Hamburg. Verletzungen warfen den Basketballer der Veolia Towers zurück, aber nie aus der Bahn. Über eine besondere Lebens- und Liebesgeschichte.

Kenneth Ogbe war blind. Er wusste nichts von dem, was ihn erwarten würde an der Blind-Date-Nacht der Utah Valley University. Wenig später war er dann blind vor Liebe, es funkte direkt zwischen ihm und seiner zukünftigen Frau. 2019 heirateten die beiden. Seit Montag ist das Glück von Ogbe wieder perfekt, als seine Partnerin gemeinsam mit der dreijährigen Tochter, dem zweijährigen Sohn sowie einem weiteren, Ende November zur Welt kommenden Jungen im Bauch in Hamburg ankam.

Dort lebt der 29-Jährige seit mehr als einem Monat in der Wohnung in Hammerbrook, um sich mit den Veolia Towers auf die neue Saison in der Basketball-Bundesliga vorzubereiten. Sich auf die Wilhelmsburger einzulassen, war alles andere als ein Blind-Date für Ogbe. Der gebürtige Münchener spielt seit 2018 in der Bundesliga, zuletzt bei den EWE Baskets Oldenburg, kennt den Club und einige seiner Mitspieler gut. Ein Telefonat mit Cheftrainer Benka Barloschky überzeugte ihn schnell vom Wechsel.

Basketball: Kenneth Ogbe entschied sich schnell für die Veolia Towers Hamburg

„In Oldenburg hat es mir richtig gut gefallen. Es hat sich aber früh abgezeichnet, dass der Verein nicht mehr mit mir plant, was ich angesichts der Verletzungshistorie komplett verstehe“, sagt Ogbe. Die Towers seien dann der erste Verein gewesen, mit dem er gesprochen habe. Neben der Teilnahme am EuroCup waren für den FC-Bayern-Fan vor allem die Infrastruktur sowie die sehr gute medizinische Betreuung von Bedeutung.

Denn die Gesundheit machte dem Flügelspieler öfters Probleme. Ogbe galt als riesiges Talent, Alba Berlin verpflichtete ihn direkt nach seiner Collegezeit, danach spielte er bei den Topclubs aus Bamberg und Oldenburg. Eine respektable Karriere, die acht Länderspiele garnieren.

Verletzungen warfen den Nationalspieler immer wieder zurück

Für höhere Weihen spielte der Körper nicht mit. Muskelfaserrisse, Knieprobleme, Bänderdehnungen – irgendetwas war meistens. „Es fängt mit Pech an, man landet auf einem Fuß. Daraus folgt eine Fehlbelastung, die sich auf andere Körperstellen auswirkt. Mein Fehler war häufig, dass ich immer alles zu schnell wollte. Manchmal wäre es smarter gewesen, noch ein, zwei Wochen zu pausieren“, sagt Ogbe.

Was ohne die regelmäßigen Lädierungen hätte sein können, fragt er sich aber nicht. „Ich habe schwierige Zeiten erlebt. Aber ich bin froh, wo ich stehe. Ohne die Verletzungen wäre ich nicht hier und nicht die Person, die ich geworden bin“, sagt der 1,98-Meter-Mann. Inzwischen habe er Routinen für Knie und Füße entwickelt, in der Vorbereitung spielte er „irgendwie ohne Angst“ und fügt charmant an: „Ich glaube, das ist etwas Gutes.“

Ogbe: „Meiner Familie ist egal, was auf dem Basketballfeld passiert“

Ogbe, dieser athletische Defensivkünstler, ist ein warmer Mensch, dessen Blick über das Spielfeld hinaus reicht. Computer interessieren ihn, er liest sehr gern, besonders Science-Fiction-Romane. In „so ‘nem Park am Stephansplatz“ (Planten un Blomen) könne man das herrlich auf einer Bank.

Guter Werfer: In Oldenburg traf Kenneth Ogbe zuletzt 35,9 Prozent seiner Dreier.
Guter Werfer: In Oldenburg traf Kenneth Ogbe zuletzt 35,9 Prozent seiner Dreier. © Witters | Leonie Horky

Nun stehen auch wieder Kinderbücher auf dem Lehrplan. Die Lesestunde für die Kinder in der Bücherei ist schon gebucht, die Tanzkurse ebenso, der Besuch in Hagenbecks Tierpark geplant. „Die Familie ist mein Mittelpunkt. Sie sorgt dafür, dass ich keine Probleme vom Basketballfeld mit nach Hause nehme. Den Kindern ist nämlich völlig egal, was dort passiert“, sagt der Sohn einer aus Kiel stammenden Deutschen und eines Nigerianers.

Im Sommer lebt der neue Tower in den USA

Ihren Lebensmittelpunkt haben die Ogbes längst in die USA verlegt, nach Pasco im nordwestlichen Bundesstaat Washington. „Es ist die Heimatstadt meiner Frau, wir haben ganz viel Familie dort, die Kinder können raus aufs Land, und ich habe gute Trainingsmöglichkeiten, da es in den USA überall Basketballhallen gibt“, sagt Ogbe, dessen älterer Bruder als Ingenieur in Los Angeles arbeitet. Während der Saison zieht seine Frau, die als Grundschullehrerin via Computer Kinder mit Schwierigkeiten beim Lesen unterstützt, mit dem Nachwuchs stets nach Deutschland, nun nach Hamburg.

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Dort möchte Ogbe auf dem Parkett „Ruhe und Energie reinbringen und ein paar Dreier reinwerfen“. Abseits davon „neugierig sein, was das Leben für uns bringt, wie ich mich entwickeln kann“. Und zwischendurch auch mal die Augen schließen. Es können die tollsten Dinge daraus erwachsen.