Hamburg. Vertreter des verletzten Stammkeepers Johannes Bitter überragt beim 24:21-Sieg über die HSG Wetzlar mit 22 Paraden.
Als am späten Sonntagnachmittag die Schluss-Sirene in der Sporthalle ertönte, strahlte Jens Vortmann wieder diese magnetische Wirkung aus. Nachdem der Ersatzkeeper des HSV Hamburg (HSVH) kurz zuvor noch die Bälle scheinbar magisch angezogen hatte, waren es nun seine Mitspieler, die nach dem 24:21 (13:13)-Heimsieg gegen die HSG Wetzlar zu ihm liefen, um ihm um den Hals zu fallen.
Mit 22 Paraden und einer Weltklassequote von 51,16 Prozent gehaltener Bälle war der 35-Jährige mehr als ein würdiger Vertreter des verletzten Johannes Bitter.
Handball: Trainer Jansen schwärmt von Vortmann
„Dass Jens heute so eine Performance hinzaubert, ist überragend“, schwärmte auch HSVH-Trainer Torsten Jansen. „Die Abstinenz von Jogi hat ihn anscheinend noch ein bisschen bewusster im Tor stehen lassen.“ Vortmann selbst gab sich nach dem Spiel gelassen, sagte aber: „Ich genieße es, dass ich gerade die Spielzeit kriege und freue mich, dass ich dem Team damit helfen kann.“
Weil die TSV Hannover-Burgdorf zeitgleich bei Rekordmeister THW Kiel 23:33 verlor, zogen die Hamburger in der Tabelle an den Niedersachsen vorbei. Hält der HSVH diesen sechsten Tabellenplatz, besteht eine realistische Chance auf einen Startplatz in der European League in der kommenden Saison. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Füchse Berlin in drei Wochen eben jenen Wettbewerb gewinnen.
Füchse könnten dem HSVH nach Europa verhelfen
Beim Final Four in Flensburg (27./28. Mai) sind die Hauptstädter gegen die Konkurrenz aus Montpellier (Frankreich), Granollers (Spanien) und Ligakonkurrent Frisch Auf Göppingen das auf dem Papier stärkste Team. „Ich persönlich und wir in der Mannschaft fangen jetzt keine Rechenspiele an“, sagte Vortmann.
Gegen Wetzlar bewies der HSVH einmal mehr, dass er mit Ausfällen von Leistungsträgern umgehen kann. In Torhüter Bitter (Reha nach Knie-OP), den Rückraumspieler Jacob Lassen (Schlüsselbein) und Leif Tissier (Hand) sowie Kreisläufer Andreas Magaard (Knie) fehlten wie zuletzt beim 35:31-Sieg bei GWD Minden vier wichtige Akteure verletzt. Mehrere Spieler wie Dominik Axmann gingen zudem angeschlagen in die Partie.
Wetzlars Rückraum war körperlich überlegen
Hinten mussten die Hamburger vor allem gegen Wetzlars Halbpositionen Schwerstarbeit verrichten, die jeweils mehr als 100 Kilogramm schweren Rückraumkanten Stefan Cavor (1,98 Meter) und Lenny Rubin (2,05 Meter) waren rein körperlich klar im Vorteil. Nach einer ausgeglichenen Anfangsphase fing sich der HSVH Mitte der ersten Halbzeit einen 0:4-Lauf ein, weil sich vorne mehrere Unkonzentriertheiten einschlichen – und die Gäste bewiesen, dass sie auch trotz des drittletzten Tabellenplatzes nicht ohne Grund hauptberuflich Handball spielen.
Im Anschluss lief Bitter-Vertreter Vortmann erstmals heiß, parierte vier Bälle in Folge, ließ so auch die 3268 Zuschauer in der Halle erstmals richtig laut werden. „Die ersten Paraden sind immer wichtig, um das Gefühl für die Tagesform zu bekommen. Das hat heute wunderbar funktioniert“, sagte Vortmann.
HSVH leistete sich vorne einige Fehler
Weil der HSVH vorne allerdings etwas zu viele Fehler machte – Spielmacher Dani Baijens warf den Ball beispielsweise gleich zweimal ohne Not an Mitspieler Nicolai Theilinger vorbei ins Aus –, blieb das Spiel eng. Die HSG nahm im eigenen Ballbesitz immer wieder das Tempo aus der Partie, spielte die Angriffe fast ausschließlich bis zum drohenden Zeitspiel aus, machte Zuschauer und in Ansätzen auch das Jansen-Team ungeduldig und nervös.
Doch auch nach der Pause (13:13) blieb Vortmann der entscheidende Faktor. Bitter, der das Spiel mit seinen Krücken und Kindern auf der Tribüne verfolgte, klatschte anerkennend Beifall. Fast acht Minuten blieben die Gäste zu Beginn der zweiten Halbzeit ohne Treffer, sodass Linksaußen Casper Mortensen, der am Sonntag die Marke von 200 Saisontoren knackte und mit sieben Treffern bester HSVH-Schütze war, die Gastgeber erstmals mit vier Toren in Führung brachte (18:14/43.).
Wetzlar mit Problemen im Offensivspiel
Wetzlar tat sich im Angriff trotz mehrerer Überzahlsituationen weiterhin enorm schwer, erzielte in den ersten 15 Minuten des zweiten Durchgangs lediglich zwei Tore, weil der HSVH energisch im Verbund verteidigte. Und wenn doch jemand mal durchkam, war da ja noch Vortmann. „Wir haben insbesondere nach der Pause sehr stark verteidigt, heute hat die Kombination aus Abwehr und Torwart sehr gut funktioniert“, sagte er.
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Offensiv machte sich beim HSVH das Fehlen von Lassen, Tissier und Magaard zwar phasenweise bemerkbar, es gab wenig Show, dafür umso mehr Leidenschaft. Die Fans honorierten das – und bekamen von Axmann dann doch noch etwas fürs Auge geboten, als dieser die Partie per Dreher zum 22:17 entschied (57.).