Hamburg. Später Treffer entscheidet das Spiel. HSV-Kapitän fliegt nach Tätlichkeit. Schultz spricht von “guter alter St.-Pauli-Taktik“.

Derbyheld Daniel-Kofi Kyereh hat den HSV fulminant in die Krise gestürzt. Mit seinem krachenden Schuss ins Glück in der 88. Minute besiegelte Kyereh am Montag den 1:0 (0:0)-Prestigesieg des FC St. Pauli im 105. Hamburger Stadtduell und zugleich eine schmachvolle Niederlage des strauchelnden Aufstiegsfavoriten in der Zweiten Bundesliga.

Der HSV rutschte auf Tabellenplatz vier ab und ist seit vier Spielen ohne Sieg – die Schwächephase kommt zur Unzeit. Die Kiezkicker sind dagegen das Team der Stunde und haben sieben der vergangenen acht Partien gewonnen. St. Pauli hat in der Rückrunde bislang neun Punkte mehr geholt als der ungeliebte Nachbar.

Thioune über Leibold-Rot: "Überflüssig"

HSV-Profi Tim Leibold sah wegen einer Tätlichkeit aus Frust die Rote Karte (90.+5) – der Kapitän fehlt damit im nächsten Derby am kommenden Montag gegen Holstein Kiel. "Ich werde heute Nacht kein Auge zumachen", sagte Leibold nach Spielschluss, während sich auch sein Trainer Daniel Thioune über den "unnötigen und überflüssigen" Platzverweis ärgerte. "Das brauchen wir nicht. Aber wir brauchen Tim Leibold", sagte Thioune.

"Die Enttäuschung ist groß", erklärte der 46-Jährige nach dem fatalen "Punch" durch Kyereh kurz vor Schluss: "Der Moment fühlt sich ziemlich beschissen an."

St. Pauli will "Corona-konform" feiern

"Die zweite Halbzeit war wild mit vielen Fouls und Nicklichkeiten", befand Matchwinner Kyereh, der sich ob des Endes ansonsten aber in erster Linie "überglücklich" zeigte. "Das haben wir uns alle zu Hundert Prozent verdient", sagte Kyereh bei Sky. "Das war die gute alte St.-Pauli-Taktik: Das entscheidende Tor nicht zu früh schießen", sagte Trainer Timo Schultz angesichts der späten Glücksgefühle.

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Dass die Bestätigung der inoffiziellen Stadtmeisterschaft auch "ein, zwei Bierchen" zur Folge haben würde, bekannte Teamkollege Philipp Ziereis, der Rot gefährdet schon früh ausgewechselt wurde (21.). "Wir werden uns was einfallen lassen und schon was machen", kündigte der Abwehrmann nach dem Spiel am Sky-Mikrofon an, beschwichtigte dabei aber: "Alles Corona-konform natürlich."

Aytekin nimmt Elfmeter für St. Pauli zurück

Tempo, Zweikämpfe, Chancen auf beiden Seiten: Das erste Hamburger Derby ohne Fans besaß tatsächlich alle Zutaten eines mitreißenden Lokalduells. Dem HSV gehörte die Anfangsphase, doch dann kam St. Pauli mit mächtig Wucht auf und war in der ersten Halbzeit der Führung näher.

Auch im zweiten Durchgang suchten beide Teams den Weg nach vorne. Die strittigste Szene ereignete sich in der 55. Spielminute, als Schiedsrichter Deniz Aytekin einen Elfmeter für St. Pauli nach Ansicht der Videobilder zurücknahm.

Feuerwerk von Fans und Sonny Kittel

Das Spiel begann mit einem beeindruckenden Feuerwerk der Fans rund ums Stadion und einem Knaller von HSV-Profi Sonny Kittel. Der Offensivmann donnerte den Ball bei einem Freistoß aus rund 35 Metern gegen die Latte. Das Spitzenteam deutete vor allem zu Beginn seine Klasse an und besaß durch Gideon Jung noch eine große Kopfballchance – erneut nach einem Kittel-Freistoß (21.).

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Dann beeindruckte St. Pauli aber mit Vehemenz und Variabilität im Angriffsspiel. Erst versuchte es Rodrigo Zalazar aus der Distanz (17.), später erarbeiteten sich Torjäger Guido Burgstaller (23.) und Omar Marmoush (28., 29.) immer wieder gefährliche Situationen.

HSV: Terodde-Tor wird aberkannt

Auch im zweiten Durchgang stand HSV-Keeper Sven Ulreich weiter im Mittelpunkt. Der zuletzt schon kritisierte Keeper ließ eine Flanke abprallen, was Gideon Jung zu einem gefährlichen Einsteigen gegen St. Paulis Sebastian Olsson verleitete, doch Aytekin reichte der Kontakt offenbar nicht für einen Strafstoß.

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Neun Minuten später jubelte Simon Terodde – der Angreifer der „Rothosen“ hatte vor seinem Linksschuss den Ball aber mit der Hand gespielt. Am Ende war es Kyereh, der Ulreich mit seinem Schuss aus zwölf Metern keine Chance ließ.

Die Statistik:

  • St. Pauli: Stojanovic – Ohlsson, Ziereis (28. Reginiussen), Lawrence, Paqarada (78. Buballa) – Benatelli – Becker (87. Zander), Zalazar – Kyereh – Burgstaller, Marmoush (87. Matanovic). Trainer: Timo Schultz
  • HSV: Ulreich – Vagnoman, Ambrosius, Jung (59. van Drongelen), Leibold – Heyer (90.+1 Meißner) – Kinsombi (90.+1 Narey), Dudziak (86. Wood) – Jatta (86. Wintzheimer), Terodde, Kittel. Trainer: Daniel Thioune
  • Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)
  • Tore: 1:0 Kyereh (88.)
  • Gelbe Karten: Ziereis, Marmoush, Reginiussen, Benatelli – Jung
  • Rote Karte: – Leibold (90.+4/Tätlichkeit)