Hamburg. Hamburgs Bundesligahandballer schlagen Frisch Auf Göppingen, landen Big Point im Abstiegskampf. Mortensen wirft 13 Tore.
Es genügte ein kurzer Blick in die Gesichter der Protagonisten, um zu begreifen, wie wichtig dieser Handballabend für den HSV Hamburg (HSVH) war. „Ich bin kurz vor der Ohnmacht, kurz vor dem Kreislaufkollaps“, sagte Trainer Torsten Jansen mit bleichem Gesicht, als er kurz nach dem 33:31 (17:17)-Sieg über Frisch Auf Göppingen in den Katakomben der Sporthalle Hamburg stand. „Wir haben gekämpft wie Sau.“ Es war der erste Bundesligasieg seit dem 17. November für Hamburgs Handballer, die nicht nur zwei wichtige Punkte für den Abstiegskampf, sondern auch für die Moral erkämpften.
„Alle wissen, dass es zuletzt eine schwere Phase für uns war. Endlich haben wir uns belohnt“, sagte Linksaußen Casper Mortensen, der mit 13 Toren bester Werfer der Partie war. Kapitän Niklas Weller saß zu diesem Zeitpunkt völlig paralysiert mit dem Rücken am Torpfosten, schüttelte angesichts der körperlichen und mentalen Erschöpfung immer wieder den Kopf, während die 3750 Zuschauer in der ausverkauften Halle feierten.
Handball: HSVH-Profis enorm erleichtert nach dem Sieg
„Uns fällt eine riesige Last von den Schultern. Heute war es ein großes Kampfspiel mit allen Höhen und Tiefen. Man hat aber immer gesehen, dass diese Mannschaft lebt und das Herz auf der Platte lässt“, sagte auch Torhüter Johannes Bitter, dem zehn Paraden gelangen. Nach vielen schwachen Auftritten hatte Bitter in der vorletzten und letzten Minute zwei spielentscheidende Paraden gezeigt, nach der Schlusssirene kauerte der 41-Jährige voller Erleichterung auf dem Hallenboden. „Das war heute eine kleine Befreiung“, sagte Bitter strahlend.
Mortensen spielte zu diesem Zeitpunkt bereits mit seinem 14 Monate alten Sohn Carlo – und wirkte dabei gar nicht so bedrohlich wie noch in Jansens letzter Auszeit kurz vor Schluss. „Sieben Gladiatoren“, brüllte Mortensen seine Mitspieler an, gab so den Ton für die finalen Aktionen vor. „Ich habe gestern schon gesagt, dass ich heute die Rüstung anziehen werden. Wir brauchen momentan den Gladiator-Modus“, sagte Mortensen nach dem Spiel.
Jens Vortmann meldete sich zurück
Eine kleine Überraschung hatte es bereits vor dem Anwurf gegeben. Torhüter Jens Vortmann, der sich rund drei Wochen zuvor eine Meniskusverletzung zugezogen hatte, stand wieder im Kader. Der 36-Jährige hatte nach dem DHB-Pokal-Aus gegen die SG Flensburg-Handewitt (25:37) Anfang Februar über Instabilität im Knie geklagt, Trainer Jansen daraufhin eine längere Zwangspause befürchtet. Nun meldete sich der Keeper schneller zurück als erwartet.
Nach einer fehlerbehafteten Anfangsphase (3:5/10.) fand der HSVH Mitte der ersten Halbzeit ins Spiel – allerdings, das gehört auch zur Wahrheit, unter freundlicher Mithilfe der Gäste. Göppingen machte im Angriff zu viele Fehler, Hamburg im Gegenzug Tempo. Aus einem dieser Gegenstöße resultierte schnell der Ausgleich, Neuzugang Martin Risom erzielte sein erstes Tor im HSVH-Trikot. Vorwerfen mussten sich die Hamburger allerdings, dass aus diesem 5:1-Lauf (8:6/14.) kein 7:1- oder 8:1-Lauf wurde. Obwohl Göppingens Josip Sarac bereits in der 16. Minute nach einem rüden Foul an Leif Tissier Rot sah, konnten sich die Gastgeber nicht absetzen.
Bitter kam nur schleppend in die Partie
Während Frisch-Auf-Keeper Martin Sego immer wieder starke Paraden zeigte, kam HSVH-Torwart Johannes Bitter zunächst nicht richtig ins Spiel. Als Bitter kurz vor der Pause bereits Platz für Vortmann machen sollte, verlor der HSVH im Angriff den Ball, rannte Bitter zurück ins Tor, parierte den Gegenstoß und durfte doch bleiben.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit übernahm dann allerdings doch Vortmann, fügte sich auch gleich mit ein paar Paraden ein. Blöd nur, dass sich die Hamburger vorne weiterhin Fehlpässe, Schrittfehler und schwache Abschlüsse leisteten.
Leidenschaftliche Abwehrarbeit des HSV Hamburg
Insbesondere Kreisläufer Kresimir Kozina bekam der HSVH-Mittelblock nicht richtig in den Griff, der 105-Kilogramm-Bulldozer kämpfte sich immer wieder zu Abschlüssen durch. Zu allem Überfluss kassierte HSVH-Profi Tomislav Severec binnen acht Minuten zwei Zweiminutenstrafen, drohte bei einem weiteren Vergehen also, ebenfalls Rot zu sehen.
Eine Viertelstunde vor Schluss wechselte Jansen erneut auf der Torwartposition, Bitter durfte es noch mal versuchen. Es war ein harter Abnutzungskampf auf Augenhöhe, von Minute zu Minute stieg die Spannung in diesem Thriller, bei dem die Hamburger insbesondere in der Deckungsarbeit maximal leidenschaftlich agierten. Auch Göppingen ließ sich so immer wieder zu Fehlern hinreißen, das Spiel war nicht hochklassig, aber enorm spannend (29:29/55.).
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Die Vorentscheidung fiel erst in der Schlussminute, als Bitter einen freien Wurf von Marcel Schiller parierte, Mortensen daraufhin einen Siebenmeter zum 32:30 verwandelte. Sekunden vor Schluss sah Kozina noch Rot, weil er die Zeit stoppen wollte. „Es war ein krasses Spiel, endlich wurden wir mit zwei Punkten belohnt“, sagte Jansen.