Hamburg. Kreisläufer fällt mit Meniskus- und Kreuzbandverletzung lange aus. Wie Hamburgs Bundesligahandballer jetzt planen.
Sebastian Frecke hat noch ein Paar Kopfhörer im Ohr, als er am Freitagvormittag um kurz nach 10 Uhr die Geschäftsstelle des HSV Hamburg (HSVH) im Volkspark betritt. Nicht die Lieblingsplaylist, sondern ein wichtiges Telefonat kosten dem Geschäftsführer von Hamburgs Bundesligahandballern noch ein paar Minuten Zeit, ehe er sich dem Interview mit dem Abendblatt widmen kann. Die sportliche und personelle Lage ist derzeit angespannt, im Heimspiel gegen Tabellenschlusslicht HBW Balingen-Weilstetten benötigt der HSVH an diesem Sonnabend (20.30 Uhr/Dyn) in der Sporthalle Hamburg einen Sieg.
Handball: HSV Hamburg hat große Verletzungssorgen
Hamburger Abendblatt: Herr Frecke, wollen wir mit einem positiven oder negativen Thema beginnen?
Sebastian Frecke: Gibt es denn negative Themen? (lacht)
Die schwere Knieverletzung von Kreisläufer Andreas Magaard zum Beispiel…
Verletzungen gehören leider zu unserem Geschäft dazu. Dass es nach dem Kreuzbandriss von Dominik Axmann nun in so kurzer Zeit auch einen zweiten Leistungsträger erwischt hat, ist natürlich extrem ärgerlich. Es tut mir für die Jungs total leid und es ist natürlich auch sportlich ein echter Rückschlag für uns. Bei Andreas haben wir bis zuletzt auf gute Nachrichten gehofft, weil wir erst die Operation abwarten mussten, um genauer zu wissen, wie lange er ausfallen wird. Es hatte nicht nur der Außenmeniskus etwas abbekommen, sondern auch das Kreuzband musste repariert werden, weil Andreas schon einen Kreuzbandriss in dem betroffenen Knie hinter sich hat. Nun wissen wir sicher, dass er den Rest der Saison fehlen wird.
Niklas Weller ist derzeit der einzige etatmäßige Kreisläufer. Planen Sie eine Nachverpflichtung im Winter?
Wir wollten jetzt zunächst erstmal abwarten, wie die genaue Diagnose und Ausfallzeit sein wird. Offensiv sind wir im Rückraum trotz des Ausfalls von Axmann noch breit genug aufgestellt, defensiv ist die Belastung für Niklas Weller und Azat Valiullin derzeit aber besonders groß, weil sie im Mittelblock kaum eine Pause bekommen. Da Andreas in dieser Saison leider auch nicht mehr spielen kann, schauen wir uns jetzt um, um möglichst auf dem Transfermarkt noch mal tätig werden. Fakt ist aber auch, dass der Markt im Winter nicht einfach ist.
Im DHB-Pokal – um zu einem positiven Thema zu wechseln – sind Sie nur noch einen Sieg vom Final Four in Köln entfernt. Der Viertelfinalgegner ist dummerweise aber keine einfache Aufgabe…
Wir haben uns gefreut, dass wir zumindest ein Heimspiel haben. Klar ist aber auch, dass wir uns ein leichteres Los als die SG Flensburg-Handewitt gewünscht hätten. Zwei Dinge machen mich aber optimistisch. Zum einen wird sich Flensburg, gegen die wir in den vergangenen Jahren immer in der Barclays Arena gespielt haben, auf die kleinere, aber sehr stimmungsvolle Sporthalle Hamburg umstellen müssen. Und zum anderen könnte sich ein sehr großer Teil der Flensburger Mannschaft bis eine Woche vor dem Spiel noch bei der Europameisterschaft befinden. Vielleicht haben wir Glück und sie sind nach einer so kurzen Pause noch nicht wieder bei 100 Prozent.
Frecke: Abwesenheit von Dani Baijens war spürbar
In der Bundesliga haben Sie in den vergangenen Wochen mehrere bittere Niederlagen einstecken müssen. Führen Sie das vor allem auf Ihr Verletzungspech zurück?
Insgesamt haben wir zwei, drei Spiele knapp verloren, die wir in der vergangenen Saison noch knapp gewonnen haben. Das ist in dieser engen Liga nicht überraschend. Als Dani Baijens am Dienstag im Pokal gegen Eisenach nach seinem Mittelhandbruch wieder mitspielen konnte, hat man gesehen, auf welche Qualität wir während seiner Verletzung verzichten mussten. Seine Stärke im Eins-gegen-eins und Tempospiel hilft uns natürlich sehr. Leif Tissier hat in seiner Abwesenheit einen sehr guten Job gemacht, hatte aber kaum Entlastung. Außerdem ist Dani noch mal ein anderer Spielertyp, der uns mehr Variabilität gibt.
Sie haben nur drei Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone. Müssen sich die Fans Sorgen vor dem Abstieg machen?
Das Spiel gegen Balingen ist nur eins von 34 Saisonspielen. Unser größtes Ziel in dieser Saison ist, dass wir uns frühzeitig von den Abstiegsplätzen entfernen. Um diesen Puffer aufzubauen, muss man die Spiele gegen Teams aus dem unteren Drittel gewinnen. Grundsätzlich ist Balingen ein Aufsteiger, gegen den wir als Favorit ins Spiel gehen und dieser Rolle auch gerecht werden wollen.
Im linken Rückraum ist Tomislav Severec bisher kaum eine Hilfe, muss durch die Verletzung von Axmann jetzt aber Verantwortung übernehmen. Sind Sie optimistisch, dass ihm das gelingt?
Es ist klar, dass die verbliebenen Spieler auf der Position nun gefordert sind. Dazu gehört übrigens auch Azat Valiullin. Wir haben schon bei anderen ausländischen Spielern erlebt, dass sie eine gewisse Anlaufzeit benötigen. Bei Frederik Bo Andersen, der mittlerweile auf Rechtsaußen gesetzt ist, war das am Anfang beispielsweise auch so. Wir wissen, dass Tomislav ein guter Handballer ist und hoffen, dass er mit mehr Eingewöhnungszeit noch zur erhofften Verstärkung wird.
Torhüterquoten sind beim HSVH nicht auf Topniveau
Wenn wir schon über ausbaufähige Leistungen sprechen, kommt man um die unterdurchschnittlichen Torhüterquoten nicht herum…
Natürlich wünschen wir uns eine höhere Prozentzahl an gehaltenen Würfen. Wir stellen hier aber nichts infrage, sondern vertrauen Johannes Bitter und Jens Vortmann. Das sind zwei ehemalige Nationaltorhüter, deren Qualität wir sehr schätzen, auch wenn die prozentuale Quote derzeit nicht Ligaspitze ist.
Ist es wirklich nur eine Phase? Das Thema gab es schon in der vergangenen Saison...
Völlig unabhängig von der Leistung von Jogi und Jens wollten wir uns für die Zukunft im Tor verjüngen, und haben bereits während der letzten Saison entschieden, Robin Haug im Sommer zu uns zu holen. Er bringt mit seinen 25 Jahren noch mal eigene Qualitäten und Zukunftsperspektive mit. Nach seinem Kreuzbandriss sind wir mit ihm im ständigen Kontakt, er wird demnächst operiert und sollte zum Saisonstart wieder einsatzfähig sein. In Kombination mit Jogi, der noch einen Vertrag bis Sommer 2026 hat, sehe ich uns für die kommende Saison gut aufgestellt. Weil wir nicht mit drei Torhütern dieses Formats in die Saison gehen wollen, haben wir mit Jens ganz offen und frühzeitig kommuniziert, dass wir seinen Vertrag nicht verlängern werden.
Wie optimistisch sind Sie, den Etat zur neuen Saison weiter zu erhöhen?
Da bin ich grundsätzlich optimistisch, auch wenn uns klar ist, dass wir wahrscheinlich keine großen Sprünge machen werden. Was sich ganz sicher immer weiter erhöht, sind die Kosten. Wir merken, dass wir Planzahlen, die wir heute vor einem oder zwei Jahren für diese Saison gemacht haben, völlig vergessen können. Glücklicherweise konnten wir auch unsere Einnahmen zuletzt schrittweise steigern, im Sponsoring haben wir vor der Saison große Partner dazugewinnen können.
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Vor ein paar Jahren hieß es, dass die Einnahmen aus dem Ticketing und Sponsoring ungefähr gleich groß sind. Wie hat sich das mittlerweile entwickelt?
Der einzige Bereich, in dem ein spürbares Wachstum möglich ist, ist das Sponsoring. Darum kümmere ich mich in erster Linie, die Kaderplanung übernehmen zunehmend Jogi und das Trainerteam. Grundsätzlich bin ich auch optimistisch, dass wir in einer Stadt wie Hamburg noch viele weitere Partner finden können. Im Ticketingbereich sind wir aber limitiert, wir können und wollen die Preise nicht bis ins Unendliche erhöhen, sondern müssen immer die Kaufkraft berücksichtigen. Selbst wenn wir eine Hallenauslastung von 100 Prozent erreichen würden, könnten wir nur rund 300.000 Euro mehr pro Saison einnehmen. Durch die Hallensituation ist im Ticketing pro Saison lediglich eine Gewinnspanne von 1,2 bis 1,5 Millionen Euro zu erreichen. Mehr geht nicht.
Denken Sie, dass die anstehende Heim-Europameisterschaft die Handball-Begeisterung von Unternehmen und Zuschauern wachsen lassen wird?
Ich glaube schon, dass es Menschen geben wird, die sich mal ein Spiel von uns anschauen werden. Insgesamt bin ich bei dieser Frage aber eher pessimistisch. Als Deutschland im September Basketball-Weltmeister geworden ist, hat man sich auch viel davon versprochen. Aus meiner Wahrnehmung ist es aber so, dass sich für die Profi-Vereine nicht besonders viel getan hat. Wir müssen als Handballverein deshalb weiterhin hart dafür arbeiten, in der vielfältigen Profisportlandschaft in Hamburg weiter zu wachsen.