Hamburg. Schwere Vorwürfe gegen früheren HSV-Vorstand. Ein Verfahren wegen Titelmissbrauchs gegen Wüstefeld wurde eingestellt.
Wenige Tage vor einer zivilgerichtlichen Auseinandersetzung um die Insolvenz einer seiner Firmen steigt der Druck auf den Hamburger Unternehmer und als Finanzvorstand des HSV zurückgetretenen Thomas Wüstefeld. Wie Oberstaatsanwältin Liddy Oechtering dem Abendblatt bestätigte, habe die Staatsanwaltschaft offiziell Ermittlungen gegen Wüstefeld aufgenommen aufgrund der Anzeigen, die gegen ihn eingegangen waren. In beiden Fällen dauern die Recherchen an.
Im ersten Fall geht es um mutmaßlichen Betrug in einem besonders schweren Fall. Wüstefeld soll sich durch „Vorspiegelung falscher Tatsachen“ einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft haben, heißt es in der Anzeige, die der Hamburger Strafrechtler Otmar Kury für ein schleswig-holsteinisches Unternehmen eingereicht hatte. Die Firma hatte für 2000 PCR-Testgeräte 5,5 Millionen Euro Vorkasse geleistet. Wüstefeld soll gewusst haben, dass er diese Geräte des chinesischen Herstellers Egens Biotechnology überhaupt nicht liefern könne.
Thomas Wüstefeld: Ermittlungen gegen Ex-HSV-Vorstand
Wüstefeld sagte hingegen: Das Geld sei mit anderen Waren verrechnet worden. Es sei so, dass er finanzielle Forderungen gegenüber der Firma habe. Dem Abendblatt liegen Verträge, Rechnungen und Korrespondenz über dieses Geschäft vor. Auch Wüstefeld hatte Einsicht in seine Unterlagen gegeben, um seine Argumentation zu untermauern.
Der zweite Fall betrifft eine international renommierte Pharma-Firma. Sie wirft dem Hamburger Biotech-Unternehmer Untreue in einem besonders schweren Fall vor. Diese Firma hatte ein gemeinsames Unternehmen mit dem HSV-Anteilseigner betrieben. Dort war Wüstefeld zwischenzeitlich Geschäftsführer. Der Firmensitz war auch am Brandshofer Deich, wo unter anderem Wüstefelds Medsan residiert. Von dort wurde der Sitz inzwischen nach Bayern verlegt. Konkret wirft die Anzeige ihm vor, dass er Waren der gemeinsamen Firma in einem Nettobestellwert von rund 2,9 Millionen Euro an seine eigene Firma Medsan unter Marktwert verkauft habe. Dann habe er sie teurer weiterverkaufen wollen.
975.000 Euro an Firma, die HSV-Anteile hält
Zudem soll Wüstefeld als Geschäftsführer im Jahr 2021 einen Betrag von 975.000 Euro an die Firma CaLeJo überwiesen haben und weiterhin 70.000 und 300.000 Euro an die Wüstefeld-Firmen leafGlobal und Medsan – ohne, dass es dafür einen Grund oder eine Gegenleistung gegeben habe. Über CaLeJo kaufte Wüstefeld seine HSV-Anteile von Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne.
Die Vorwürfe auch in dieser Anzeige hat Wüstefeld bestritten und mit Kontoauszügen sowie weiteren Unterlagen dokumentiert. Die Zahlungen seien korrekt gewesen. Wüstefeld erklärte dem Abendblatt, er gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft in beiden Fällen die Ermittlungen einstellen werde.
Am Dienstag geht es in einem Zivilverfahren vor dem Hamburger Landgericht um eine Wüstefeld-Firma, die er nach eigenen Angaben in die „kontrollierte Insolvenz“ gebracht habe. An der bioTECgroup war auch ein prominenter niedersächsischer Unternehmer beteiligt, mit dem es nach Wüstefelds Angaben Streitigkeiten über die Expansionspläne gegeben habe. Der Kläger hat auf eine Abendblatt-Anfrage nicht reagiert. In einem Teil-Vorbehaltsurteil hat er jedoch bereits erwirkt, dass Wüstefeld ihm 275.000 Euro plus Zinsen zahlen muss, weil Wüstefeld gegen Klauseln aus dem Gesellschaftervertrag verstoßen haben soll. Wüstefeld spricht dagegen von „arglistiger Täuschung“.
Verfahren wegen Titelmissbrauchs eingestellt
Ins Leere lief offenbar eine Anzeige gegen Wüstefeld wegen Titelmissbrauchs. Das Verfahren sei ohne Aufnahme von Ermittlungen eingestellt worden, sagte Oberstaatsanwältin Oechtering. Woher sein Doktorgrad und der Professorentitel kamen, hatte Wüstefeld dem Abendblatt verschwiegen. Beim HSV hatte eine Kommission zur Aufklärung der Vorwürfe gegen den damaligen Finanzvorstand um „Belege“ gebeten. Thomas Wüstefeld trat am 29. September als Vorstand und Aufsichtsrat beim HSV zurück.