Hamburg. Der Trainer empfängt mit dem HSV Hamburg seinen alten Weggefährten Florian Kehrmann mit dem TBV Lemgo in der Handball-Bundesliga
Auf die Frage, wann er Florian Kehrmann das letzte Mal gesehen habe, muss Torsten Jansen nicht lange überlegen. „Jetzt gerade sehe ich ihn“, sagt der Trainer des HSV Hamburg (HSVH), als ihn das Abendblatt am Freitagmittag zufällig während einer Videoschalte aller Bundesligatrainer am Telefon erreicht.
Wenn Kehrmann mit seinem TBV Lemgo-Lippe an diesem Sonnabend (18.30 Uhr/Sky) in Hamburg antritt, ist es nicht nur das Gastspiel des Tabellensechsten beim achtplatzierten Aufsteiger. Es ist auch das Duell zweier Freunde, die sich in der D-Jugend das erste Mal begegneten, 2007 gemeinsam Weltmeister wurden und mittlerweile zu den spannendsten Trainern der Handball-Bundesliga zählen.
Handball: Jansen und Kehrmann kennen sich seit 1988
Es war vermutlich im Jahr 1988, irgendwo in Westdeutschland – so genau wissen das beide nicht mehr – als Linksaußen Jansen und Rechtsaußen Kehrmann sich bei einem Jugendspiel zum ersten Mal gegenüberstanden. Ein paar Jahre später wechselten beide gemeinsam in die A-Jugend von TuSEM Essen. „Wir haben die restliche Jugendzeit und die ersten Herrenspiele miteinander erlebt. Das war eine schöne Zeit“, erinnert sich Kehrmann zurück.
Alles war ein bisschen spartanischer, der Handball nicht so professionell wie heute. „Als wir in den Ferien ein Trainingslager in Essen hatten, haben wir bei Bob Hanning im Büro übernachtet. Das war damals so üblich“, berichtet Jansen. Hanning, heute Geschäftsführer der Füchse Berlin, war damals A-Jugendtrainer in Essen. Der ehemalige DHB-Vizepräsident gilt als Entdecker der beiden Außenspieler. Als Hanning 1995 Trainer bei Bundesligist SG Solingen wurde, nahm er Jansen und Kehrmann kurzerhand mit.
„Wir haben uns auf dem Spielfeld blind verstanden"
„Er war ein super Mitspieler, wir haben uns auf dem Spielfeld blind verstanden. Auch außerhalb der Halle haben wir die eine oder andere Feier zusammen absolviert“, sagt Jansen über Kehrmann und lacht. Nach vier Jahren in Solingen gingen die Wege auseinander, als Kehrmann ein Angebot des TBV Lemgo bekam. „Wir haben uns dann getrennt, weil ich nach Lemgo gegangen bin und Toto später auch von Solingen nach Nordhorn gewechselt ist. Später haben wir uns dann in der Nationalmannschaft wiedergetroffen, häufig das Zimmer geteilt“, erzählt Kehrmann.
Als beide im Jahr 2007 unter Ex-Bundestrainer Heiner Brand die WM im eigenen Land gewannen, war Jansen bereits Spieler des HSV Handball, Kehrmann in Lemgo längst Publikumsliebling. Beide zählten zu den besten Außenspielern der Welt.
Jansen und Kehrmann beide geehrt
Auch nach dem Karriereende bewegten sich die heute 44-Jährigen beinahe im Gleichschritt weiter. Kehrmann wurde zunächst A-Jugendtrainer in Lemgo, Jansen wenig später in Hamburg. Nach der Beurlaubung des damaligen Lemgoer Profitrainers Niels Pfannenschmidt übernahm Kehrmann im Dezember 2014 die Bundesligamannschaft des TBV, Jansen folgte im März 2017 beim HSVH auf den entlassenen Jens Häusler. „Ich verfolge Totos Werdegang, in Hamburg wird wieder richtig etwas aufgebaut. Deshalb ist es für mich auch nicht überraschend, dass sie da stehen, wo sie momentan stehen“, sagt Kehrmann.
Im vergangenen Sommer wurde Jansen nach dem Aufstieg mit dem HSVH als bester Trainer der Zweit-, Kehrmann nach dem Pokalsieg als bester Trainer der Erstligasaison geehrt. Dass sie Teil einer neuen Trainergeneration in der Bundesliga sind, interessiert beide nicht. „Es ist ein ganz normaler Entwicklungsprozess, dass neue Trainer nachkommen. Es gibt auch bei Trainern nicht jung oder alt, sondern nur gut oder schlecht“, sagt Kehrmann.
Beide Trainer suchen nicht das Rampenlicht
Wer sich mit beiden länger unterhält, versteht schnell, wie ähnlich die beiden Coaches denken. Beide gelten während des Spiels als leidenschaftlich, in der Ansprache an die Mannschaft aber als sehr ruhig und fokussiert. Nach außen mitunter zwar etwas wortkarg und argwöhnisch, stellen sich sowohl Jansen als auch Kehrmann aber bedingungslos vor ihre Mannschaft. „Toto war immer der intellektuelle Typ, der aber auch viel Feuer in sich hat, das er manchmal als Spieler rausgelassen hat. Er war sehr fleißig, hat vor allem innerlich gebrannt. Heute sieht das als Trainer ähnlich aus. Er versucht an der Seitenlinie sehr sachlich und ruhig zu agieren“, sagt Kehrmann.
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Aus dem Licht der Öffentlichkeit machen sich beide nichts. Wenn es der Bundesligaspielplan zulässt, spielt Kehrmann für die zweite Mannschaft des VfL Lüerdissen. Nicht Handball, sondern Fußball, Kreisliga B, Gruppe 1 Lemgo. Jansen tickt ähnlich, verbringt lieber Zeit mit seiner Familie, anstatt das Rampenlicht zu suchen. Und so machen beide auch relativ schnell klar, dass es an diesem Sonnabendabend nicht um alte Zeiten, sondern um zwei Punkte geht. „Das steht im Vordergrund“, sagt Kehrmann.
Die A-Jugend des HSVH empfängt bereits um 16 Uhr die Lemgoer A-Jugend in der Jugend-Bundesliga. Der Eintritt ist im Ticket für das Herrenspiel inbegriffen, die Sporthalle Hamburg öffnet bereits um 15.30 Uhr.