Hamburg. Vizepräsident Martin Schwalb spricht über die Entwicklung seines HSV Hamburg und das Duell mit Ex-Club Rhein-Neckar Löwen.
Am Dienstagabend hatte Martin Schwalb noch einen wichtigen Termin. Mit Lars Lamadé, dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Rhein-Neckar Löwen, war der Vizepräsident des HSV Hamburg (HSVH) zum Abendessen verabredet. Von Februar 2020 bis Sommer 2021 war Schwalb Trainer der Löwen in der Handball-Bundesliga, der Kontakt nach Mannheim ist seitdem nicht abgerissen. „Die Zeit bei den Rhein-Neckar Löwen hat sehr viel Spaß gemacht. Aber ich habe mich bewusst dazu entschieden, meinen Vertrag dort nicht zu verlängern“, sagt Schwalb, als er am Dienstagmittag im Abendblatt-Podcast „Auszeit HSVH“ zu Gast ist.
Als der HSV Hamburg 2021 in die Bundesliga zurückkehrte, kehrte auch Schwalb zurück nach Hamburg, wo sein Amt als Vizepräsident nur geruht hatte. „Mein Herz hängt am HSVH. Das ist unser gemeinsames Baby, für das wir alle viel Herzblut investiert haben. Da werde ich immer zu Hause sein“, sagt der 59-Jährige.
Die Entscheidung, das langfristige Vertragsangebot der Löwen auszuschlagen, habe ihn damals wochenlang beschäftigt. „Wenn ich dort verlängert hätte, wäre ich in Süddeutschland geblieben. Dann hätte ich mit meinem Ehrgeiz versucht, dort langfristig richtig etwas zu entwickeln und wäre nicht mehr zurück nach Hamburg gekommen“, sagt Schwalb, der unter anderem Nationalspieler Juri Knorr als neuen Spielmacher nach Mannheim gelockt hatte. „Er war einer der ersten, die ich angerufen habe. Juri war natürlich not amused darüber“, sagt Schwalb.
Martin Schwalb über Entwicklung des HSV Hamburg
Am Sonntag (16.05 Uhr/Sky) gibt es für den HSVH-Vizepräsidenten ein Wiedersehen mit Knorr und den Löwen, die als Tabellenzweiter beim Gastspiel in der Barclays Arena antreten. „Sie sind Überraschungsgast da oben in der Tabelle. Ich sehe sie aber als ernstzunehmenden Anwärter auf die Meisterschaft“, sagt Schwalb.
Obwohl der HSVH mit 10:8 Punkten und Tabellenplatz neun zurzeit deutlich über dem selbstgesteckten Saisonziel Klassenerhalt liegt, will Schwalb nicht über höhere Ambitionen sprechen. „Im letzten Jahr habe ich noch gedacht: Oh Gott, oh Gott, wie sollen wir das schaffen in der Liga zu bleiben?“, sagt er. Er sei ohnehin kein großer Freund von Saisonzielen. „Ich habe jetzt nicht das Gefühl, dass wir absteigen. Das Gefühl vermittelt die Mannschaft nicht.“
Einen großen Anteil am derzeitigen Erfolg haben auch die starken Neuzugänge, allen voran Rückraumspieler Jacob Lassen und Spielmacher Dani Baijens. Dass Lassen als dänischer Nationalspieler zwar Qualität mitbringe, habe er gewusst, sagt Schwalb. Wie schnell der 27-Jährige eingeschlagen sei, habe aber selbst ihn überrascht.
Obwohl sich der Kader mit zehn Neuzugängen seit dem Aufstieg 2021 stark verändert hat, befürchtet er nicht, dass sich die vielen Neuzugänge negativ auf den Mannschaftsgeist auswirken könnten. „Spieler wie Dominik Axmann oder Leif Tissier, die bei uns schon in der Jugend gespielt haben, genießen natürlich einen Extraschutz, weil wir unsere Identität behalten wollen“, sagt Schwalb.
Schwalb sieht Hamburger als Nationalspieler
Abgänge wie von Eigengewächs Finn Wullenweber, dem im Sommer ein Wechsel zum Zweitligisten TV Großwallstadt nahegelegt wurde, seien besonders hart: „Der Abgang von Finn Wullenweber war für mich persönlich sehr schmerzhaft, weil ich ein großer Fan von ihm bin und ihn über viele Jahre hinweg unterstützt habe.“ Um aber den Ansprüchen eines Bundesligisten gerecht zu werden, seien diese Entscheidungen unumgänglich. „Wir sind noch kein gestandener Bundesligist. Ich sehe uns noch nicht in sicherem Fahrwasser, dass man sagen könnte, die nächsten zehn, 15 Jahre sind jetzt klar und wir greifen wieder oben an“, sagt Schwalb.
Veränderung gehört zum Geschäft – das sehe die Mannschaft genauso, sagt er. „Die Mannschaft will auch Veränderung, will Verbesserung. Sie möchten mit den bestmöglichen Spielern zusammenspielen“, sagt er. „Ein Leif Tissier will hier natürlich auch in einer Mannschaft spielen, die erfolgreich ist, und nicht wieder in die Zweite Liga absteigen.“
Dem Spielmacher, der mit Fußblessur wahrscheinlich bis Jahresende verletzt ausfällt, traut Schwalb sogar den Sprung in die Nationalmannschaft zu. „Leif Tissier ist für mich immer eine Option, weil er eine andere Note ins Spiel bringt und weil auf dieser Position auch noch ein bisschen Bedarf ist“, sagt er. Auch Dominik Axmann habe Potenzial.
Schwalb-Show beim HSV Hamburg?
Heute weniger im Vordergrund zu stehen als noch vor zehn Jahren, als er mit dem HSV Handball als Trainer Meisterschaft, DHB-Pokal und Champions League gewann, stört Schwalb nicht. „Ich muss nicht in den Vordergrund. Ich habe genug Licht gehabt in meinem Leben, bin sehr dankbar dafür“, sagt er. Neben seinen Präsidiumsaufgaben kümmert sich Schwalb vor allem um die Akquise neuer Sponsoren. Rund 200 Partner hat der Verein zurzeit als Geldgeber an seiner Seite.
Eine „Schwalb-Show“ soll es auch weiterhin nicht geben, mit Präsident Marc Evermann sowie den Geschäftsführern Sebastian Frecke und Florian Gehre hat Schwalb gleich mehrere Mitstreiter an seiner Seite, mit denen er sich die Arbeit aufteilt. „Wir möchten gerne, dass dieser Verein auch in 30 Jahren noch ein guter Verein ist. Dazu müssen auch neue Leute die Verantwortung übertragen bekommen, damit sie auch lernen zu fliegen. Und das machen diese Leute sehr, sehr gut und mit sehr viel Engagement“, sagt er.
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Irgendwann als Trainer zurückzukehren, will Schwalb nicht ausschließen. „Ich denke immer noch als Trainer“, sagt er. „Das ist mein Beruf, das habe ich gelernt. Man kann in meinem Alter den Beruf nicht einfach an den Nagel hängen.“ Zunächst aber gelte seine gesamte Aufmerksamkeit dem HSVH: „Ich liebe Hamburg, finde das hier toll. Es gibt keinen Grund, über irgendwas anderes nachzudenken.“