Hamburg. Die Mannschaft will gegen das Team aus Dresden austeilen statt einstecken. Trio berichtet über Härte und Blessuren am Kreis.

„Lieber austeilen oder einstecken?“, lautet die Frage. „Austeilen“, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Darin sind sich die drei Kreisläufer des Handball Sport Vereins Hamburg (HSVH) schnell einig. Ob sie auch zu den härtesten Spielern im Team zählen, darüber schweigen sich Niklas Weller, Marius Fuchs und Dominik Vogt (diplomatisch) aus. Zu den am härtest arbeitenden zählen die robusten Mittelblocker in der Nahkampfzone sechs Meter vor dem eigenen Gehäuse und dem des Gegners qua Berufsbeschreibung. 60 Minuten wird gezogen, gesperrt, um jeden Zentimeter gerangelt. Schwerstarbeit, wenn sich 100 Kilo Körpergewicht (Fuchs) gegen nicht minder wenige Kilos des gegnerischen Kreisläufers stemmen. Aber auch schmerzhaft?

„Enge Spiele im Abstiegskampf können schmerzhafter sein“, sagt Niklas Weller, „schließlich geht es in der entscheidenden Spielphase härter zu.“ In der vergangenen Drittligameistersaison seien Spiele früher entschieden gewesen, die Intensität nicht über die volle Spielzeit da. „Und die Gegner waren nicht so robust wie in der Zweiten Liga“, ergänzt Dominik Vogt, mit 20 Jahren der jüngste des Hamburger Trios. Wenn am Sonntag (15 Uhr/Sportdeutschland.tv) der HC Elbflorenz in der Sporthalle Hamburg gastiert, geht es wie in der Vorwoche in Dessau (28:32) gegen einen direkten Konkurrenten im Abstiegskampf. Nach nur einem Sieg im Kalenderjahr auf beiden Seiten geht es für die Hamburger wie die Dresdner um dringend benötigte Punkte im Gerangel um die Plätze 15 aufwärts, die Nichtabstiegsplätze.

Der Druck steigt

„Man merkt, der Druck steigt. Der Abstiegskampf wird ruppiger, die Bereitschaft, mit Blessuren zu spielen, aber auch Verletzungen des Gegners in Kauf zu nehmen, nimmt zu“, sagt Dr. Philip Catalá-Lehnen, Leiter des Lans Medicums am Stephansplatz. Das habe er beim jüngsten Heimsieg gegen Düsseldorf (34:26) selbst beobachten können. Mit seinem Team betreut der ehemalige Mannschaftsarzt der HSV-Fußballer mittlerweile die Handballer wie auch die Basketballer der Hamburg Towers. Robustheit und Schmerzresistenz der Handballer beeindrucken den Mediziner. „Wo der Fußballer aufhören würde, spielt der Handballer weiter“, sagt Catalá-Lehnen. Die Verletzungen bei Hamburgs Handballer seien „aus medizinischer Sicht in dieser Saison recht spannend“. Da war viel Ungewöhnliches dabei. Die von Außen Christopher Rix im Spiel gegen Düsseldorf erlittene Verletzung, einen Muskelabriss in der Hohlhand, „habe ich so noch nie gesehen. Und er hat erst noch weitergespielt.“

Die Personalsorgen mit aktuell weiterhin fünf Ausfällen kosteten die Mannschaft von Trainer Torsten Jansen in dieser Spielzeit schon viel Substanz, Rhythmus, womöglich auch Punkte – und Schmerzen. „Ich hatte noch gar nicht so viel in meiner Karriere“, sagt Marius Fuchs. Von einer septischen Schleimbeutelentzündung am Ellenbogen und einem Kapselriss mit knöchernem Ausriss berichtet der 27-Jährige. „Ich spiele heute noch mit einem Knochensplitter im Finger. Das wird getapt.“ Schulter, Rücken, Bänderrisse und „den kleinen Finger habe ich mir mal gebrochen“, ergänzt Weller, mit 25 Jahren Co-Kapitän bei den Hamburgern, die Liste. Mit Muskelfaserrissen kann nur Vogt, der zuletzt wegen eines Diskusanrisses an der Hand zweieinhalb Monate ausfiel, aufwarten. „Alles andere sind Kleinigkeiten, Saisonschmerzen, die erst in der Sommer- oder Winterpause abklingen“, sagt Weller und zeigt seine gebogenen Handballfinger: „Handmodel wird keiner von uns mehr werden.“

Erst abends im Bett schmerzt es

Schmerzen gehören dazu, sie sind eine natürliche Grenze des Körpers. „Das kennt jeder Leistungssportler“, sagt Weller, „bei uns kommt der direkte Körperkontakt noch dazu.“ Und das Regelwerk, das das Drängeln und Rangeln zulässt, wo Angriffe per Stoppfoul unterbunden werden können. Schmerzen sind integraler Bestandteil des Handballs. „Dabei geht es uns am Kreis noch gut“, erklärt Weller, „wir können uns darauf einstellen, dass gezerrt und gestoßen wird.“ Am Kreis ist der „Körperkontakt ja ständig da, wir sind immer in einer Grundspannung“, ergänzt Fuchs. Bei Rückraumspielern ist das anders. Die springen mit Anlauf ab. Kassieren sie in der Luft einen Schlag, können sie nur unkontrolliert landen. „Dabei passieren die meisten Verletzungen“, bestätigt Dr. Catalá-Lehnen.

Der Kreisläufer bleibt meist am Boden – und im Automatismus. „Ball fangen, Drehung um den Gegenspieler, Absprung, Wurf“, sagt Vogt. Das ständige Sich-in-den-Kreis-Werfen schmerze nicht, man verschwende auch keinen Gedanken daran, „nur wenn noch ein Stoß kommt, oder der Griff in den Wurfarm, dann ist der gewohnte Bewegungsablauf unterbrochen“, sagt Fuchs. Dann kann es wehtun. „Im Spiel merkt man das gar, da ist man voller Adrenalin“, so Fuchs. Erst abends im Bett kann es schon mal pochen, ziehen, schmerzen. Das Adrenalin anästhesiert den Schmerz im Spiel – „und in Spielen mit maximaler Fokussierung ist die Hormonausschüttung noch mal größer“, sagt Catalá-Lehnen.

Fehlt dem Team, das als einziger Zweitligist bislang ohne Rote Karte durch die Saison geht, die nötige Härte? „Gute Abwehrarbeit lässt sich nicht an der Sünderkartei ablesen“, entgegnet Weller. „Wir müssen wieder besser stehen, uns bewegen, dann können wir auch sportlich hart zupacken“, sagt der Abwehrchef. Daran haben sie gearbeitet, damit gegen Dresden nicht nur eingesteckt, sondern wie erwünscht auch ausgeteilt werden kann. Denn der Abstieg wäre „schmerzhafter als alle Schmerzen auf dem Feld“, so Weller. Und für den Klassenerhalt würde man alle Schmerzen auf sich zu nehmen, die notwendig seien, versprechen alle drei. Unisono.