Hamburg. HSV Hamburg verliert Zweitligaspiel vor 8942 Zuschauern. Ein Profi kritisiert die Leistung der eigenen Mannschaft deutlich.
„Olé, olé, super Ferndorf olé“, skandierten die aus dem Siegerland mitgereisten Fans des TuS Ferndorf schon Minuten vor Toresschluss. Knapp 200 Begeisterte in Rot und Weiß waren am zweiten Weihnachtsfeiertag mit nach Hamburg gereist, bevölkerten mit „Dorfvereins“-Banner einen ganzen Block im Oberrang hinter dem Tor. Es waren ungewohnte Töne zum Fest in der Barclaycard Arena. Erstmals in seiner Geschichte im nunmehr vierten Weihnachtsspiel in großer Halle ging der Handball Sport Verein Hamburg (HSVH) bei der 20:24 (8:11)-Niederlage als Verlierer vom Parkett. Für den Großteil der dieses Mal 8942 Zuschauer endete das Weihnachtsfest mit einer Enttäuschung.
Bester HSV-Werfer spricht von Minusleistung
„Das war für uns ein gebrauchter Tag. Wir hatten zu viele Spieler, die nicht annähernd ihre Leistung gebracht haben“, kommentierte HSVH-Vizepräsident Martin Schwalb das Ende der Siegesserie: „Glückwunsch an Ferndorf für den verdienten Erfolg.“ Von einer „Minusleistung“ sprach HSV-Kapitän Lukas Ossenkopp.
Der Rekordschütze in Weihnachtsspielen (32 Treffer) und Jungvater einer am vergangenen Sonntag geborenen Tochter baute seine Bilanz als bester Werfer mit sechs Toren zwar aus, allein der 26-Jährige sollte der einzige Hamburger in Normalform bleiben.
HSV-Trainer Jansen nach Pleite bedient
Trainer Torsten Jansen stapfte bereits zur Halbzeitpause mit rotem Kopf in die Kabine. „Wir haben das Spiel im Angriff verloren. Dort fehlten Selbstvertrauen und Bewegung“, monierte der 43-Jährige, drei Tage nach seinem Geburtstag. Was ihm jedoch zum Jahresabschluss vor der einmonatigen EM-Pause und zum Rückrundenauftakt am meisten die Stimmung verhagelte: „Wir haben uns heute für eine ordentliche Hinrunde nicht belohnt. Ergebnis und Leistung nehmen wir mit in die Pause. Das bleibt in den Köpfen.“
Und in der Tabelle lesbar: Nach der zweiten Saisonheimniederlage rutschten die Hamburger auf Platz neun ab, zu Saisonbeginn hielt sich das Team lange Zeit in der Spitzengruppe der Liga. Ferndorf ist nach dem dritten Sieg in Serie nun Zwölfter. Schon im September 2018 beim ersten Zweitligaheimspiel der Hamburger Clubgeschichte spielten die Kreuztaler Spielverderber, gewannen damals in der Sporthalle Hamburg in Winterhude 26:22.
HSV-Profi: 1. Hälfte war unterirdisch
Die Parallelen zum Weihnachtsspiel waren unverkennbar. Trotz aller Bemühungen rund um die Partie – richtige Festtagsstimmung sollte auf dem Spielfeld nur kurz aufkommen. Stimmte Castingsängerin Celine Abeling (22/„The Voice“) vor den 60 Minuten noch „O du fröhliche“ an, dauerte es nach Anpfiff bis zur neunten Spielminute, ehe Niklas Weller beim 1:2 per Siebenmeterstrafwurf mit dem ersten Hamburger Tor für ein wenig Fröhlichkeit sorgte.
Es entwickelte sich ein von den Abwehrreihen geprägtes Kampfspiel, in dem sich beide Seiten im Angriff sehr schwertaten. „Die erste Halbzeit war unterirdisch, das Tempospiel eine Vollkatastrophe“, klagte Hamburgs Saisontoptorschütze Weller, „keiner wusste wirklich, wo er hinlaufen sollte.“
Auch das Passspiel blieb fahrig und nervös. Nur acht von 23 Angriffen (34 Prozent) fanden ihr Ziel. HSVH-Spielmacher Leif Tissier schied nach 15 Minuten mit einer schweren Oberschenkelprellung aus, kehrte nicht mehr aufs Feld zurück.
Doppelte Zeitstrafe für den HSV
Mit drei schnellen Toren vor der Halbzeit setzten sich die Ferndorfer erstmals ab, bauten den Vorsprung nach Wiederanpfiff auf fünf Treffer aus (13:8/35.) und spielten auch in Unterzahl mit Glück und Geschick im Bunde. Allein vor dem 14:9 (38.) drehten die Gäste in nur einem einzigen, knapp dreiminütigen Angriff eine eigene Unterzahl in eine doppelte Zweiminutenzeitstrafe für den HSVH.
Und doch ergriff Ossenkopp in dieser Phase die Initiative, traf fünfmal in Folge, half somit beim 18:18 (48.), „dass das Momentum wieder auf unsere Seite kippen kann“. Die Fans waren da, die Mannschaft nur eine Ferndorfer Auszeit später schon nicht mehr.
Zu viele Chancen wurden vergeben: In Abschnitt eins gegen TuS-Torwart Marin Durica (10 Paraden), in den letzten zehn Minuten gegen den eingewechselten Lucas Puhl (5). Das von Jansen hin- und hergewechselte Hamburger Torhütertrio um Aron Edvardsson (6) steckte dagegen erneut deutlich zurück. Ein Problem, das sich durch die Saison zieht.
Der HSVH kam in den zehn Schlussminuten nur noch auf zwei Treffer, die Niederlage war besiegelt.
HSV hat jetzt erstmal frei
„Alle wollten, doch am Ende ist es auch eine Kraftfrage“, sagte Ossenkopp, „viele pfeifen aus dem letzten Loch.“ Linkshänder Jens Schöngarth, den es sieben Wochen lang an der Schulter erwischt hatte, macht die Verletztenmisere mit teils bis zu sechs Ausfällen dafür verantwortlich, dass das Team tabellarisch abgerutscht ist und „den Rhythmus verloren hat. Das konnte man heute im Positionsangriff sehen.“
Bis zum 13. Januar gibt Jansen seinen Mannen frei. „Aktive Erholung, jeder bekommt einen Plan“, sagt der Coach. Highlight in der Vorbereitung ist das Testspiel gegen Bundesligaspitzenreiter THW Kiel (29.1., 19.30 Uhr, Sporthalle Hamburg). Die Rückserie mit neun Heim- und sieben Auswärtspartien startet am 2. Februar in Dormagen.
Wie geht es mit Leistungsträgern weiter?
Bis dahin soll es erste Vertragsverlängerungen geben. Neun Kontrakte laufen zum Saisonende aus. Oldie Blazenko Lackovic (39) wird seine aktive Karriere beenden, sich nach absolvierter Trainer-A-Lizenz möglicherweise neu orientieren. Marius Fuchs (27) sucht eine neue Herausforderung.
Bleiben sieben Fragezeichen, die unter anderem die Zukunft von Kapitän Ossenkopp (26), Rechtshänder Philipp Bauer (23) und Torwart Edvardsson (30) betreffen. Sie alle hoffen, zum Jahresende 2020 wieder „HSV“-Gesänge in der Barclaycard Arena zu hören.
HSV Hamburg: Edvardsson (6 Paraden), van den Beucken (1), Kokoszka (1) – Ossenkopp (6 Tore), Weller (5/3 Siebenmeter), Lackovic, Tissier, Bauer (je 2), Schöngarth, Forstbauer, Gertges (je 1), Schimmelbauer, Fick, Fuchs, Bergemann.