Hamburg. Hamburger Zweitligist muss bis zum 1. März gleich zwei Lizenzanträge bei der HBL stellen. Zuversicht bei Suche nach neuem Hauptsponsor.

Als Torsten Jansen Ende Dezember zur WM-Pause die Losung „Ausruhen!“ ausgab, richtete sich der Appell des Cheftrainers des Handball Sport Vereins Hamburg (HSVH) an eine Mannschaft, die zum Jahreswechsel nach neun Siegen in Folge die Tabellenführung in der 2. Bundesliga und damit einen der beiden Aufstiegsplätze eingenommen hatte. Für Sebastian Frecke dagegen geht die Arbeit jetzt erst richtig los. Der Geschäftsführer der vereinseigenen HSM Handball Sport Management und Marketing GmbH muss bis zum 1. März bei der Handball-Bundesliga (HBL) gleich zwei Lizenzanträge stellen, für die Bundesliga und die Zweite Bundesliga. 

„Wir werden alles versuchen, um die sportliche Steilvorlage auch wirtschaftlich umzusetzen. Deswegen planen wir ab sofort zweigleisig“, sagt der 34-Jährige beim Gespräch mit dem Abendblatt in der Sporthalle Hamburg. Frecke trägt einen schwarzen Mund-Nasen-Schutz, aber seine Prognosen sind alles andere als dunkel. „Ich sehe für uns nicht schwarz, im Gegenteil. Der Verein steht zwar vor großen Herausforderungen, wir entwickeln uns aber in allen Bereichen äußerst positiv“, sagt er. Sein Team auf der Geschäftsstelle wird vom Präsidium um Präsident Marc Evermann und dem fünfköpfigen Aufsichtsrat nach Kräften und mit Kontakten unterstützt. Vorsitzender des Gremiums ist der Hotelier und Gastronom Christoph Sprenger. 

Auch in der 2. Bundesliga soll der Etat steigen

Ein Etat von vier Millionen Euro sei nach einem Aufstieg vonnöten, um konkurrenzfähig zu sein, glaubt Frecke. Das Budget wäre das Doppelte dessen, mit dem der Club in dieser Corona-Spielzeit in der Zweiten Liga wirtschaften muss. Frecke hält die Steigerung für machbar. Bei den zuletzt zehn Abschlüssen mit neuen Sponsoren hat er Erstligaklauseln mit entsprechend größerem finanziellen Volumen einfügen lassen. Zeit für weitere Geschäfte bleibt.

HSVH-Marketingchef Sebastian Frecke (34) muss bis zum 1. März die Lizenzunterlagen erstellen.
HSVH-Marketingchef Sebastian Frecke (34) muss bis zum 1. März die Lizenzunterlagen erstellen. © HA | Mark Sandten

„Am 1. März müssen wir der HBL noch keine unterschriebenen Verträge vorlegen, nur glaubwürdige Absichtserklärungen der Unternehmen“, sagt Frecke. Sollte der Klassensprung misslingen, plant der HSVH auch für die nächste Zweitligasaison höhere Personalausgaben. Der Etat soll dann zwischen 2,6 und 3,0 Millionen Euro liegen. In der vorigen, im März abgebrochenen Saison betrug er 2,5 Millionen.

HSVH hat Glück mit seinen Sponsoren und Fans

Dass in Zeiten wie diesen Sponsorengespräche erfolgreich sein können, hat auch Frecke überrascht: „Wir erfahren bei unserer Akquise momentan mehr Zustimmung als Ablehnung.“ Die hilft, den Verlust von  41 Partnern gegenüber der vergangenen Spielzeit etwas aufzufangen. 123 waren es noch im Frühjahr 2020, deren Leistungen (Barter-Geschäfte) oder Zahlungen sich auf rund 1,5 Millionen Euro summierten. Der Rückgang betrug in diesem Bereich zu Saisonbeginn mehr als 400.000 Euro, dazu kam der Ausfall privater Förderer und das Ausbleiben der Zuschauereinnahmen, rund eine Million Euro. Gesamtminus: 1,5 Millionen Euro.

Inzwischen hat sich die Lage etwas entspannt. Der Verein erwartet für diese Saison bis zu 800.000 Euro Corona-Hilfen der Bundesregierung für entgangene Eintrittsgelder. Die erste Hälfte wurde im Dezember überwiesen, die Auszahlung der zweiten Tranche wird der Verein im ersten Quartal 2021 beantragen. Neue Sponsoren, insgesamt sind es jetzt 92, und die Aufstockung bisheriger Engagements schlagen mit 180.000 Euro zu Buche.

„Wir kommen wahrscheinlich 2020/21 auf einen Etat von zwei Millionen Euro, eine halbe Million weniger als zuletzt“, sagt Frecke. „Hätten aber nicht 95 Prozent unserer Partner sowie mehr als 80 Prozent unserer Dauer- und Tageskartenbesitzer nach dem Ausfall von sechs Heimspielen in der vergangenen Serie auf eine anteilige Rückerstattung ihrer Ausgaben verzichtet, müssten wir uns jetzt über ganz andere Dinge Gedanken machen als über einen möglichen Erstliga-Aufstieg. Diese Solidarität erfüllt uns mit großer Dankbarkeit.“ 

HSV Hamburg gründet "Unterstützer-Club"

Die Kosten aber, etwa die Organisation der 18 Heimspiele, jetzt 400.000 statt zuvor 600.000 Euro, ließen sich trotz zwischenzeitlicher Kurzarbeit und dem Weggang der Spitzenverdiener Jens Schöngarth und Aaron Edvardsson nicht im erforderlichen Umfang senken. Um weitere Einnahmen zu generieren, hat Frecke mit seinem Marketingteam einen „Unterstützer-Club“ gegründet, der nach der Wiederzulassung von Zuschauern starten soll. In acht Kategorien können Privatpersonen oder Unternehmen für 249 bis 699 Euro Dienstleistungen des Vereins buchen, etwa Eintrittskarten, VIP-Tickets oder Auftritte der Mannschaft.

Auch bei der Suche nach einem neuen Hauptsponsor, der einen unteren sechsstelligen Betrag zahlt, bleibt Frecke optimistisch. Es gebe mehrere Kandidaten, sagt er. Selbst der alte, die MultiBank, die ihren Hauptsitz 2020 von Hongkong nach Dubai verlegte, sei an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert. Als Frecke im vergangenen Frühjahr über die Fortsetzung der 2018 begonnenen Kooperation verhandeln wollte, kam Corona.

HSVH baut multimediale Kommunikation aus

Nach einem Aufstieg wären auch steigende Zuschauereinnahmen zu erwarten. Der 2022 auslaufende Mietvertrag mit der Sporthalle Hamburg (Kapazität: 3570 Besucher) erlaubt dem HSVH, acht Heimspiele in anderen Arenen auszutragen, zum Beispiel in der Barclaycard Arena am Volkspark (13.200). In Liga zwei ist das zweimal gestattet. Zudem baut der Verein seine multimediale Kommunikation (Livestreams, Facebook, Instagram) aus. Bei den Heimspiel-Übertragungen von Sportdeutschland.tv geht der HSVH als einziger Club schon 45 Minuten vor Anwurf mit Interviews, Einspielungen und Platzierung seiner Sponsoren auf Sendung. Frecke: „Unser Ziel ist es, einen der professionellsten Live-streams der Zweiten Liga anzubieten.“

Bei der Sponsorensuche plant der Verein, künftig mit Basketball-Erstligist Hamburg Towers stärker zusammenzuarbeiten. „Wir sind beide der Ansicht, sportlicher Erfolg fördert die Einstellung Hamburger Unternehmen zum Leistungssport. Wir haben ohnehin ein unterschiedliches Klientel, sind keine direkten Konkurrenten, sondern verfolgen gemeinsame Ziele“, sagt Frecke. Bei der Erstellung eines Erstliga-Etats seien natürlich auch die Netzwerke der Stadt willkommen. Dass er derzeit bei potenziellen Sponsoren überhaupt Gehör finde, könnte zwei Gründe haben, mutmaßt der Vermarkter. Einerseits liefere diese Krise auch Gewinner, andererseits sei da die Geschichte des Vereins, und die ist vor dem Hintergrund der Vergangenheit eine Erfolgsstory. Damit können sich viele Firmen identifizieren.

Nachwuchsarbeit als Fundament des Aufstiegs

Als nach der Insolvenz der Spielbetriebsgesellschaft und des damit verbundenen Lizenzverlustes des damaligen Bundesligateams im Januar 2016 der HSV Hamburg einen Neubeginn startete, spielte die verbliebene Nachwuchsmannschaft in der viertklassigen Oberliga Hamburg/Schleswig-Holstein. Zwei Aufstiege später scheint das vor fünf Jahren ausgegebene strategische Ziel, die Rückkehr in die Bundesliga, plötzlich realistisch. Vereinspräsident Evermann betont jedoch: „Wir würden gern aufsteigen, müssen es aber nicht. Wirtschaftliche Solidität bleibt unser erstes Gebot.“ Vor der Saison sahen die sportlichen Planungen nur vor, Kontakt zu den führenden Teams der Liga zu halten.

Dass der Aufstieg mit eigenen Nachwuchskräften gelingen würde, ist ein dritter Aspekt des Plots. Leistungsträger wie Leif Tissier, Niklas Weller, Dominik Axmann, Marcel Kokoszka (alle seit 2015 im Verein), Jan Kleineidam (2012) oder Finn Wullenweber (2010) lernten Handball beim HSV, Trainer Torsten Jansen war seit Juli 2016 erst ihr Ausbilder, seit Ende März 2017 ist der Weltmeister von 2007 ihr Cheftrainer. „Es ist schön zu sehen, was wir mit Kontinuität erreicht haben“, sagt Vizepräsident Martin Schwalb, der sein Amt als Sportchef ruhen lässt, seit er im Februar 2020 Trainer der Rhein-Neckar Löwen wurde. „Der Weg des HSV Hamburg ist noch nicht zu Ende, er hat gerade erst begonnen.“