Hamburg. Nicole Giese und Kersten Brumm vom Fanclub „21 Tore für die Ewigkeit“ sprechen im Podcast “Auszeit HSVH“ über die Atmosphäre in der Arena
Casper Mortensen stand auf der LED-Bande hinter dem Tor, hielt sich mit beiden Händen im Ballfangnetz fest und feierte völlig ausgelassen mit den Fans in der Barclays Arena. „Das war eines der geilsten Spiele, die ich in meiner Karriere erlebt habe“, sagte der dänische Linksaußen als die Fan-Party nach dem 40:37-Heimsieg über die Rhein-Neckar Löwen – einem echten Schwergewicht der Handball-Bundesliga – vorbei war.
Kurioserweise waren es nicht ausschließlich die Fans des HSV Hamburg (HSVH), die vor eineinhalb Wochen für die außergewöhnlichste Atmosphäre dieser Saison gesorgt hatten – sondern vor allem Fußballfans des HSV, der kurz vor dem Handballspiel nebenan im Volksparkstadion einen 3:1-Sieg über Jahn Regensburg gefeiert hatten. „Wir müssen es jedes Mal so machen, dass der HSV zwei Stunden vor uns spielt. Das war Fußballstimmung“, sagte Mortensen. Auch Torhüter Johannes Bitter, der schon mehr als 600 Bundesligaspiele erlebt hat, musste sich nach den lauten Fangesängen erst einmal sammeln.
HSVH-Fanclub in Anlehnung an Stefan Schröder gegründet
„Am Anfang habe ich gedacht: Oh Gott, was kommt da denn? Die kamen da mit ihren HSV-Klamotten und Popcorn in die Halle“, sagt Kersten Brumm, als er eineinhalb Wochen später im Abendblatt-Podcast „Auszeit HSVH“ zu Gast ist und lacht. Brumm ist Vorsitzender des Fanclubs „21 Tore für die Ewigkeit“, der vor zehn Jahren in Anlehnung an den heutigen Jugendvorstand Stefan Schröder gegründet wurde, nachdem dieser im Bundesligaspiel gegen den Stralsunder HV am 6. Juni 2009 21 Tore erzielte. Für den Besuch beim Abendblatt hat Brumm Nicole Giese mitgebracht, die ebenfalls Mitglied bei den „21ern“ ist, dem mit rund 70 Mitgliedern zweitgrößten Fanclub des Vereins.
„Nach meiner anfänglichen Skepsis haben die HSV-Fans wirklich einen super Support gemacht. Das hatte ich nicht erwartet“, sagt Brumm über die knapp 1000 Fußballanhänger. „Einige hatten zwar so ein bisschen ihre Probleme mit den Regeln, haben teilweise Abseits und solche Sachen gerufen, aber das haben wir ganz locker genommen“, sagt er grinsend. Auch Giese war begeistert vom sportartenübergreifenden Support. „Da denkt man: Wow, so geht es also auch“, sagt sie. „Und dass manchmal der HSV besungen wurde, hat mich nicht gestört. Wir rufen ja auch meistens HSV und nicht HSVH.“
HSV Hamburg in gutem Austausch mit den Fußball-Kollegen
Welche Auswirkungen die Stimmung in der Halle auf die Leistung der Spieler haben kann, merkte HSVH-Athletiktrainer Philipp Winterhoff, als er nach der Partie routinemäßig die Leistungsdaten aller Spieler auswertete. Fast alle Profis hatten in der Anzahl der Sprints und der Gesamtlaufleistung Saisonrekorde aufgestellt. „Man hat die Unterstützung sofort gemerkt. Man sieht, was es bedeutet, externe Stimmung dazuzuholen“, sagte HSVH-Geschäftsführer Sebastian Frecke. „Wir sind in einem sehr guten Austausch mit dem HSV. Wenn es bald noch mal funktioniert, dass man zusammen spielt, werden einige Fans bestimmt wiederkommen.“
Einfach wird das aber nicht. Da der HSVH rund die Häfte seiner Heimspiele in der Sporthalle Hamburg austrägt, kommen in dieser Saison nur noch etwa vier weitere Spiele in der Barclays Arena infrage, wo der HSVH kurz nach dem HSV spielen könnte. Da die Handball-Bundesligaspiele allerdings häufig auch am Donnerstagabend stattfinden, sind gemeinsame Terminmöglichkeiten rar gesät.
Doch auch wenn der HSV nicht am gleichen Tag spiele, sagt Brumm, könnten die Fußballfans gerne häufiger vorbeikommen. „HSV-Fans sind beim Handball total willkommen“, sagt der Fanclub-Chef. „Wir sind ein etwas älteres Publikum als beim Fußball. Vielleicht bekommen wir so ein paar jüngere Anhänger hinzu.“ Auch beim größten HSVH-Fanclub „Störtebeker“ sind die meisten der rund 150 Mitglieder älter als 40 Jahre. Der hohe Altersschnitt sorge auch dafür, dass weniger Fangesänge stattfinden, sondern vor allem die Trommeln und Klatschpappen dominieren, glaubt Giese. „Oder es liegt auch daran, dass Handball wesentlich schneller ist und immer wieder etwas Neues passiert. Da passen lange Lieder gar nicht so gut“, vermutet Brumm.
Barclays Arena ist aktuell zu groß für gute Stimmung beim HSVH
Insbesondere in der 12.000 Zuschauer fassenden Barclays Arena seien zusätzliche Fans wichtig, um eine annähernd gute Stimmung wie in der fast immer ausverkauften Sporthalle Hamburg (Kapazität 3750) zu erzeugen. „Früher war es schön, da waren auch häufig 10.000 bis 12.000 da Leute da. Bei 3000 Fans sind aber zu viele Plätze leer und man sitzt hinter dem Tor auch viel zu weit entfernt“, sagt Brumm.
Innerhalb der Handball-Bundesliga steche die Stimmung der SG Flensburg-Handewitt etwas heraus, finden beide. Bei der SG ist die aktive Fanszene unter anderem deshalb so groß, weil die Konkurrenzangebote in der Stadt fehlen. Der SC Weiche Flensburg 08 spielt im Fußball nur viertklassig, die SG-Handballer bieten hingegen Sport auf Weltklasseniveau.
HSV Hamburg: Brumm und Giese würden sich Fanbeauftragten wünschen
Neidisch sind Brumm und Giese aber nicht. „In Flensburg ist es zwar immer sehr laut, aber manchmal mit Beleidigungen in Richtung der gegnerischen Spieler aus Gästefans schon fast wie im Fußball“, sagt Brumm. „Die Fans beim SC Magdeburg machen auch eine gute Stimmung, neigen aber trotzdem ebenfalls manchmal dazu, unfair zu sein. Das ist bei uns nicht so.“
- Handball-Ikone Kretzschmar: „Ich bewundere Torsten Jansen“
- HSV Hamburg lässt Punkte gegen Erlangen liegen
- HSV Hamburg verklagt das Bundesverwaltungsamt
Um die Fanthemen im Verein zukünftig besser zu platzieren, wünscht sich der Fanclub-Vorsitzende einen konkreten Ansprechpartner beim HSVH. „Früher gab es im Verein den Fanbeauftragten, der alles ein bisschen organisiert hat. Manchmal ist es ein bisschen schade, dass es den nicht mehr gibt. Ich persönlich würde mir wünschen, dass wir wieder einen Ansprechpartner haben“, sagt Brumm.
Mit Namensgeber Stefan Schröder haben sie schon einen engen Kontakt, unterstützen mit Spendenaktionen auch immer wieder den HSVH-Nachwuchs. Casper Mortensen, der so gerne mit den Fans feiert, wäre vielleicht noch eine Option. Dummerweise muss der Däne aber auch noch hauptberuflich Handball spielen
Die Handball-Bundesliga hat sämtliche HSVH-Spiele im Dezember terminiert: Do., 1. Dezember, 18.05 Uhr Göppingen (Auswärts), Do., 8. Dezember, 19.05 Uhr Hamm (Heim), Do., 15. Dezember, 19.05 Uhr Stuttgart (A), Do., 22. Dezember, 19.05 Uhr Flensburg (A/Pokal), Di., 27. Dezember, 19.05 Uhr Gummersbach (A). Das Heimspiel gegen den THW Kiel wird zudem nicht wie ursprünglich geplant im Februar 2023 ausgetragen, sondern wegen eines Champions-League-Terminkonflikts des THW erst Ende Mai stattfinden.