Hamburg/Lübbecke. Dem Handball Sport Verein Hamburg gelingt beim 29:22-Erfolg beim TuS N-Lübbecke der höchste Auswärtssieg der Clubgeschichte.

Wenn es läuft, dann läuft’s so richtig: Als Finn Wullenweber den Ball in letzter Sekunde zum 29:22 (14:13) aus neun Metern Entfernung in den Winkel jagt, wird es gar historisch. Im Kleinen wie im Großen. Der Handball Sport Verein Hamburg (HSVH) feierte beim TuS N-Lübbecke den höchsten Auswärtssieg in seiner 26 Spiele währenden Zweitligageschichte. Für die Hamburger ist der erste Erfolg in fremder Halle seit November 2018 ein Überraschungssieg, weil mitten im Abstiegskampf überraschend deutlich. Das wird beim Durchforsten der Statistikarchive deutlich.

HSVH stellt neuen Auswärtsrekord auf

Nie zuvor gelang den Hamburger Erstligavorgängern des HSV-Handball ein höherer Sieg in Lübbecke, in der Bundesliga hatte es 2013 und 2014 jeweils ein 34:28 in Ostwestfalen gegeben. „Das wusste ich gar nicht. Da bin ich jetzt ein bisschen stinkig auf Finn“, scherzte HSVH-Trainer Torsten Jansen, der seinen Siegrekord als Spieler verlor. Als Coach feierte Jansen auf der dreistündigen Busrückfahrt am späten Sonnabendabend gut gelaunt einen wichtigen Sieg, einen Bonuserfolg, aber „keine Big Points“, wie er sagt. Die Konkurrenz aus Großwallstadt, Dormagen, Hagen und Wilhelmshaven habe schließlich auch gewonnen.

Als Zwölfte haben die Hamburger nach dem zweiten Erfolg in Serie zwar den Kontakt zum Tabellenmittelfeld hergestellt, doch die bedrohte Zone beginnt ab Rang neun. Es bleiben drei Punkte Vorsprung auf Platz 16 und die Abstiegszone. In den kommenden fünf Begegnungen gegen die direkten Rivalen Aue, Rimpar, Wilhelmshaven, Dormagen und Emsdetten geht es bis Ende April um Big Points. „Die Leistung von heute und letzter Woche (21:18 gegen Dresden, Anm. d. Red.) wollen wir jetzt noch zwölf Mal wiederholen. Das muss der Maßstab sein“, sagte Jansen. Die Brust sei nach dem verpatzten Jahresauftakt wieder breit, das Selbstvertrauen zurück, die Zuversicht auf den Klassenerhalt groß.

Rückraumduo erzielt 21 der 29 Hamburger Tore

Man sei „zwar nicht ohne Hoffnung, aber doch ohne Enthusiasmus“ zum kriselnden Erstligaabsteiger nach Lübbecke gefahren. Von den Gastgebern war nach dem Trainerwechsel unter der Woche vor Aaron Ziercke zu Nikola Blazicko eine Trotzreaktion erwartet worden. Dass es über 60 Minuten nicht zu einem Aufbäumen des Aufstiegsfavoriten Nummer eins, der sich nach vier sieglosen Spielen auf Tabellenplatz acht wiederfindet, gekommen sei, „lag zuallererst an unserer Stärke“, betonte Jansen, der es beim erfolgreichen Personal und siegbringender Taktik der Vorwoche belassen hatte.

Die Abwehr um den beweglichen und zupackenden Mittelblock aus Dominik Vogt und Blazenko Lackovic blieb ein Schlüssel. Genauso das Angriffsspiel mit zwei Kreisläufern und ohne feste Linksaußen. „Der Gegner wollte ja, aber er konnte nicht. Wir haben immer wieder Nadelstiche gesetzt, sind dran geblieben, auch im Tempospiel der zweiten Welle. Lübbecke hat sor gebrochen“, analysierte Jansen eine „beeindruckende Vorstellung“.

Trainer Jansen lobt Geschlossenheit des Teams

21 der 29 Hamburger Tore gingen allein auf das Konto des Rückraumduos Wullenweber (10 Treffer) und Philipp Bauer (11). Beide nahmen erneut viele Würfe, ließen sich auch nach Fehlversuchen nicht beirren – und nie in Manndeckung nehmen. Ob auf Rückraummitte, -links oder -rechts, oder den weiten Weg von Linksaußen zum Tor suchend, die Hamburger waren durch ihre Positionsrochaden nicht in den Griff zu bekommen. Ein Erfolgsrezept, bei dem aktuell Toptorschütze Lukas Ossenkopp das Nachsehen hat.

Der Kapitän kam erst nach 41. Minuten zum Einsatz. „Nächste Woche kann das schon wieder ganz anders aussehen, dann werfen Andere die Tore. Das brauchen wir auch“, stellte Jansen die mannschaftliche Geschlossenheit (alle Verletzten führen zur Unterstützung mit) heraus: „Wir haben bis zum Schluss geduldig gespielt und keinen Deut nachgelassen.“ Eine Coolness und Reife, die so nicht zu erwarten waren.

Bärenstarker Edvardsson erneut mit 15 Paraden

Schon in Halbzeit eins konnte sich der HSVH trotz keineswegs optimaler Chancenverwertung auf drei Tore absetzen (9:6/18.), nur kurzzeitig fanden die im Passspiel fehlerhaften Lübbecker zu alter Stärke, verkürzten bis zur Pause auf ein Tor. Doch statt in Halbzeit zwei daran anzuknüpfen zu können, gelang dem HSVH nach 34 Minuten ein 7:0-Lauf zum 22:15 (41.). Die Vorentscheidung, die der mit 15 Paraden (41 Prozent gehaltene Bälle) erneut bärenstarke Aron Edvardsson im Hamburger Tor zur finalen werden ließ. Der Isländer blieb beim Gegenstoß wie bei drei Siebenmetern Sieger (45. bis 54.), zwei Strafwürfe parierte er (inklusive Nachwurf), einen schaute er über die Latte. Einziger Wermutstropfen blieb die Verletzung von Kreisläufer Vogt (Knie), deren Schwere sich heute herausstellt.

Seit März 1993 gelang dem HSVH erst als dritter Mannschaft ein Zweitligaauswärtssieg in Lübbecke, der höchste in der Merkur Arena seit 1990. Wenn es läuft, dann läuft’s.