Hamburg. Drei Freunde vom HSV Hamburg haben ein eigenes Label gegründet –und befinden sich damit in bester Gesellschaft. Die Hintergründe.
Im vergangenen Herbst gab es diesen kurzen Moment des Zweifels. War das wirklich eine gute Idee? Ein eigenes Modelabel gründen? T-Shirts, Pullover, Hoodies und Kappen entwerfen – und dann auch noch verkaufen? Obwohl sie „von dem ganzen Quatsch überhaupt keine Ahnung hatten“, wie Jan Kleineidam heute sagt, hat es der 22 Jahre alte Rückraumspieler vom HSV Hamburg (HSVH) gemeinsam mit seinem Kumpel und Mitspieler Leif Tissier (21) sowie Jari Brüggmann (25), der sich als Leiter Digital & Medien eigentlich um die Social-Media-Präsenz des Handball-Zweitligisten kümmert, einfach durchgezogen.
Als der Onlineshop „Überzieher-Atelier“ am vergangenen Sonntag schließlich per Mausklick online ging, „saßen wir wie 13-Jährige vor dem Bildschirm und haben jede Aktivität auf der Seite verfolgt“, erzählt Tissier und lacht. Zum Lachen war den drei Freunden an jenem Herbsttag jedoch überhaupt nicht zumute. Es hätte eigentlich ein schöner Tag werden können – schließlich waren sie extra zum Hersteller gefahren, um die erste Testbestellung zu begutachten.
HSVH Talente enttäuscht über erste Exemplare
Voller Vorfreude saßen sie gemeinsam an einem großen Tisch – bis ein Mitarbeiter des Herstellers die ersten Kleidungsstücke wortlos auf die Tischfläche klatschte. „Als wir die ersten Exemplare gesehen haben, war erstmal Stille“, erinnert sich Tissier, „die sahen einfach überhaupt nicht gut aus.“ Das Logo, das Brüggmanns Freundin entworfen hatte, war viel zu groß – auch Stoff und Verarbeitung der einzelnen Stücke waren ein einziger Reinfall.
Rückblick: Als Tissier und Kleineidam, nachdem die erste Corona-Welle im Frühjahr gebrochen war, mit dem HSVH wieder ins Training eingestiegen waren, liefen sie auf der HSVH-Geschäftsstelle Jari Brüggmann über den Weg. Der hatte sich während des Lockdowns einen Pullover mit dem Schriftzug „Überzieher“ bedrucken lassen. Spontan, als Gag. „Wir haben den Pulli von Jari gesehen und wollten dann auch einen haben“, erinnert sich Kleineidam, „dann haben wir uns irgendwann gesagt: Lasst uns das doch richtig machen.“
Kein Zeitdruck für Tissier, Kleineidam und Brüggmann
Ohne Zeitrahmen, ohne Businessplan, ohne jegliche Erfahrung in der Unternehmensgründung: In der Vox-Show „Höhle der Löwen“ wären die drei Freunde vermutlich komplett zerrissen worden. „Keiner von uns wusste, wie man ein Gewerbe anmeldet, was man beim Finanzamt alles beachten muss und wie so eine Gründung überhaupt funktioniert“, sagt Tissier. Doch genau diese Naivität, glauben sie, war ein Schlüssel zum Erfolg. „An manchen Tagen haben wir uns einfach um 18 Uhr getroffen, aber gar nicht über das Unternehmen gesprochen. Die Ideen entstanden dann einfach aus dem Spaß, den man zusammen hatte“, erklärt Tissier.
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Weil sie beim HSVH finanziell abgesichert seien, habe es keinen Zeitdruck gegeben. Zweifel am Projekt gab es deshalb kaum. „Wenn beim Gewerbeamt noch eine Angabe gefehlt hat, haben wir uns halt noch eine Woche mehr genommen“, sagt Tissier.
Brüggmann konnte Onlineshop übernehmen
Das finanzielle Risiko sei ebenfalls überschaubar gewesen. Weil sie sich keine externe Hilfe suchten, mussten sie bis heute lediglich einen niedrigen vierstelligen Betrag investieren, den Großteil davon für die einzelnen Testbestellungen.
„Wenn es nicht funktioniert hätte, hätten wir die bereits bestellten Klamotten einfach an Freunde und Bekannte verschenkt“, sagt Brüggmann, der den Onlineshop und die Social-Media-Präsenz des Labels als ausgebildeter Mediengestalter selbst übernehmen konnte. Tissier studiert an der Universität Hamburg BWL (6. Semester), Kleineidam ist ausgebildeter Versicherungskaufmann.
„Es war nie unser Ziel, damit viel Geld zu verdienen“
Die „Überzieher“, also T-Shirts, Pullover und Hoodies, sowie die „Kopfleger“ genannten Kappen beziehen sie von Stanley/Stella, einem auf Nachhaltigkeit ausgelegten Unternehmen aus Belgien. Weitere Produkte wie Boxershorts und Socken seien geplant, auch über Training- und Aufwärmshirts für Handballclubs denke man nach. „Wenn Leute bei uns bestellen, sind wir denen Qualität schuldig. Ansonsten sind wir niemandem verpflichtet“, sagt Kleineidam. Da der Hersteller auf umweltschädliche Flugzeugtransporte verzichtet, liege die Lieferzeit bei rund fünf Werktagen.
Die Resonanz, als der Shop am Sonntag online ging, habe sie überwältigt. „Es war cool zu sehen, wie viele Leute uns unterstützen. Nach einer Minute schon 60 Menschen auf der Seite“, erzählt Brüggemann. Am dritten Tag knackten sie bereits die Marke von 100 Bestellungen. „Es war nie unser Ziel, damit viel Geld zu verdienen“, sagt Tissier. Dennoch tue es mitunter gut, sich mit anderen Dingen als Handball beschäftigen zu können. „Fast jeder aus der Mannschaft macht irgendwas neben dem Handball. Die Ablenkung kann ganz angenehm sein“, erzählt Tissier.
Museum am Hamburger Hauptbahnhof von HSVH-Co-Trainer
So betreibt HSVH-Linksaußen Jonas Gertges (23) mit „OrigiFel“ seit April 2017 einen Onlineshop für Autoreifen und Felgen. Aus seinem 130 Quadratmeter großen Lager in Uetersen verschickt „Felge“ – wie ihn seine Mitspieler schnell tauften – neuwertige Reifen, Felgen und Kompletträder. Auch HSVH-Co-Trainer Blazenko Lackovic hat einen ungewöhnlichen Nebenjob: Mit seiner Frau Nikolina betreibt der Ex-Profi das „Museum der Illusionen“ am Hamburger Hauptbahnhof.
Teammanager Markus Groß arbeitet hauptberuflich als Polizist, Kapitän Lukas Ossenkopp als Co-Trainer in der HSVH-U-19 und auf der Geschäftsstelle des Hamburger Eis- und Rollsportverbands. Als Beruf betrachten Brüggmann, Kleineidam und Tissier das „Überzieher-Atelier“ aber noch nicht. „Es ist einfach ein cooles Hobby, das vielleicht irgendwann noch zum Beruf werden kann“, sagt Brüggmann.