Hamburg. Die Hamburger setzen sich nach 0:2-Rückstand gegen den Karlsruher SC erneut im Elfmeterschießen durch und träumen von Berlin.
Es war 21.11 Uhr, als der ausverkaufte Volkspark bebte. „Und im Tor steht …“, schrie Stadionsprecher Christian Stübinger – und ein Großteil der 25.000 Fans antworte dreimal lautstark: „Daniel! Heuer!! Fernandes!!!“ Zweimal hatte der Torhüter im Elfmeterschießen gegen den Karlsruher SC pariert – und damit den Volkspark in ein Tollhaus verwandelt. „Berlin, Berlin – wir fahren nach Berlin!“, hallte es wenig später durch die Arena. Tatsächlich: Nur noch ein Sieg trennt den HSV vom DFB-Pokal-Finale.
„Überragend, ich bin überglücklich“, sagte der umjubelte Torwart bei Sky. Und Robert Glatzel, mit zwei Toren der zweite Pokalheld dieses Abends, schwärmte: „Das sind Momente, für die man Fußball spielt. Es war wunderschön, dieses Spiel vor so vielen Fans zu gewinnen, nachdem wir zwei Jahre vor fast leeren Rängen gespielt haben.“
Knapp drei Stunden zuvor war es Neuzugang Giorgi Chakvetadze, der diesen denkwürdigen Fußballabend mit dem ersten Schuss des Tages nach nur 38 Sekunden initiierte. Nicht nur dem Georgier, der Faride Alidous angestammten Platz im linken Mittelfeld erhielt, war von Anfang an anzumerken, dass er sich etwas vorgenommen hatte.
HSV postiert gegen KSC die Mauer schlecht
Doch obwohl die Anfangsphase dieses unterhaltsamen Pokalabends eindeutig der HSV-Offensive gehörte, war es Hamburgs Defensivchef Sebastian Schonlau, der Mitte der ersten Halbzeit den größten Jubel nach einer Benedikt-Höwedes-Gedächtnis-Grätsche in allerletzter Sekunde gegen den einschussbereiten Benjamin Goller entfachte. Für die Badener eine Art Weckruf.
Der Tabellenneunte der Zweiten Liga entschied sich ganz frech, nun auch selbst am Spielgeschehen teilzunehmen. Einen Schuss von Kyoung-Rok Choi konnte HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes noch in größter Not entschärfen (21.). Doch als Rechtsverteidiger Jan Gyamerah, der gegenüber Moritz Heyer den Vorzug erhielt, einen Freistoß in bester Marcelo-Díaz-Tomorrow-my-friend-Position verursachte, rückte Heuer Fernandes erneut in den Mittelpunkt. Zunächst, weil der zuletzt so bärenstarke Torhüter die Mauer zur Überraschung aller doch sehr zentral positionierte. Und dann, weil der Deutschportugiese auch bei Philip Heises Schuss ins KSC-Glück keine optimale Figur abgab.
HSV-Profis in der Einzelkritik:
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„So soll er natürlich nicht rein“, kritisierte Sportdirektor Michael Mutzel in der Halbzeit bei Sky deutlich. „Vielleicht waren wir zu sehr auf Marvin Wanitzek (der neben Torschütze Heise schussbereit stand, die Red.) eingestellt. Das ist megaunglücklich.“ Der unmissverständliche Appell des früheren Karlsruhers nach 45 Minuten: „Wir müssen uns klar steigern, ansonsten wird das schwierig.“
Wirklich zugehört schienen die HSV-Profis aber nicht zu haben. So dauerte es gerade einmal fünf Minuten, ehe erneut Hamburgs Torhüter Heuer Fernandes ins Zentrum des Geschehens rückte. Weil er Wanitzeks Schuss lediglich frontal nach vorne abwehren konnte, brauchte sich KSC-Torjäger Philipp Hofmann nur noch artig bedanken. 0:2 nach 50 Minuten – war es das schon?
Nein! Die Antwort des HSV ließ nicht einmal zwei Minuten auf sich warten. Der starke Chakvetadze zirkelte den Ball sehenswert und punktgenau auf Stürmer Glatzel, der nicht weniger sehenswert und punktgenau über Karlsruhes Torhüter Marius Gersbeck zum 2:1 einköpfte (52.). Was schon zuvor ein sehr sehenswerter Kick war, entwickelte sich spätestens jetzt zu einem hochemotionalen Pokalkrimi.
Elfmeter und Platzverweis – Zwayer bringt KSC gegen sich auf
Plötzlich in der Hauptrolle: Schiedsrichter Felix Zwayer. Der Unparteiische, der sich nach Bayern Münchens umstrittenen 3:2-Sieg gegen Borussia Dortmund im Dezember eine mehrmonatige Auszeit verordnet hatte, entschied in der 68. Minute nach einem Foulspiel von Christoph Kobald gegen Glatzel zur Freude des entfesselten Publikums auf Strafstoß. Doch es dauerte noch einmal vier quälend lange Minuten und ein sehr genaues Videostudium an der Seitenlinie, ehe Zwayer seine eigene Entscheidung bestätigte – und darüber hinaus auch noch Kobald mit Gelb-Rot vom Platz schickte. Sonny Kittel trat schließlich aus elf Metern an – und scheiterte an Gersbeck (72.).
Es entwickelte sich eine packende Schlussphase, in der zehn Karlsruher die knappe Führung gegen zehn Hamburger und den über sich hinauswachsenden Bakery Jatta verteidigten. Doch dieser Jatta war in dieser Schlussphase nicht zu verteidigen. Und so war es auch kein Zufall, dass es seine Hereingabe war, die Top-Torjäger Glatzel bereits in der Nachspielzeit zum umjubelten 2:2 ins Tor spitzelte (90.+1). Was für ein Tor! Was für ein Spiel!
Heuer Fernandes hält zwei Elfmeter
Verlängerung. Durchatmen. In Halbzeit eins des Sonderzuschlags war es erneut Kittel, der ein fast schon sicheres Tor verpasste (104.). In Halbzeit zwei passierte nicht viel vor den Toren. Die Folge: Elfmeterschießen. Schon wieder.
In Nürnberg setzte sich der HSV aus elf Metern mit 4:2 durch. In Köln reichte ein 4:3. Und diesmal? HSV-Kapitän Schonlau verschießt, doch Heuer Fernandes hält Wanitzeks und van Rhijns Schüsse, ehe O'Shaughnessy seinen an den Pfosten setzte. Der Rest: Nur noch Jubel. „Ich liebe solche Momente, solche Pokalabende in diesem Stadion. Gern mehr davon!“, sagte Heuer Fernandes. Das könnte er haben.
Der Sieg entlastet die Hamburger finanziell enorm. Neben der offiziellen DFB-Prämie in Höhe von 2,008 Millionen Euro können sie mit zusätzlichen Ticketing-Einnahmen von knapp einer Million Euro rechnen. Hinzu kommen Prämienzahlungen der Sponsoren.
DFB-Pokal: Laura Nolte lost Halbfinale aus
Stadtrivale FC St. Pauli war am Dienstag durch eine unglückliche 1:2-Niederlage beim 1. FC Union Berlin ausgeschieden. Im Halbfinale steht auch RB Leipzig, das sich bei Hannover 96 klar 4:0 durchsetzte. Als letzte Mannschaft hat der SC Freiburg in das Halbfinale des DFB-Pokals erreicht. Die Breisgauer gewannen am Mittwochabend beim VfL Bochum mit 2:1 (1:1, 0:0) nach Verlängerung. Der SC steht zum zweiten Mal nach 2013 in der Vorschlussrunde.
Die Auslosung nimmt am Sonntag (19.15 Uhr/ARD) Bob-Olympiasiegerin Laura Nolte vor. Ziehungsleiter ist Bundestrainer Hansi Flick, wie der Deutsche Fußball-Bund mitteilte.
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Das Halbfinale der Männer wird am 19. und 20. April ausgetragen, das der Frauen am 17. und 18. April. Das Männer-Finale findet am 21. Mai in Berlin statt, die Frauen spielen am 28. Mai in Köln um den Pokal.