Hamburg. Bei einem Mannschaftstraining riss die Achillessehne: Jens Vortmann fällt monatelang aus. Wie hart er an der Genesung arbeitet.
Es lief das letzte Mannschaftstraining der vergangenen Saison, als ein einfaches Ploppgeräusch Jens Vortmanns Pläne für die kommenden zehn Monate auf den Kopf stellte. „Im ersten Moment dachte ich, dass ich nur einen Schlag abbekommen hätte. Danach habe ich schnell gemerkt, dass ich den Fuß nicht ansteuern und nicht auftreten konnte“, erinnert sich der Torwart des Handball Sport Vereins Hamburg (HSVH).
Das abschließende Bundesligasaisonspiel beim TBV Lemgo Mitte Juni konnte Vortmann vergessen. Bereits 2018 hatte der Keeper eine schwere Knieverletzung erlitten, die ihn fast die gesamte Saison kostete. „Im Vergleich zum Kreuzbandriss hat es deutlich mehr wehgetan. Es hat sich angefühlt, als würde ein Messer in der Achillessehne stecken“, sagt der 35-Jährige.
Handball: HSVH-Torwart wurde operiert
Es war zwar kein Messer, aber seine Achillessehne war gerissen. „Durch meinen Kreuzbandriss wusste ich schon, wie schwierig und anstrengend die Zeit werden würde. Diese Erfahrung hat mir also überhaupt nicht geholfen“, sagt Vortmann über den Moment der Diagnose. Fünf Tage später wurde er im UKE operiert, die zwei geplanten Sommerurlaube mit seinem Bruder sowie seiner Frau und den zwei kleinen Kindern musste er absagen.
„Für den Kopf war es besonders schwierig, nachdem man die gesamte Saison gespielt hat. Meine Familie und ich hatten uns auf die freie Zeit im Sommer gefreut“, sagt Vortmann. Schwitzen konnte er trotzdem – allerdings nicht am Strand, sondern unter einer steifen Fuß-Orthese. Die Ausfallprognose: zehn Monate.
"Manche Dinge muss man mit sich selbst ausmachen"
„Ich spreche viel mit meiner Frau und meiner Familie über die Situation. Manche Dinge muss man auch einfach mit sich selbst ausmachen. Mental bin ich aber in kein großes Loch gefallen“, sagt Vortmann. Über ein Jahrzehnt als Profi in der Handball-Bundesliga, dazu zwölf Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft – diese Erfahrung hilft ihm, den Rückschlag richtig einzuordnen.
„Ich weiß nicht, ob ich als 23-Jähriger eine andere Sicht auf diese Verletzung gehabt hätte“, sagt Vortmann. „Nüchtern betrachtet ist es zwar ein kaputter Fuß, aber keine lebensbedrohliche Krankheit oder etwas anderes Schlimmes. Es macht zwar keinen Spaß, trotzdem geht die Welt davon nicht unter.“
Besonders der Alltag war zunächst schwierig
Vor die größten Probleme stellte die junge Familie Vortmann in den ersten Wochen nach der Operation vor allem die Bewältigung des Alltags. Dummerweise hatte sich der Torhüter die Achillessehne im rechten Fuß gerissen, an Autofahren war zunächst nicht zu denken – schon gar nicht mit der Orthese. „Im Sommer war das nicht so angenehm. Seitdem ich diesen Schuh wieder los bin, komme ich gut durch den Alltag“, sagt er.
Vortmann, dessen Frau voll berufstätig ist, suchte sich bewusst das Eimsbütteler EPI-Zentrum für die Reha aus. Von seiner Wohnung benötigt er lediglich wenige Minuten zu Fuß dorthin. Während die Mannschaft zusammen im Volkspark trainiert, gemeinsam Siege feiert, schuftet Vortmann fünfmal pro Woche in Eimsbüttel.
Vortmann will sich genug Zeit für die Genesung lassen
„Ich merke, dass die Kraft und Beweglichkeit noch nicht wieder so sind, wie sie mal waren und auch wieder sein sollen“, sagt er. Seit Kurzem absolviert der gebürtige Berliner leichte Joggingläufe auf einem sogenannten Alter-G-Laufband, welches die Schwerkraft durch Unterdruckerzeugung reduziert, sodass nur ein Teil seines Körpergewichts auf dem lädierten Fuß lastet. „Wenn ich demnächst so weit bin, dass ich mir wieder die Laufschuhe schnappen und eine Runde durch den Wald drehen kann, würde ich mich sehr freuen“, sagt Vortmann.
Bisher liege er mit seinem Rehaplan voll im Zeitplan. „Ich hoffe, dass ich irgendwann in der Rückrunde wieder auf dem Feld stehe.“ Wann genau das sein wird, ist bisher noch nicht abzusehen. Um zu verhindern, dass die Verletzung wieder aufbricht, will sich Vortmann ausreichend Zeit für die vollständige Heilung lassen. „Ich versuche, lieber eine Woche zu spät als zwei Tage zu früh wieder einzusteigen. Dass die Sehne direkt wieder reißt, will ich unbedingt ausschließen“, sagt er.
„Der Zeitplan ist nicht in Stein gemeißelt"
Zehn Monate Verletzungspause würden eine Rückkehr im April bedeuten, Verschiebungen im Zeitplan sind aber bewusst einkalkuliert. „Der Zeitplan ist nicht in Stein gemeißelt. Natürlich habe ich Zwischenziele, die ich mir vorgenommen habe. Ich will mir aber kein fixes Datum für das Comeback setzen“, sagt er. „Wenn es März wird, ist das super. Und wenn es Mai wird, wird es halt der Mai.“
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Da der HSVH mit der Verpflichtung des kroatischen Keepers Ivan Budalic (25) innerhalb weniger Wochen auf Vortmanns Ausfall reagierte, steht er nicht unter Zeitdruck. Zwar steht Budalic bisher lediglich bis März unter Vertrag, würde bei einer Verzögerung des Comebacks aber auch eine kurzfristige Verlängerung seines Arbeitspapiers erhalten. Als Budalic Ende Juni verpflichtet wurde, habe er nicht das Gefühl gehabt, einfach ersetzbar zu sein: „Es war klar, dass sich der Verein absichern musste. Ich habe mich eher für den Verein gefreut, dass wir so schnell einen neuen Torhüter gefunden haben.“
Handball: Vortmann verpasst wohl noch 15 Spiele
Seit wenigen Wochen hat der 35-Jährige wieder den direkten Kontakt zur Mannschaft, wenn er ein oder zwei Tage pro Woche mit Athletiktrainer Philipp Winterhoff im Kraftraum arbeitet. Seine Einheiten absolviert Vortmann häufig bewusst parallel zum Mannschaftstraining. „Ich fühle mich weiterhin als ganz normaler Teil des Teams“, sagt er.
Mindestens 15 Saisonspiele wird Vortmann wohl noch bis zu seinem Comeback verpassen. „Für mich ist es emotional deutlich belastender, auf der Tribüne zu sitzen, als selbst eingreifen zu können“, sagt er. Etwas überstürzen will Vortmann aber nicht. Geduld ist jetzt seine Tugend.