Hamburg. Hamburger Bundesliga-Handballer stecken im Abstiegskampf fest. Bei der Niederlage in Erlangen offenbarten sich erneut die Schwächen.
Es war ein Wochenende, das sich Torsten Jansen anders vorgestellt hatte. Anstelle ein paar ruhiger Stunden mit seiner Frau Anke und den vier gemeinsamen Kindern ging es für den Cheftrainer des HSV Hamburg (HSVH) um die Aufarbeitung der bitteren, weil vermeidbaren 28:30-Pleite beim HC Erlangen am Freitagabend.
Schon während der mehr als 600 Kilometer weiten nächtlichen Heimfahrt im Mannschaftsbus dürfte Jansen mit der Analyse der 13. Saisonniederlage begonnen haben. Der bisher letzte Handball-Bundesligasieg liegt für die Hamburger mittlerweile mehr als drei Monate zurück, der Vorsprung auf die Abstiegszone beträgt nur einen Pluspunkt. „In der Kabine herrschte pure Enttäuschung“, sagte Spielmacher Leif Tissier. „Erlangen war nicht besser, sondern wir waren zu schlecht.“
Handball: HSV Hamburg hat mehrere Baustellen
Dabei offenbarten sich erneut drei zentrale Problemzonen, die dem HSVH in dieser Saison regelmäßig wichtige Punkte im Abstiegskampf kosten. Eine schwache Phase zum Start (Jansen: „Wie ein Murmeltier dahinvegetiert“), eine Nicht-Leistung der Torhüter und eine schwache Wurfquote. Aber der Reihe nach.
Am Freitag lagen die Hamburger bereits zum siebten Mal in dieser Saison nach einer schwachen Anfangsphase mit mindestens vier Toren zurück. Gegen Erlangen waren es sogar fünf Tore, nach rund acht Minuten stand es schon 1:6. „Man kann echt nicht glauben, wie beschissen wir in die Partie reinkommen“, klagte Trainer Jansen, dessen Team in dieser Saison viel zu häufig erst nach ein paar Backpfeifen aufzuwachen scheint. Das frühe Hinterherlaufen ist nicht nur ungünstig für den weiteren Spielverlauf, sondern beeinträchtigt offenbar auch das Selbstvertrauen der einzelnen Spieler.
Bitter und Vortmann im Ligavergleich auf den Rängen 35 und 36
Wobei wir bei Problem Nummer zwei sind: den alarmierenden Torhüterleistungen. Johannes Bitter kam gegen Erlangen in der ersten Halbzeit auf vier Paraden, in der zweiten auf keine einzige. „Ist das überhaupt eine zweistellige Quote?“, fragte Jansen rhetorisch? Ja, gerade so. Aber mit 11,76 Prozent gehaltenen Bällen konnte Bitter dem Team wieder mal nicht helfen. „Egal wie gut wir vorne spielen und hinten decken: Vier Torhüterparaden reichen einfach nicht“, sagte Jansen.
Es war bereits das zehnte Spiel in dieser Saison, in dem Bitter weniger als fünf Paraden zeigte. Mit einer Quote von durchschnittlich 23,32 Prozent liegt der 41-Jährige unter allen Bundesligatorhütern mit mindestens 60 Minuten Spielzeit auf Platz 35. Sein Gespannpartner Jens Vortmann, der mit einer Meniskusverletzung noch wochenlang ausfällt, liegt mit 22,49 Prozent sogar nur auf Platz 36. Schlechter ist in der Bundesliga nur Eisenachs Dominik Plaue (17,98 Prozent), der allerdings in Mateusz Kornecki (25,07 Prozent) und Matija Spikic (24,31 Prozent) zwei stabilere Teamkollegen hat.
Alexander Pinski erhält noch nicht das Vertrauen
Beim HSVH hingegen performt kein einziger Torhüter. Auch nicht Eigengewächs Alexander Pinski, das trotz des schwachen Bitter in Erlangen keine Chance erhielt, sich zu beweisen. Trainer Jansen traut dem 21-Jährigen offenbar noch nicht allzu viel zu. Besonders schwach ist Bitter in dieser Saison bei Siebenmetern, drei Paraden in 21 Saisonspielen (6,82 Prozent) sprechen Bände. Nur David Späth (eine Parade) von den Rhein-Neckar Löwen ist in diesem Bereich schlechter. „Wenn man auf der Torhüterposition nicht im Vorteil ist, wird es immer schwer“, sagte Jansen.
Das dritte große Problem betrifft den Angriff der Hamburger, die Abschlussqualität war am Freitag erneut indiskutabel. Zur Pause lag die Wurfquote bei unterirdischen 46 Prozent, am Ende immerhin bei 57 Prozent – was immer noch schwach war. Auch dieses Problem ist nicht neu, in elf von 21 Saisonspielen lag die Wurfquote des HSVH bei 60 Prozent oder niedriger (insgesamt bei 61 Prozent im Saisondurchschnitt).
17 technische Fehler des Gegners nicht ausreichend genutzt
Der schwache Angriff war am Freitag auch ein zentraler Grund, wieso die Gäste von 17 technischen Fehlern des Gegners – ein abenteuerlicher Wert – nicht profitieren konnten. Stattdessen warf man vorne selbst reihenweise Bälle weg, lief somit reihenweise in Tempogegenstöße.
„Hinten stehen wir eigentlich ganz gut, bekommen aber zu viele Tempotore. Das war einfach dämlich von uns“, sagte Tissier. „Das ist nicht der Anspruch, den wir an uns selbst haben.“ Auch sein Spielmacherkollege Dani Baijens resümierte enttäuscht: „Jedes Mal, wenn wir wieder auf ein Tor dran waren, machen wir wieder einen Fehlpass, werfen schlecht oder leisten uns einen Abwehrfehler.“
Zwei Siege aus den kommenden drei Spielen nötig
Bei den Angriffsfehlern ist insbesondere das Fehlen von Rückraumspieler Jacob Lassen offensichtlich, der Däne war bis zu seiner Meniskusverletzung (wahrscheinlich Saison-Aus) sowohl ein verlässlicher Schütze als auch kreativer Assistgeber. Ob der nachverpflichtete Martin Risom (29/KIF Kolding) Lassen adäquat ersetzen kann, ist fraglich.
Aus den Spielen gegen Frisch Auf Göppingen (Sonntag, 16.30 Uhr), bei den Rhein-Neckar Löwen (29. Februar) und bei der HSG Wetzlar (23. März) müssen wohl zwei Siege herausspringen, damit der HSVH nicht weiter abrutscht. Danach warten schließlich Partien gegen die MT Melsungen, Hannover-Burgdorf, den THW Kiel und den VfL Gummersbach – also vier Teams der Top Sieben.
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So richtig Hoffnung machte Jansen bei seiner Analyse nur, dass sich seine Mannschaft nicht ihrem Schicksal ergab, sondern es unaufhörlich weiter versuchte. „In Sachen Mentalität mache ich uns keinen Vorwurf, da waren wir voll da“, sagte auch Tissier. Aber Mentalität allein wird im Abstiegskampf nicht reichen.