Hamburg. Hamburger Handballer treten in der feindseligsten und unangenehmsten Halle der Bundesliga an. Was die Faszination Eisenach ausmacht.

Eisenach, ein 42.000-Einwohner-Städtchen im Westen Thüringens, ist vor allem für die berühmte Wartburg bekannt. Im Jahr 1522 übersetzte Martin Luther dort das Neue Testament in die deutsche Sprache. Obwohl die Wartburg heute nicht mehr mit Kanonen, Pech und Schwefel verteidigt wird, hat Eisenach noch immer eine echte Festung.

Die Werner-Aßmann-Halle, benannt nach einer DDR-Handball-Legende, ist die Heimat des ThSV Eisenach. Es ist die engste, unangenehmste und lauteste Halle der Handball-Bundesliga, seit Dezember 2022 ist der Aufsteiger hier ungeschlagen. An diesem Freitag (20 Uhr/Dyn) gastiert der HSV Hamburg (HSVH) in der nur 3150 Fans fassenden Halle. „Wenn man von der Faszination Eisenach redet, dann geht es um diese Halle und das unfassbare Umfeld“, sagt ThSV-Geschäftsführer René Witte.

Handball: Eisenach hat den geringsten Etat der Liga

Beim bisher jüngsten Heimauftritt besiegte das Team mit dem geringsten Etat der Liga zu Hause die Rhein-Neckar Löwen. Nicht nur die Mannheimer hatten mit der Lautstärke Probleme, sondern auch die Moderatoren des neuen Streamingdienstes Dyn, die sich schon vor dem Spiel nicht mehr miteinander unterhalten konnten. „Es ist schön, so eine Atmosphäre erleben zu dürfen. Ich finde das super“, sagt HSVH-Trainer Torsten Jansen.

Die Hallendecke ist niedrig, Tribünen gibt es nur auf drei Seiten des Spielfelds. Weil die Dyn-Kameras auf der Längsseite ohne Tribüne stehen, können sie aus dem schwierigen Winkel manche Aktionen der Außenspieler nicht filmen. „Unsere Halle ist einzigartig. Wir versuchen, die bestmöglichen Bedingungen für die Fernsehteams zu liefern“, sagt Witte.

In der Werner-Aßmann-Halle gibt es 1150 Stehplätze. Tickets bekommt man kaum.
In der Werner-Aßmann-Halle gibt es 1150 Stehplätze. Tickets bekommt man kaum. © Funke Foto Services | Sascha Fromm

1150 Stehplätze gibt es in der Werner-Aßmann-Halle. Der ThSV-Geschäftsführer macht kein Geheimnis daraus, dass freie Sicht auf das Spielfeld dort eher die Ausnahme ist. „Wenn man Stehplatzkunde ist, darf man nicht zu spät kommen. Dann wird es schon so voll, dass man mit Glück 25 Prozent des Spiels sieht. Das hält die Leute aber nicht davon ab, zu uns zu kommen“, sagt er und lacht.

ThSV Eisenach ist der größte Club der Region

Weil sich die besondere Atmosphäre herumgesprochen hat, versuchen mittlerweile auch Eventfans, an Tickets zu kommen. Dummerweise sind die Sitzplatztickets bereits über Monate hinweg ausverkauft – auch weil die restliche Thüringer Profisportlandschaft mit Regionalliga-Fußball und den Erstliga-Handballerinen des Thüringer HC eher überschaubar ist. „Wir haben hier kaum Konkurrenz. Jeder in der Stadt und in der Region kennt und unterstützt uns“, sagt Witte.

Besonders ist in Eisenach auch die Spielweise, Trainer Misha Kaufmann setzt auf eine extrem unorthodoxe Abwehr. „Sie decken sehr offensiv, wollen einen vom Tor weit weghalten. Es ist schwer, diese Situation im Training zu simulieren“, sagt Jansen. „Die Abwehr ist unheimlich aggressiv, die Atmosphäre in der Halle sehr herausfordernd.“

Die Eisenacher Deckung mit Kapitän Peter Walz (Mitte) gilt als sehr aggressiv.
Die Eisenacher Deckung mit Kapitän Peter Walz (Mitte) gilt als sehr aggressiv. © IMAGO/Christian Heilwagen | imago sport

Vergleicht man die Kader beider Clubs, ist der HSVH der klare Favorit. Dass Eisenach eigentlich nur einen Zweitligakader besitzt, zeigt sich in der Auswärtstabelle, wo der Aufsteiger mit null Punkten aus fünf Spielen Tabellenletzter ist. Zu Hause allerdings holte das Team in dieser Saison sieben von acht möglichen Punkten. Die Halle macht den Unterschied.

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Vor diesem Hintergrund wirkt der Plan, Ende 2026 in einen modernen Arena-Neubau für 4500 Zuschauer zu ziehen, fast etwas fragwürdig. Allein aus Sicht der Vermarktung ist er aber unumgänglich. „Als VIP-Kunde sitzt man hier auf einer Holztribüne, die 1984 gebaut wurde“, sagt ThSV-Chef Witte. Fest steht bereits, dass die neue Arena mit über 1500 Plätzen die größte Stehplatztribüne der Liga bekommen soll. „Am Ende des Tages ist nicht entscheidend, wie die Halle aussieht, sondern, was die Fans darin abreißen“, sagt Witte.