Hamburg. Durch die verdiente 2:3-Auswärtsniederlage hat die Mannschaft von Trainer Horst Hrubesch keine Chance mehr auf die Relegation.

Um 17.23 Uhr war es Gewissheit. Khaled Narey schaute gedankenverloren ins Leere, Torjäger Simon Terodde vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Enttäuschung pur beim HSV. Der Hamburger SV wird auch in der kommenden Saison in der Zweiten Liga bleiben. Nach dem 2:3 (1:1) gegen den Abstiegskandidaten VfL Osnabrück und dem parallelen 4:2 der Spielvereinigung Greuther Fürth beim SC Paderborn kann die Mannschaft von Trainer Horst Hrubesch am letzten Spieltag nicht mehr auf den Relegationsplatz vorrücken.

Die Treffer von Sturmtalent Robin Meißner (37.) und Kapitän Tim Leibold (81.) genügten nicht. "Wir haben es nicht verdient. Das müssen wir klar sagen. Wenn du so ein Spiel angehst, musst du einfach mehr leisten. Ich bleibe dabei. Du musst dir das verdienen. Wir haben noch einmal die Chance bekommen, nutzen sie aber nicht. Da müssen wir uns hinterfragen. Ich bin da auch noch nicht so ganz schlau. Das reicht so nicht", analysierte der 70-Jährige.

Hrubesch zählt seine Spieler öffentlich an

Hrubesch wirkte ernüchtert darüber, dass seine Spieler in so einem wichtigen Spiel nicht alles investiert haben. "Als Spieler wollte ich solche Spiele. Ich hatte heute nicht das Gefühl, dass wir es so wollten, wie man dieses Spiel spielen muss. Wir wussten, was auf uns zukommt, da müssen wir uns hinterfragen, ob das wirklich alles ist, was wir da gemacht haben", polterte das HSV-Idol.

Horst Hrubesch war enttäuscht von der Leistung seiner Mannschaft in Osnabrück.
Horst Hrubesch war enttäuscht von der Leistung seiner Mannschaft in Osnabrück. © Witters | Unbekannt

Fakt ist: Der HSV wird in ein viertes Zweitliga-Jahr gehen müssen. Daran wird sich auch Sportvorstand Jonas Boldt messen lassen müssen: "Wir haben uns nicht genug gewehrt gegen die Teams von unten. Da haben wir zu viele Punkte liegengelassen. Wir werden Luft holen und einen neuen Anlauf nehmen", sagte Boldt, dessen Analyse nicht nur das Kernproblem in dieser Saison, sondern das der vergangenen Spielzeiten widerspiegelt.

Boldt sieht seinen Job trotz des verpassten Aufstiegs nicht in Gefahr

Boldt selbst will ab Montag konkret in die Planungen für die neue Saison einsteigen. Der 39-Jährige geht davon aus, dass der erneut verpasste Abstieg keine Konsequenzen für seine Person hat. "Wenn wir über die Verantwortlichen sprechen, bin ich in erster Linie der Verantwortliche. Dem stelle ich mich. Ich habe einen sehr guten Austausch mit dem Aufsichtsrat und spüre die Rückendeckung. Dass es Leute gibt, die Schuldige suchen und Köpfe fordern, gehört dazu", sagte Boldt.

HSV-Sportvorstand Jonas Boldt wehrt sich gegen eine Diskussion um Trainer Daniel Thioune.
HSV-Sportvorstand Jonas Boldt geht auch nach dem verpassten Aufstieg davon aus, der Verantwortliche in Hamburg zu bleiben. © Witters | Unbekannt

Sportvorstand erwartet viel Hohn und Spott

In den kommenden Tagen erwartet der gebürtige Nürnberger einen Shitstorm, der über den HSV hinwegfegen wird. "In den sozialen Netzwerken wird es viele anonyme Leute geben, die sich deutschlandweit kaputtlachen. Das gehört dazu, aber ich spüre die Rückendeckung", sagte der Sportvorstand, der selbst noch ein Plädoyer für seine Arbeit abhielt.

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Unter seiner Leitung sei der HSV wieder zu einem Verein geworden, mit dem man sich identifizieren könne, bei dem wieder Ruhe eingekehrt sei. "Der HSV ist vom verpassten Aufstieg her abgesehen, keine Lachnummer. Da gibt es andere Vereine. Diesen Zuspruch bekommt man. Das ist die Motivation, weit vorne auf dem Schiff voranzugehen", erklärte Boldt.

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Hrubesch brachte Gyamerah für Vagnoman

Personell setzte Hoffnungsträger Hrubesch auf einen Großteil der Mannschaft, die am vergangenen Montag mit 5:2 gegen den 1. FC Nürnberg gewinnen konnte. Lediglich einen Wechsel musste der Interimstrainer vornehmen. Für den verletzten Josha Vagnoman (20), der wegen muskulärer Probleme passen musste, rückte Jan Gyamerah (25) in die Viererkette. "Es geht darum, auf dem Nürnberg-Spiel aufzubauen. Die Mannschaft weiß, was sie kann und wir wissen, was wir wollen. Wir wollen die Relegation erreichen, Osnabrück wird aber alles in die Waagschale werfen, um nicht abzusteigen", sagte Hrubesch vor der Partie.

Osnabrück mit 13 Heimspielen ohne Sieg

Die Vorzeichen waren für den HSV am vorletzten Spieltag eigentlich gar nicht so schlecht. Osnabrück ist die schlechteste Zweitliga-Mannschaft der Rückrunde, holte nur acht (!) von möglichen 45 Punkten und hatte vor dem Gastspiel des HSV die vergangenen 13 Heimspielen allesamt verloren. Doch davon war an der Bremer Brücke zunächst nur wenig zu sehen.

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Es entwickelte sich eine hektische und umkämpfte Partie. Die Hamburger taten sich schwer, Ruhe in ihr Spiel zu bekommen. Den ersten Abschluss hatte Osnabrücks Sebastian Kerk, der nach Vorarbeit von Kevin Wolze aus 15 Metern aber am Tor vorbeischoss. In der Folge hatten die Hamburger zwar mehr Ballbesitz, gegen kompakte Gastgeber fehlte es aber an Bewegung, Kreativität und Präzision im Passspiel. Es wirkte so, als wäre das Hrubesch-Team ein wenig überrascht gewesen, wie mutig und griffig die Osnabrücker auftraten.

Dreifach-Chance für den HSV in der ersten Hälfte

Seine erste Drangphase des HSV baute sich rund um die 20. Minute an. Erst scheiterten David Kinsombi und Amadou Onana mit Weitschüssen (19., 21.), ehe Toptorjäger Simon Terodde in der 23. Minute frei vor dem Tor an Keeper Philipp Kühn scheiterte. Nach dem Chancen-Dreierpack verflachte die Partie wieder ein wenig.

Der HSV schläfert sich selbst ein

Und irgendwie wirkte es so, als hätte sich der HSV selbst eingeschläfert. So wie in der 34. Minute, als zunächst Sonny Kittel einen katastrophalen Fehlpass im Aufbauspiel fabrizierte und Amadou Onana viel zu passiv gegen Flankengeber Wolze agierte. Dessen mustergültige Vorarbeit landete bei Christian Santos, der aus kurzer Distanz nur noch einköpfen musste.

Die Blicke von Moritz Heyer (l.) und Tim Leibold sprechen Bände. Der HSV bleibt auch in der neuen Saison ein Zweitligist.
Die Blicke von Moritz Heyer (l.) und Tim Leibold sprechen Bände. Der HSV bleibt auch in der neuen Saison ein Zweitligist. © Witters | Unbekannt

Meißner kontert Osnabrücker Führung umgehend

Ein Schock für das Hrubesch-Team, der aber nur kurz währte. Drei Minuten nach dem Rückstand fasste sich Shootingstar Robin Meißner ein Herz, und sorgte per Flachschuss aus 17 Metern für den Ausgleich. Bereits gegen Nürnberg hatte der Youngster bei seiner Startelfpremiere getroffen. Und Meißners zweites Zweitligator hauchte dem HSV wieder Leben ein. Erst scheiterte Kittel knapp per Distanzschuss (39.), ehe erneut Meißner für Furore sorgte. Nach starker Einzelleistung landete sein filigraner Heber am Außenpfosten. So gingen beide Mannschaften mit einem Remis in die Pause.

Onana muss in der zweiten Hälfte verletzt runter

In der Halbzeit reagierte Hrubesch und nahm den unauffälligen Jatta vom Platz und brachte Khaled Narey für den rechten Flügel. Unabhängig dieses Wechsels war von Beginn an viel Tempo in der Partie. Erst scheiterte Innenverteidiger Moritz Heyer in der 47. Minute aus 20 Metern an VfL-Keeper Kühn, im Gegenzug prüfte Ulrich Taffertshofer HSV-Torwart Ulreich, der stark reagierte. Im Anschluss an diese Situation mussten die Hamburger zum zweiten Mal wechseln. Onana hatte sich ohne gegnerische Einwirkung an den Adduktoren. Für den defensiven Mittelfeldspieler kam Gideon Jung.

Leibold-Treffer in der Schlussphase reicht nicht

Diese beiden Wechsel sorgten zunächst nicht dafür, dass sich mehr Sicherheit einstellte. Der HSV kämpfte zunehmend gegen die clever verteidigenden Osnabrücker, vor allem aber gegen die eigenen Nerven. Von Minute zu Minute häuften sich technische Fehler und Abstimmungsproblem. Und das wurde bestraft. Nach einem Ballverlust am gegnerischen Strafraum von Meißner schaltete Osnabrück blitzschnell um. Maurice Multhaup düpierte Heyer im Laufduell und schob überlegt zum 2:1 ein. HSV-Trainer Hrubesch nahm das konsterniert zur Kenntnis.

In der Folge stemmten sich die Hamburger gegen die Niederlage. Kittel traf das Außennetz (65.), Kapitän Tim Leibold und Meißner scheiterten per Doppelchance an VfL-Keeper Kühn (67.) und auch Jung fand seinen Meister im Keeper der Gastgeber. HSV-Trainer Hrubesch setzte in der Schlussphase noch einmal alles auf eine Karte. Mit Manuel Wintzheimer und Jeremy Dudziak, die für Gyamerah und Kinsombi kamen, brachte der 70-Jährige zwei frische Kräfte. Doch auch das brachte nichts.

VfL-Stürmer Heider sorgt für die Entscheidung

Der HSV hatte noch Glück, in der 80. Minute keinen Elfmeter gegen sich bekommen zu haben, nachdem Gideon Jung völlig unmotiviert seinen Gegenspieler zu Fall brachte. Doch Schiedsrichter Daniel Siebert entschied, dass das Foul außerhalb des Strafraums war.

Die Hamburger blieben am Leben, und erkämpften sich den Ausgleich. Kapitän Tim Leibold traf in der 81. Minute nach Flanke von Wintzheimer per Kopf aus fünf Metern zum 2:2. Hoffnung auf die Relegation? Mit Nichten! Praktisch im Gegenzug sorgte Marc Heider nach einem erneuten Patzer von Jung für das 3:2 für die Osnabrücker, die sich ihrerseits nun wieder Hoffnung auf den Klassenerhalt, und damit weiteren Duellen mit dem HSV machen dürfen.

Die Aufstellungen

  • Osnabrück: Kühn - Ajdini, Beermann, Trapp, Wolze - Multhaup (77., Engel), Reis, Taffertshofer, Amenyido (69., Heider) - Santos (88., Hennnig), Kerk (88., Blacha). - Trainer: Feldhoff 
  • HSV: Ulreich - Gyamerah (69., Dudziak), Leistner (79. Kwarteng), Heyer, Leibold - Kinsombi (69, Wintzheimer), Onana (50., Jung) - Jatta (46., Narey), Kittel - Terodde, Meißner. - Trainer: Hrubesch
  • Schiedsrichter: Daniel Siebert (Berlin)
  • Tore: 1:0 (34.) Santos, 1:1 (37.) Meißner, 2:1 (61.) Multhaup, 2:2 (81.) Leibold, 3:2 (84.) Haider.
  • Gelbe Karten: Wolze (7), Taffertshofer (5) -