Hamburg. Anton Hefele übernimmt die Geschäftsführung beim Damenbasketball. Was ihn dazu qualifiziert und welche Pläne er hat.
Man kann Anton Hefele für seine Entscheidung bemitleiden. Da verzichtet jemand freiwillig auf potenziell höhere Einkünfte, um seinen Arbeitsplatz vom sehr schönen Hamburg ins auch unter neutralen Gesichtspunkten nicht ganz so attraktive Hagen zu verlegen. Der 30-Jährige betrachtet seinen Entschluss aus einer gänzlich anderen Perspektive: Er sei schon ziemlich zu beneiden. Schließlich könne er seiner Passion nachgehen, im Sport tätig zu sein, und vom 1. Oktober an die Geschäftsführung der Damen-Basketball-Bundesliga (DBBL) zu übernehmen, sei außerdem eine ebenso ehrenwerte wie spannende Aufgabe.
Hefele, Master der Betriebswirtschaftslehre, arbeitete für Daimler, Conti und in der Unternehmensberatung, zuletzt für einen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln. In der freien Wirtschaft könnte er weitaus mehr verdienen als im Frauensport. „Trotzdem löst der Sport einen ganz anderen affektiven Drive bei mir aus. Basketball wird immer mein emotionaler Anker sein“, sagt er und fasst sich aufs Herz.
Hamburger Anton Hefele wird Geschäftsführer der Damen-Basketball-Bundesliga
Mit Basketball wurde er sozialisiert, kurz nachdem er als Sechsjähriger mit seinen Eltern aus dem sibirischen Tomsk nach Göttingen kam. Hefele spielte in der U-16- und U-19-Bundesliga, wurde Trainer im Verein und beim Verband. Im ganz Kleinen hat er also zum Aufschwung des deutschen Damenbasketballs beigetragen.
Sein künftiger Arbeitgeber kann das weniger für sich in Anspruch nehmen. Zwar qualifizierten sich die deutschen Frauen in Paris erstmals für die Olympischen Spiele und erreichten das Viertelfinale, das 3x3-Team gewann sogar Gold, in der Entwicklung der DBBL schlägt sich das jedoch nicht nieder. Nur zwei von zwölf Olympionikinnen sind in Deutschland aktiv. Wer sich spielerisch verbessern und zumindest ein annehmbares Gehalt verdienen möchte, wechselt frühzeitig ins Ausland.
Internetseite der DBBL präsentiert Kader und Spielpläne der vergangenen Saison
Ein Zustand, den Hefele langfristig ändern möchte. „Wir müssen Leitlinien entwickeln, ein Wertesystem, wofür die Liga überhaupt steht. Aus meiner Sicht sollte sie zu einer Plattform für Spielerinnen aus dem eigenen Nachwuchs der Clubs werden“, sagt der Noch-Wahl-Hamburger. Die Grundlagenausbildung an den zwölf Erstliga- sowie je zwölf Nord- und Süd-Zweitligastandorten ist derzeit noch ausbaufähig. Womit sich dieser Zustand ändern lässt, ist simpel: mit Geld. 90 Prozent der Spielerinnen haben einen Job oder sind Studentinnen.
Hefele will daher künftig auf eine deutlich stärkere Vermarktung der DBBL setzen, die mediale Reichweite erhöhen. Das fängt mit Kleinigkeiten an. Die Internetseite der Liga beispielsweise ist, gelinde gesagt, blamabel. Es sind keine aktuellen Kader und Spielpläne zu finden. Partien werden vom kostenpflichtigen Streamingdienstleister Sporttotal übertragen, die Zugriffszahlen sind nach Abendblatt-Informationen überschaubar.
Alba Berlin ist Vorreiter im Damenbasketball, die Hamburg Towers wollen nachziehen
„Wir müssen uns fragen, wie wir auch Leute außerhalb der Basketball-Blase erreichen. Da nehme ich uns als Liga genauso in die Verantwortung wie die Vereine“, sagt Hefele, der die stark wachsende australische Liga zum Vorbild nimmt. Er möchte hochwertige Inhalte publizieren lassen, tiefere Einblicke gewähren, mehr Geschichten über die Spielerinnen erzählen.
Überhaupt will der künftige Ligaboss die Athletin mehr in den Vordergrund rücken, dafür in den kommenden Monaten ganz viele Gespräche mit den Vereinen und Basketballerinnen führen. Der Deutsche Meister Alba Berlin, der künftig von 3x3-Olympiasiegerin Svenja Brunckhorst (32) gemanagt wird, sei auf einem sehr guten Weg. In Hamburg spielen die Towers in der 1. Regionalliga, Vereinsgründer Marvin Willoughby (46) ist ein Förderer des Damenbasketballs. In kleineren Städten seien Ausbildungs- und Studienkooperationen Hebel, vor Ort für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen.
Neuer Ligaboss Hefele: „Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, um in den Frauensport zu investieren“
„Auch den Zuschauern müssen wir ein besseres Spieltagserlebnis bieten, das über Seilspringer in den Auszeiten und dem Sitzen auf Mattenwägen hinausgeht“, sagt Hefele. Mit einem guten Unterhaltungsprogramm lassen sich neue Fans in der relevanten jüngeren Zielgruppe sowie dann vor allem auch Sponsoren gewinnen.
Hefele ist sehr wohl bewusst, dass sich ein Investment in den Frauensport in Deutschland in den meisten Disziplinen finanziell nicht auszahlt: „Dafür können Unternehmen ihre Marke für einen vergleichsweise geringen Beitrag authentisch aufladen. Mit der stärker werdenden Gleichberechtigungsbewegung gibt es doch keinen besseren Zeitpunkt als jetzt.“
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Auf den weiblichen Basketball trifft das im Speziellen zu. Im kommenden Sommer wird die Vorrunde der Europameisterschaft in Hamburg ausgetragen, 2026 ist Berlin Gastgeber der Weltmeisterschaft. „Der Blick ist auf Deutschland gerichtet. Basketball ist eine wirklich tolle Sportart. Ich bin überzeugt, dass wir das gemeinsam anpacken werden“, sagt Hefele. Der Enthusiasmus seiner Worte klingt ziemlich beneidenswert.