Hamburg. Handballer unterliegen dem Rekordmeister 30:34, binden aber dänischen Nationalspieler Lassen überraschend bis Sommer 2026.
Die 12.000 Zuschauer in der ausverkauften Barclays Arena gaben bis zum Schluss alles, doch der THW Kiel zeigte im Nordderby beim HSV Hamburg (HSVH), wieso er drei Spieltage vor Saisonende wieder einmal Meisterschaftskandidat Nummer eins ist.
Mit 30:34 (16:20) unterlagen Hamburgs Bundesligahandballer am späten Sonnabend dem Rekordmeister von der Förde. Bester Werfer einer kämpferischen HSVH-Mannschaft war Rechtsaußen Frederik Bo Andersen mit sieben Toren.
Handball: HSVH-Trainer Jansen trotz Niederlage stolz
"Wir haben gegen eine europäische Spitzenmannschaft gespielt. Es ist klar, dass die schwer zu beeindrucken sind. Wir haben ihnen aber alles abverlangt, sie konnten sich zu keinem Zeitpunkt zurücklehnen. Das haben wir überragend gemacht", sagte HSVH-Coach Torsten Jansen.
Der ansonsten für seine eher nüchterne Art bekannte Ex-Profi geriet gar ins Schwärmen: "Ich bin überwältigt von der Leistung meiner Mannschaft. Ich hätte das nicht gedacht, weil wir sehr dezimiert sind."
Lassen verlängert vorzeitig beim HSV Hamburg
Für die Hamburger Anhänger gab es bereits vor Anpfiff etwas zu feiern. Wie der HSVH wenige Minuten vor Anwurf bekannt gab, verlängerte der dänische Nationalspieler Jacob Lassen seinen Vertrag vorzeitig bis Sommer 2026. Der derzeit mit einem Schlüsselbeinbruch verletzt fehlende Lassen lief als letzter Hamburger in die stimmungsvolle Arena ein, wurde von den Fans mit Sprechchören gefeiert.
Mit 112 Toren und 107 Assists in 23 Saisonspielen ist der 27 Jahre alte Rückraumrechte einer der wichtigsten Spieler im Hamburger Kader. Nach seinem Wechsel an die Elbe im vergangenen Sommer hatte er mit seinen Leistungen auch das Interesse von mehreren Topclubs auf sich gezogen.
Auch Kiel war am Dänen interessiert
Lassens Vertrag wäre ursprünglich im Sommer 2024 ausgelaufen. Nach Abendblatt-Informationen hatten ihm unter anderem sechs Bundesligisten ein deutlich höheres Gehalt geboten. So war unter anderem auch der THW Kiel zwischenzeitlich an Lassen dran, mit dem meisten Geld lockte allerdings der dänische Champions-League-Club Aalborg HB.
Lassen jedoch entschied sich unter anderem aufgrund seiner familiären Situation für eine vorzeitige Verlängerung. Der zweifache Vater fühlt sich mit seiner Frau Julie und den Kindern Conrad (2) und Elina (1) in St. Georg wohl, hat in seinen Landsleuten Casper Mortensen, Frederik Bo Andersen und Andreas Magaard zudem enge Freunde innerhalb des Vereins gefunden.
Lassen fühlt sich in Hamburg wohl
„Zum einen fühlt sich meine Familie in Hamburg sehr wohl. Meine Tochter ist hier geboren und auch meinem Sohn gefällt es hier sehr gut – das gilt auch für meine Frau und mich. Wir wohnen zwar noch nicht lange in Hamburg, aber die Stadt ist in dieser kurzen Zeit zu einem echten Zuhause für uns geworden", sagte Lassen, der bei der WM im Januar im erweiterten Kader von Weltmeister Dänemark stand.
"Zum anderen möchte ich sportlich mit unserer Mannschaft noch einiges erreichen. Wir sind eine junge Mannschaft, die noch viel Potential hat. Wir haben gerade erst angefangen uns zu finden. Wer weiß, wo unser Weg noch hinführen kann“.
Lassen und Theilinger fehlten verletzt
Gegen den klar favorisierten THW machte sich Lassens Abwesenheit bemerkbar, zudem fehlte sein Vertreter Nicolai Theilinger (Hüfte), weshalb HSVH-Coach Jansen mit einem Rechtshänder auf Halblinks agieren musste.
"Ich weiß nicht, ob er in dieser Saison überhaupt nochmal spielen kann", sagte Jansen zu Theilinger. "Der Schleimbeutel ist so dick, dass er nicht mal ordentlich schlafen kann."
Baijens und Tissier spielten gemeinsam im Rückraum
Insbesondere körperlich hatte der THW so einen Vorteil gegenüber den flinken, aber kleinen HSVH-Spielmachern Leif Tissier und Dani Baijens, die meist gemeinsam auf dem Feld standen.
Defensiv agierten die Hausherren zu Beginn mit einer Aggressivität, die einem Nordderby würdig war. Über weite Strecken der ersten Halbzeit zeigte der HSVH eine starke Leistung – mit zwei entscheidenden Einschränkungen: Zum einen übertrieb es HSVH-Defensivroutinier Tobias Schimmelbauer mit der Aggressivität, streckte Kiels Domagoj Duvnjak in vollem Lauf mit einem Schlag ins Gesicht nieder. Die Rote Karte (10.) war bitter, aber folgerichtig.
Vortmann und Pinski ohne Parade im ersten Durchgang
Zum anderen hatte der HSVH in Abwesenheit von Stammtorhüter Johannes Bitter (Reha nach Knie-OP) im ersten Durchgang mit einer Nicht-Leistung beider Keeper zu kämpfen. Weder Bitter-Ersatz Jens Vortmann noch Nachwuchstalent Alexander Pinski gelang bis zur Pause eine Parade, es war die schwächste Torhüterleistung der gesamten Saison. "So etwas passiert mal. Trotzdem haben wir nicht abreißen lassen," sagte Jansen.
Umso respektabler war, wie die Hamburger bis wenige Minuten vor der Pause auf Augenhöhe mitspielten (14:14/23.). Insbesondere Baijens zeigte eine starke Leistung, sorgte Tempo, Kreativität und Traumtore. Als dem HSVH kurz vor der Pause einige Fehler unterliefen – unter anderem vergab Linksaußen Casper Mortensen zwei gute Chancen in Folge – zog Kiel im Stile einer Spitzenmannschaft davon (15:20), zum Seitenwechsel stand es 16:20.
Kiels Klasse setzte sich am Ende durch
Seine erste Parade feierte Vortmann fünf Minuten nach der Pause, bis 15 Minuten vor Schluss waren es immerhin vier (insgesamt neun). Der HSVH stellte die im eigenen Ballbesitz immer wieder vor Probleme (24:28/49.) – grundsätzlich machte sich allerdings der rund dreimal so große Personaletat der Gäste bemerkbar, die auf fast jeder Position gleich doppelt mit Weltklassespielern besetzt sind.
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Insbesondere Kiels Rückraumspieler Nikola Bilyk bekam der HSVH überhaupt nicht in den Griff, der Österreicher kam durch seine herausragende Athletik immer wieder zum Abschluss, war mit neun Toren bester Werfer des THW.
Als Vortmann vier Minuten vor Schluss gar einen Siebenmeter parierte und Thies Bergemann auf drei Tore verkürzte, keimte nochmal etwas Hoffnung unter den Hamburger Fans auf (29:32/58.). Am Ende reichte es nicht ganz zu einem Punkt – die stehenden Ovationen der Fans hatte sich der HSVH aber mehr als verdient.