Hamburg. Am Mittwoch tagte das neue HSV-Präsidium. Nun soll der Aufsichtsrat schnellstens reformiert werden. Das sind Jansens Pläne.
Es ist nicht einmal drei Wochen her, da stand Marcell Jansen da, wo er in seinen sechs Jahren als HSV-Profi so oft gestanden hatte. Auf dem heiligen Rasen des Volksparkstadions, genau vor der Nordtribüne. Zuletzt war er genau hier vor etwas mehr als sechs Jahren frenetisch gefeiert worden. Jansen hatte gerade das zwischenzeitliche 2:0 gegen Hannover 96 erzielt, am Ende gewann der HSV 2:1. Dreimal schrie der Stadionsprecher „Marcell“ und die Fans antworteten mit einem langgezogenen „Jaaaaansen“.
Vor 18 Tagen waren keine Fans da, die „Jaaaaansen“ schrien. Der mittlerweile 35-Jährige sah aber ähnlich erschöpft aus wie damals nach dem Spiel gegen Hannover, als er gesagt hatte, dass seine Mannschaft das Quäntchen Glück hatte, das man auch mal braucht. Auch am Sonnabend vor knapp drei Wochen hatten Jansen und seine Präsidiumsmannschaft das Quäntchen Glück, das man mal braucht. Er, Bernd Wehmeyer und Michael Papenfuß waren gerade von den Mitgliedern als neues HSV-Präsidium gewählt worden.
„Ich bin total stolz und happy, weiter für diese HSV-Familie aktiv sein zu dürfen“, sagte also Jansen, diesmal im blauen Jackett und hellblauen Poloshirt statt wie vor sechs Jahren im weißen Trikot. Jansen sprach über sein neues, altes Amt, seine Pläne und auch über die Möglichkeit, den Aufsichtsrat schon bald neu zu besetzen: „Wir haben jetzt einiges zu tun.“
Jansen holt Ex-Capo in HSV-Aufsichtsrat
Knapp drei Wochen später wird zunehmend klar, was Jansen damit meinte. Am Mittwochmittag traf sich das neu gewählte HSV-Präsidium im Volkspark zu einer ersten Sitzung und besprach die mittelfristigen Pläne. Nach Abendblatt-Informationen soll bereits zeitnahe der zuletzt fünfköpfige AG-Aufsichtsrat um zwei Kontrolleure erweitert werden: Michael Papenfuß, Schatzmeister vom e.V.-Präsidium, und Henrik Köncke, den Vorsänger der mittlerweile aufgelösten Ultra-Gruppierung Poptown. Dabei dürfte besonders die bevorstehende Nominierung von Ex-Capo Köncke auf großes Interesse stoßen.
Jansen hatte Köncke, der als Manager in einem Hamburger Traditionsunternehmen arbeitet, bereits im Winter als Neubesetzung für den Aufsichtsrat im Auge, um vor allem den Bereich der Fankultur zu stärken. Damals zerstritten sich allerdings Jansen und seine ehemaligen Vize-Präsidenten Thomas Schulz und Moritz Schaefer über die Reform des Gremiums, sodass am Ende nur ein kollektiver Rücktritt und Neuwahlen blieben.
Nun also Versuch Nummer zwei. Jansen hält viel von Köncke, den er bereits seit Jahren kennt. Und auch Markus Frömming, der mit Jansen zusammen den Strategieausschuss innerhalb des Aufsichtsrats bildet, hat Köncke bereits kennen und schätzen gelernt. Ihre gemeinsame Einschätzung: Der frühere Fanvorsänger könnte sehr viel mehr Input in das neue Kontrollgremium bringen als nur Fan-relevante Themen.
Was Köncke beim HSV verändern will
Vor vier Monaten hat Köncke in einem ausführlichen Abendblatt-Interview bereits gesagt: „Es geht darum, dass die HSV-Fans ein Gehör finden und an der Entwicklung des HSV partizipieren. Der HSV muss die Chancen erkennen, die beispielsweise in Diversität, Transparenz, gesellschaftlicher Verantwortung, Nachhaltigkeit und Zusammenhalt liegen. Auch der Umgang mit Investorenmodellen, der Rechtsform und vieles mehr ist wichtig.“
Auf die Nachfrage, ob er weiterhin ein Mandat im Aufsichtsrat als Vertreter der aktiven Fanszene anstrebe, antwortete der 30-Jährige: „Nach meinem Verständnis bleiben alle Gespräche, die geführt wurden, vertraulich. Aber wenn ich nach vorne gucke, dann kann ich schon sagen, dass ich es begrüßen würde, wenn die Interessen und auch die Kompetenzen der Fans im Aufsichtsrat berücksichtigt werden.“
Scheitert Köncke-Wahl am HSV-Beirat?
Noch bedarf es aber weiterer vertraulicher Gespräche, um auch Nägel mit Köpfen zu machen. Das Prozedere: Nach der Präsidiumssitzung soll zeitnahe erneut mit Köncke gesprochen werden. Anschließend soll eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen werden, auf der dann Köncke und Papenfuß als neue Aufsichtsräte gewählt werden. Formal muss eine 30-Tage-Frist eingehalten werden. Zudem müssen beide Kandidaten vom Beirat bestätigt werden.
Im Fall von Papenfuß, der bereits bei der Präsidiumswahl geprüft wurde, sollte das kein Problem werden. Bei Köncke ist der Ausgang einer solchen Prüfung offen, obwohl sich der Beirat nach dem Debakel vor den Präsidiumswahlen genau überlegen dürfte, ob er erneut einen Kandidaten durchfallen lässt. Sollte alles nach Plan verlaufen, könnte Ende September oder Anfang Oktober die erste Aufsichtsratssitzung mit dem neuen Kontrollgremium stattfinden.
HSV-Aufsichtsrat wird sich weiter verändern
Damit wäre allerdings erst der Anfang gemacht. Denn bereits im Winter, wenn die ordentliche Hauptversammlung ansteht, soll es nach Abendblatt-Informationen weitere Veränderungen im Gremium geben. Noch immer gilt Banker Hans-Walter Peters von der Berenberg Bank als Wunschkandidat, zudem gibt es weiter Bestrebungen, auch eine Frau als Verstärkung zu verpflichten.
Kathrin Menges, die bereits beim Ausrüster Adidas im Aufsichtsrat sitzt, soll weiterhin eine Überlegung sein. Im vergangenen Winter hatte Ex-Vize Schaefer sie vorgeschlagen. Und obwohl sich Jansen und Schaefer zerstritten, soll Jansen von Menges viel halten und offen für einen zweiten Versuch sein. Zur Disposition sollen Michael Krall und Felix Goedhart stehen, deren Mandate ohnehin im kommenden Jahr auslaufen.
Stellt der HSV den Vorstand neu auf?
Jansen will Tempo machen – da mit einem neuen Aufsichtsrat auch wichtige Personalentscheidungen im Vorstand angegangen werden müssen. So läuft der Vertrag von Finanzvorstand Frank Wettstein bereits im kommenden Jahr aus, eine Verlängerung gilt als völlig offen. Der Vertrag von Sportvorstand Jonas Boldt läuft noch bis 2023.
Zudem gibt es auch weiterhin Überlegungen, einen dritten Vorstand zu verpflichten. Zur Erinnerung: Mit Ex-Sky-Chef Carsten Schmidt, der mittlerweile Vorsitzender der Geschäftsführung bei Hertha BSC ist, hatte man nach der Beurlaubung von Bernd Hoffmann im März 2000 bereits Gespräche geführt.
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Nun soll zunächst einmal der Aufsichtsrat reformiert werden, ehe auch der Rest des HSV neu aufgestellt wird. „Wir haben noch viel vor uns“, sagte Jansen vor knapp drei Wochen am Ende eines langen Tages.