphorische Nachrichten haben Sie von Ihren Nachbarn erhalten?

Glatzel: Einige sind persönlich auf mich zugegangen und haben sich gefreut, dass wir als Familie in Hamburg bleiben und meine beiden Töchter Elea und Alicia (5) weiterhin an den Übernachtungspartys teilnehmen. So eine Gemeinschaft hatte ich in meinen bisherigen Wohnorten noch nie erlebt. Die Reaktionen haben mich sehr berührt.

Schauen Sie mit Ihren Nachbarn die EM?

Glatzel: Das Gruppenspiel zwischen Deutschland und Ungarn habe ich zwei Häuser weiter geguckt. Aber auch bei den anderen Spielen kam immer mal jemand zu Besuch.

HSV-Stürmer Glatzel über den Aufstieg

Einer, der Deutschland aktuell bei der EM begeistert, ist Niclas Füllkrug. Vor drei Jahren hatte er in der Zweiten Liga für Bremen drei Tore weniger geschossen als Sie (19 zu 22 Saisontreffer). Inzwischen ist er fester Bestandteil der Nationalmannschaft. Wäre so ein Weg auch für Sie möglich gewesen?

Glatzel: Das denke ich schon. Wenn wir statt Bremen vor drei Jahren aufgestiegen wären, wer weiß, was dann auch für mich alles möglich gewesen wäre. Es wäre gelogen zu behaupten, dass ich darüber noch nie nachgedacht habe.

Da Sie ein Jahr jünger sind als Füllkrug, ist es vielleicht noch nicht zu spät.

Glatzel: Dafür müssen wir allerdings endlich aufsteigen.

Warum klappt es diesmal?

Glatzel: Weil wir gemeinsam mit unseren Fans, gerade in den Heimspielen, eine besondere Wucht entfachen können. Außerdem spüre ich schon wieder die Gier in der Mannschaft, es diesmal wirklich zu packen und in die Bundesliga zurückzukehren.

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